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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Wahlprogramm in die Schranken, in welchem es zu lebhafter Betheiligung
an den bevorstehenden Wahlen zu Bezirks- und Kreistag aufforderte und auf
die Bedeutung und Tragweite derselben in der jetzigen Periode hinwies, inso¬
fern es sich dabei nicht blos um lediglich locale Wahlen handle, sondern von
dem Ausfalle derselben auch die erstrebte Reform des Landesausschusses und
der verfassungsmäßige Ausbau des Landes überhaupt abhänge, um endlich
mit der Parole zu schließen: Action und wieder Action!

Diese Agitation zu Gunsten einer umfassenden Betheiligung an der
Regelung der Geschicke des Landes durch seine eigenen Söhne hat denn auch
zum Theil ihre guten Früchte getragen. Man kann mit den Resultaten der
am Samstag und Sonntag stattgehabten Wahlen der Betheiligung der Be¬
völkerung an denselben verhältnißmäßig zufrieden sein. Mit Ausnahme einiger
weniger Bezirke, in denen Neuwahlen mangels genügender Betheiligung vor¬
genommen werden müssen und an deren Spitze sehr bezeichnend die Stadt¬
kreise Mühlhausen und Metz stehen, war jene Theilnahme eine ziemlich rege,
den Verhältnißzahlen der Einwohner und eingeschriebenen Wähler im Ganzen
entsprechende, zum Mindesten eine bedeutendere, als vor drei Jahren. Die
Wahlresultate in Mühlhausen sind zwar etwas auffallender und äußerst
charakteristischer Natur für den in dieser Stadt noch besonders vorherrschenden
Chauvinismus. Im Nordkanton derselben betheiligten sich von 5404 einge¬
schriebenen Wählern nur 710 an der Abstimmung, im Südkanton von 6932
nur 948. Aehnlich sind die Ziffern in Metz ausgefallen. Hier fielen von
717 abgegebenen Stimmen, die einer Zahl von etwa 3000 Wählern entspricht,
701 auf den Candidaten der Protestpartei, den Fabrikanten Pigeon in Metz.
Auch hier muß deshalb eine Nachwahl stattfinden.

In den Land- und kleinern Stadtgemeinden des Elsasses dagegen, na¬
mentlich in denen des geistig und politisch regsameren Unterelsasses, war die
Betheiligung allenthalben eine sehr lebhafte und erfreuliche. Ebenso weisen
in den meisten Cantonen des etwas indolenteren Oberelsasses die Vergleichungs¬
ziffern der diesjährigen Bezirkstagswahlen mit denen der i. I. 1873 vorge¬
nommenen eine erhebliche Steigerung auf. So betheiligten sich in dem wein'
berühmten Städtchen Rappoltsweiler an den Wahlen 1873 von 233?
eingeschriebenen Wählern nur ungefähr die Hälfte an der Abstimmung, nämlich
1177, während diesmal von 3179 Wahlmännern 1940 sich an der Wahlurne
einfanden. Noch günstiger ist das Verhältniß in dem Canton Winzenheiw
bei Colmar, wo der elsässische Publicist Carl Grad aus Logelbach zum Be¬
zirksrath gewählt wurde. In dem lothringischen Lützelstein endlich nahmen
in diesem Jahre 300 Wähler mehr an der Abstimmung Theil, als i. I. 18^'
Aus alledem kann man wohl als Schlußsacit ziehen, daß das früher so be¬
liebte und populäre Enthaltungssystem im Elsaß ein für allemal gerichtet 'se-


Wahlprogramm in die Schranken, in welchem es zu lebhafter Betheiligung
an den bevorstehenden Wahlen zu Bezirks- und Kreistag aufforderte und auf
die Bedeutung und Tragweite derselben in der jetzigen Periode hinwies, inso¬
fern es sich dabei nicht blos um lediglich locale Wahlen handle, sondern von
dem Ausfalle derselben auch die erstrebte Reform des Landesausschusses und
der verfassungsmäßige Ausbau des Landes überhaupt abhänge, um endlich
mit der Parole zu schließen: Action und wieder Action!

Diese Agitation zu Gunsten einer umfassenden Betheiligung an der
Regelung der Geschicke des Landes durch seine eigenen Söhne hat denn auch
zum Theil ihre guten Früchte getragen. Man kann mit den Resultaten der
am Samstag und Sonntag stattgehabten Wahlen der Betheiligung der Be¬
völkerung an denselben verhältnißmäßig zufrieden sein. Mit Ausnahme einiger
weniger Bezirke, in denen Neuwahlen mangels genügender Betheiligung vor¬
genommen werden müssen und an deren Spitze sehr bezeichnend die Stadt¬
kreise Mühlhausen und Metz stehen, war jene Theilnahme eine ziemlich rege,
den Verhältnißzahlen der Einwohner und eingeschriebenen Wähler im Ganzen
entsprechende, zum Mindesten eine bedeutendere, als vor drei Jahren. Die
Wahlresultate in Mühlhausen sind zwar etwas auffallender und äußerst
charakteristischer Natur für den in dieser Stadt noch besonders vorherrschenden
Chauvinismus. Im Nordkanton derselben betheiligten sich von 5404 einge¬
schriebenen Wählern nur 710 an der Abstimmung, im Südkanton von 6932
nur 948. Aehnlich sind die Ziffern in Metz ausgefallen. Hier fielen von
717 abgegebenen Stimmen, die einer Zahl von etwa 3000 Wählern entspricht,
701 auf den Candidaten der Protestpartei, den Fabrikanten Pigeon in Metz.
Auch hier muß deshalb eine Nachwahl stattfinden.

In den Land- und kleinern Stadtgemeinden des Elsasses dagegen, na¬
mentlich in denen des geistig und politisch regsameren Unterelsasses, war die
Betheiligung allenthalben eine sehr lebhafte und erfreuliche. Ebenso weisen
in den meisten Cantonen des etwas indolenteren Oberelsasses die Vergleichungs¬
ziffern der diesjährigen Bezirkstagswahlen mit denen der i. I. 1873 vorge¬
nommenen eine erhebliche Steigerung auf. So betheiligten sich in dem wein'
berühmten Städtchen Rappoltsweiler an den Wahlen 1873 von 233?
eingeschriebenen Wählern nur ungefähr die Hälfte an der Abstimmung, nämlich
1177, während diesmal von 3179 Wahlmännern 1940 sich an der Wahlurne
einfanden. Noch günstiger ist das Verhältniß in dem Canton Winzenheiw
bei Colmar, wo der elsässische Publicist Carl Grad aus Logelbach zum Be¬
zirksrath gewählt wurde. In dem lothringischen Lützelstein endlich nahmen
in diesem Jahre 300 Wähler mehr an der Abstimmung Theil, als i. I. 18^'
Aus alledem kann man wohl als Schlußsacit ziehen, daß das früher so be¬
liebte und populäre Enthaltungssystem im Elsaß ein für allemal gerichtet 'se-


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[0510] Wahlprogramm in die Schranken, in welchem es zu lebhafter Betheiligung an den bevorstehenden Wahlen zu Bezirks- und Kreistag aufforderte und auf die Bedeutung und Tragweite derselben in der jetzigen Periode hinwies, inso¬ fern es sich dabei nicht blos um lediglich locale Wahlen handle, sondern von dem Ausfalle derselben auch die erstrebte Reform des Landesausschusses und der verfassungsmäßige Ausbau des Landes überhaupt abhänge, um endlich mit der Parole zu schließen: Action und wieder Action! Diese Agitation zu Gunsten einer umfassenden Betheiligung an der Regelung der Geschicke des Landes durch seine eigenen Söhne hat denn auch zum Theil ihre guten Früchte getragen. Man kann mit den Resultaten der am Samstag und Sonntag stattgehabten Wahlen der Betheiligung der Be¬ völkerung an denselben verhältnißmäßig zufrieden sein. Mit Ausnahme einiger weniger Bezirke, in denen Neuwahlen mangels genügender Betheiligung vor¬ genommen werden müssen und an deren Spitze sehr bezeichnend die Stadt¬ kreise Mühlhausen und Metz stehen, war jene Theilnahme eine ziemlich rege, den Verhältnißzahlen der Einwohner und eingeschriebenen Wähler im Ganzen entsprechende, zum Mindesten eine bedeutendere, als vor drei Jahren. Die Wahlresultate in Mühlhausen sind zwar etwas auffallender und äußerst charakteristischer Natur für den in dieser Stadt noch besonders vorherrschenden Chauvinismus. Im Nordkanton derselben betheiligten sich von 5404 einge¬ schriebenen Wählern nur 710 an der Abstimmung, im Südkanton von 6932 nur 948. Aehnlich sind die Ziffern in Metz ausgefallen. Hier fielen von 717 abgegebenen Stimmen, die einer Zahl von etwa 3000 Wählern entspricht, 701 auf den Candidaten der Protestpartei, den Fabrikanten Pigeon in Metz. Auch hier muß deshalb eine Nachwahl stattfinden. In den Land- und kleinern Stadtgemeinden des Elsasses dagegen, na¬ mentlich in denen des geistig und politisch regsameren Unterelsasses, war die Betheiligung allenthalben eine sehr lebhafte und erfreuliche. Ebenso weisen in den meisten Cantonen des etwas indolenteren Oberelsasses die Vergleichungs¬ ziffern der diesjährigen Bezirkstagswahlen mit denen der i. I. 1873 vorge¬ nommenen eine erhebliche Steigerung auf. So betheiligten sich in dem wein' berühmten Städtchen Rappoltsweiler an den Wahlen 1873 von 233? eingeschriebenen Wählern nur ungefähr die Hälfte an der Abstimmung, nämlich 1177, während diesmal von 3179 Wahlmännern 1940 sich an der Wahlurne einfanden. Noch günstiger ist das Verhältniß in dem Canton Winzenheiw bei Colmar, wo der elsässische Publicist Carl Grad aus Logelbach zum Be¬ zirksrath gewählt wurde. In dem lothringischen Lützelstein endlich nahmen in diesem Jahre 300 Wähler mehr an der Abstimmung Theil, als i. I. 18^' Aus alledem kann man wohl als Schlußsacit ziehen, daß das früher so be¬ liebte und populäre Enthaltungssystem im Elsaß ein für allemal gerichtet 'se-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/510>, abgerufen am 27.07.2024.