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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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zusammenfinden, ihr vor allem jene gewaltigen Kasernen, ihr die Gestalt des
General Bruat Md Rapp, die sich in Erz vor uns erhebt.

Der hervorragendste Bau auf kirchlichem Gebiete ist das Münster Se.
Martin, der herrschende Meister aber, der uns aus der Baugeschichte desselben
entgegentritt ist, ist Maistres Humbret. dessen steinernes Bild wir über dem
Portale sehen. Später treten Wilhelm von Marburg und Meister Heuselin
ein. Durch das Colorit des Gesteins wie durch die zahlreichen Ausladungen
und Ecken macht der Bau fast einen trotzig herben Eindruck, der aber bald
dem Gefühle harmonischer Schönheit weicht. Sehr ernst und ruhig wirkt im
Innern das braune Getäfel, das sich um den Chor nach beiden Seiten hin
erstreckt, die geschnitzte Thüre aber, die uns hier in die Sakristei führt, birgt
einen der edelsten Schätze altdeutscher Kunst. Es ist die Madonna im Rosenhag
von Martin Schongauer oder Schön.

Sein Name führt uns aus ein anderes Gebiet, und zwar auf die hohe
geistige Bedeutung, welche Colmar im Lause seiner historischen Entwicklung
gewann. Der glänzendste Name der Stadt ist unleugbar der Künstler, dessen
wir eben gedacht, denn in ihm hatte Deutschland während der zweiten Hälfte
des XV. Jahrhunderts seinen größten Maler. Die Familie selbst stammt
bekanntlich von Augsburg, doch schon Martin's Vater war 1448 von dort
nach Colmar übergesiedelt, wo er das Bürgerrecht erhielt. Der Name "Schön",
der seinen Sohn begleitet, ist nicht "eine Abkürzung des Familiennamens",
sondern ein Beiwort, das seiner künstlerischen Anmuth gegeben ward, denn
in vielen Quellen wird er auch nur in synonymer Weise Hübsch Martin ge-
nannt*). Seine Geburt mag etwa um das Jahr 1420 fallen, sein Tod
erfolgte 1488.

Der Bilder, welche Colmar von Martin Schongauer besaß, waren nach
älteren Zeugnissen wohl sicher mehr, als deren jetzt vorhanden sind; ohne
Zweifel hat die französische Revolution auch hier zerstörend gewirkt. Gegen¬
wärtig sind die Kunstschätze der Stadt im Museum gesammelt, das im ehe-
maligen Kloster Unterlinden errichtet ward. Das letztere war vormals von
Dominikanerinnen bewohnt und ein Hauptsitz aller Mystik, wichtiger als hie-
durch aber ist dasselbe in architektonischer Beziehung, denn der Chor der Kirche
stammt noch aus den Zeiten der reinsten Gothik und der herrliche Kreuz¬
gang ist im Elsaß der einzige, der unversehrt aus dem XIII. Jahrhundert auf
uns gekommen.

Von den übrigen Namen, die Colmar mit Stolz die seinen nennt, sei
Michael Freiburger, der Buchdrucker und Franz Ertinger der Kupferstecher
hier hervorgehoben: der erstere hat sich um die Einführung des Bücherdrucks
in Frankreich sehr verdient gemacht, einem anderen Bürger der Stadt dankt



*) Vgl. Woltmann a. a. O. S. 226 ff.

zusammenfinden, ihr vor allem jene gewaltigen Kasernen, ihr die Gestalt des
General Bruat Md Rapp, die sich in Erz vor uns erhebt.

Der hervorragendste Bau auf kirchlichem Gebiete ist das Münster Se.
Martin, der herrschende Meister aber, der uns aus der Baugeschichte desselben
entgegentritt ist, ist Maistres Humbret. dessen steinernes Bild wir über dem
Portale sehen. Später treten Wilhelm von Marburg und Meister Heuselin
ein. Durch das Colorit des Gesteins wie durch die zahlreichen Ausladungen
und Ecken macht der Bau fast einen trotzig herben Eindruck, der aber bald
dem Gefühle harmonischer Schönheit weicht. Sehr ernst und ruhig wirkt im
Innern das braune Getäfel, das sich um den Chor nach beiden Seiten hin
erstreckt, die geschnitzte Thüre aber, die uns hier in die Sakristei führt, birgt
einen der edelsten Schätze altdeutscher Kunst. Es ist die Madonna im Rosenhag
von Martin Schongauer oder Schön.

Sein Name führt uns aus ein anderes Gebiet, und zwar auf die hohe
geistige Bedeutung, welche Colmar im Lause seiner historischen Entwicklung
gewann. Der glänzendste Name der Stadt ist unleugbar der Künstler, dessen
wir eben gedacht, denn in ihm hatte Deutschland während der zweiten Hälfte
des XV. Jahrhunderts seinen größten Maler. Die Familie selbst stammt
bekanntlich von Augsburg, doch schon Martin's Vater war 1448 von dort
nach Colmar übergesiedelt, wo er das Bürgerrecht erhielt. Der Name „Schön",
der seinen Sohn begleitet, ist nicht „eine Abkürzung des Familiennamens",
sondern ein Beiwort, das seiner künstlerischen Anmuth gegeben ward, denn
in vielen Quellen wird er auch nur in synonymer Weise Hübsch Martin ge-
nannt*). Seine Geburt mag etwa um das Jahr 1420 fallen, sein Tod
erfolgte 1488.

Der Bilder, welche Colmar von Martin Schongauer besaß, waren nach
älteren Zeugnissen wohl sicher mehr, als deren jetzt vorhanden sind; ohne
Zweifel hat die französische Revolution auch hier zerstörend gewirkt. Gegen¬
wärtig sind die Kunstschätze der Stadt im Museum gesammelt, das im ehe-
maligen Kloster Unterlinden errichtet ward. Das letztere war vormals von
Dominikanerinnen bewohnt und ein Hauptsitz aller Mystik, wichtiger als hie-
durch aber ist dasselbe in architektonischer Beziehung, denn der Chor der Kirche
stammt noch aus den Zeiten der reinsten Gothik und der herrliche Kreuz¬
gang ist im Elsaß der einzige, der unversehrt aus dem XIII. Jahrhundert auf
uns gekommen.

Von den übrigen Namen, die Colmar mit Stolz die seinen nennt, sei
Michael Freiburger, der Buchdrucker und Franz Ertinger der Kupferstecher
hier hervorgehoben: der erstere hat sich um die Einführung des Bücherdrucks
in Frankreich sehr verdient gemacht, einem anderen Bürger der Stadt dankt



*) Vgl. Woltmann a. a. O. S. 226 ff.
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[0463] zusammenfinden, ihr vor allem jene gewaltigen Kasernen, ihr die Gestalt des General Bruat Md Rapp, die sich in Erz vor uns erhebt. Der hervorragendste Bau auf kirchlichem Gebiete ist das Münster Se. Martin, der herrschende Meister aber, der uns aus der Baugeschichte desselben entgegentritt ist, ist Maistres Humbret. dessen steinernes Bild wir über dem Portale sehen. Später treten Wilhelm von Marburg und Meister Heuselin ein. Durch das Colorit des Gesteins wie durch die zahlreichen Ausladungen und Ecken macht der Bau fast einen trotzig herben Eindruck, der aber bald dem Gefühle harmonischer Schönheit weicht. Sehr ernst und ruhig wirkt im Innern das braune Getäfel, das sich um den Chor nach beiden Seiten hin erstreckt, die geschnitzte Thüre aber, die uns hier in die Sakristei führt, birgt einen der edelsten Schätze altdeutscher Kunst. Es ist die Madonna im Rosenhag von Martin Schongauer oder Schön. Sein Name führt uns aus ein anderes Gebiet, und zwar auf die hohe geistige Bedeutung, welche Colmar im Lause seiner historischen Entwicklung gewann. Der glänzendste Name der Stadt ist unleugbar der Künstler, dessen wir eben gedacht, denn in ihm hatte Deutschland während der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts seinen größten Maler. Die Familie selbst stammt bekanntlich von Augsburg, doch schon Martin's Vater war 1448 von dort nach Colmar übergesiedelt, wo er das Bürgerrecht erhielt. Der Name „Schön", der seinen Sohn begleitet, ist nicht „eine Abkürzung des Familiennamens", sondern ein Beiwort, das seiner künstlerischen Anmuth gegeben ward, denn in vielen Quellen wird er auch nur in synonymer Weise Hübsch Martin ge- nannt*). Seine Geburt mag etwa um das Jahr 1420 fallen, sein Tod erfolgte 1488. Der Bilder, welche Colmar von Martin Schongauer besaß, waren nach älteren Zeugnissen wohl sicher mehr, als deren jetzt vorhanden sind; ohne Zweifel hat die französische Revolution auch hier zerstörend gewirkt. Gegen¬ wärtig sind die Kunstschätze der Stadt im Museum gesammelt, das im ehe- maligen Kloster Unterlinden errichtet ward. Das letztere war vormals von Dominikanerinnen bewohnt und ein Hauptsitz aller Mystik, wichtiger als hie- durch aber ist dasselbe in architektonischer Beziehung, denn der Chor der Kirche stammt noch aus den Zeiten der reinsten Gothik und der herrliche Kreuz¬ gang ist im Elsaß der einzige, der unversehrt aus dem XIII. Jahrhundert auf uns gekommen. Von den übrigen Namen, die Colmar mit Stolz die seinen nennt, sei Michael Freiburger, der Buchdrucker und Franz Ertinger der Kupferstecher hier hervorgehoben: der erstere hat sich um die Einführung des Bücherdrucks in Frankreich sehr verdient gemacht, einem anderen Bürger der Stadt dankt *) Vgl. Woltmann a. a. O. S. 226 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/463>, abgerufen am 23.11.2024.