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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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niemanden als sich selbst beyzumessen hätte. So viel Delikatesse wollte diesem
nicht in den Kopf. Aber der Hof, der die Geschichte erfahren hatte, billigte
L-'s Entschließung und ließ Bellomo andeuten, daß, um die Sache beyzulegen
und den Kredit seiner Frau einigermaßen wieder herzustellen, kein Mittel
übrig wäre, als ihn gehen zu laßen. Bellomo verstand sich endlich dazu, doch
nur unter der Bedingung, sobald er Jemanden an seine Stelle fände. Diese
Bedingung konnte Leonhard nicht eingehen, sondern bestand um so mehr auf
der bet diesem Theater hergebrachten Kündigungsfrist von 6 Wochen, da er
sonst bey längerem Verzug sein Glück in Mannheim verscherzen würde. So
steht die Sache. Die Billigkeit ist auf Leonhards Seite, und Ein Wort
von Nachdruck könnte Bellomo's Chikanen zernichten."

Elf Tage später ist Alles in Ordnung. Am 23. Aug. 1784 meldet
Götter:

"Ich habe die Ehre Eurer Excellenz hierbey den Leonhard'schen
Kontrakt vollzogen zurückzusenden. Nach den in Ihren vorhergehenden
Schreiben enthaltenen Aeußerungen, war es mir unerwartet, ihn auch auf
Madame L. erstreckt zu finden. Sie rechnet es sich indessen zur besondern
Ehre, daran Theil zu nehmen und wird sich aus allen Kräften bestreben,
dem dortigen Theater nützlich zu werden. Nur geschähe ihr eine Gnade, wenn
Eure Excellenz ihr die Erlaubniß zu ertheilen geruhten, diesen Winter noch
in Weimar bleiben zu dürfen, wo sie von beyden Herzoginnen des gnädig¬
sten Schuzes gewürdigt wird, viel Wohlthaten genießt, auch über dieses die
Hoffnung hat, im Gefolge der Herzoginn Mutter eine Reise nach Braun¬
schweig, ihrer Vaterstadt, zu machen, um daselbst einen Prozeß zu betreiben,
in welchem ihr kleines Erbtheil befangen ist."

Der öfters nachzuweisende Vorurtheilsfreie Umgang mit Schauspielerin¬
nen ist ein für Anna Amalie von Weimar charakteristischer Zug, und
Madame Leonhard mußte wohl sehr in Gunst stehen, denn wir lesen in
einem Briefe Götter's an Dalberg vom 11. Septbr. 1784:

"Herr Leonhard ist so glücklich, Ew. Excellenz diesen Brief selbst zu
überreichen. Madame Leonhard hat von Eurer Excellenz gnädigen Erlaub¬
niß, vor der Hand zurückzubleiben, keinen Gebrauch gemacht, sondern nach
reiferer Ueberlegung für ökonomischer gefunden, Ihren Mann sogleich zu be¬
gleiten und die Besorgung der Braunschweigischen Familienangelegenheit ihren
Gönnern in Weimar zu überlassen."

Götter's nächster Brief (vom 3. März 1785) belehrt uns, daß W. H.
von Dalberg dringend wünschte, die berühmte Corona Schröter für seine
Bühne zu engagiren. Diese vielgenannte Künstlerin, der erst noch jüngst ein¬
gehende Arbeiten gewidmet wurden, beschreibt Götter folgendermaßen:

"Ich kenne Mauset Schröter. Ich habe sie in Leipzig und Weimar,


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niemanden als sich selbst beyzumessen hätte. So viel Delikatesse wollte diesem
nicht in den Kopf. Aber der Hof, der die Geschichte erfahren hatte, billigte
L-'s Entschließung und ließ Bellomo andeuten, daß, um die Sache beyzulegen
und den Kredit seiner Frau einigermaßen wieder herzustellen, kein Mittel
übrig wäre, als ihn gehen zu laßen. Bellomo verstand sich endlich dazu, doch
nur unter der Bedingung, sobald er Jemanden an seine Stelle fände. Diese
Bedingung konnte Leonhard nicht eingehen, sondern bestand um so mehr auf
der bet diesem Theater hergebrachten Kündigungsfrist von 6 Wochen, da er
sonst bey längerem Verzug sein Glück in Mannheim verscherzen würde. So
steht die Sache. Die Billigkeit ist auf Leonhards Seite, und Ein Wort
von Nachdruck könnte Bellomo's Chikanen zernichten."

Elf Tage später ist Alles in Ordnung. Am 23. Aug. 1784 meldet
Götter:

„Ich habe die Ehre Eurer Excellenz hierbey den Leonhard'schen
Kontrakt vollzogen zurückzusenden. Nach den in Ihren vorhergehenden
Schreiben enthaltenen Aeußerungen, war es mir unerwartet, ihn auch auf
Madame L. erstreckt zu finden. Sie rechnet es sich indessen zur besondern
Ehre, daran Theil zu nehmen und wird sich aus allen Kräften bestreben,
dem dortigen Theater nützlich zu werden. Nur geschähe ihr eine Gnade, wenn
Eure Excellenz ihr die Erlaubniß zu ertheilen geruhten, diesen Winter noch
in Weimar bleiben zu dürfen, wo sie von beyden Herzoginnen des gnädig¬
sten Schuzes gewürdigt wird, viel Wohlthaten genießt, auch über dieses die
Hoffnung hat, im Gefolge der Herzoginn Mutter eine Reise nach Braun¬
schweig, ihrer Vaterstadt, zu machen, um daselbst einen Prozeß zu betreiben,
in welchem ihr kleines Erbtheil befangen ist."

Der öfters nachzuweisende Vorurtheilsfreie Umgang mit Schauspielerin¬
nen ist ein für Anna Amalie von Weimar charakteristischer Zug, und
Madame Leonhard mußte wohl sehr in Gunst stehen, denn wir lesen in
einem Briefe Götter's an Dalberg vom 11. Septbr. 1784:

»Herr Leonhard ist so glücklich, Ew. Excellenz diesen Brief selbst zu
überreichen. Madame Leonhard hat von Eurer Excellenz gnädigen Erlaub¬
niß, vor der Hand zurückzubleiben, keinen Gebrauch gemacht, sondern nach
reiferer Ueberlegung für ökonomischer gefunden, Ihren Mann sogleich zu be¬
gleiten und die Besorgung der Braunschweigischen Familienangelegenheit ihren
Gönnern in Weimar zu überlassen."

Götter's nächster Brief (vom 3. März 1785) belehrt uns, daß W. H.
von Dalberg dringend wünschte, die berühmte Corona Schröter für seine
Bühne zu engagiren. Diese vielgenannte Künstlerin, der erst noch jüngst ein¬
gehende Arbeiten gewidmet wurden, beschreibt Götter folgendermaßen:

„Ich kenne Mauset Schröter. Ich habe sie in Leipzig und Weimar,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/53>, abgerufen am 24.11.2024.