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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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"Oan ^on voväsr ik tue äeZrLes ok KieLseii flink: in our
uostrils?"

Bei sothanem Umständen muß die Oeffentlichkeit der Prüfung für eine
ganz werthlose Institution erklärt werden. Man verlange eine gedruckte
Dissertation und schließe die Thüren der Prüfungszimmer, so wird kein
Mensch in dem leider nur zu bekannten Tone über Gießener und Heidelberger
Promotionen zu reden wagen. Diese vielgerühmte Oeffentlichkeit der Prüfung
ist nicht einmal ein Surrogat für die wirkliche Oeffentlichkeit durch den Druck
der Dissertation. Wer sich gegen den letzteren sträubt und sich mit der
ersteren begnügt, setzt sich jedenfalls dem Verdachte aus, daß er die wirkliche
Oeffentlichkeit zu scheuen habe.

Andere Argumente Heinze's übergehe ich als bedeutungslos. Nur das sei
noch hervorgehoben, daß es wohl sehr unzweckmäßig war, bei Vertheidigung
der Heidelberger Usancen die particularistischen Interessen anzurufen. Denn
den Recurs an diese wahren wir uns besser für wichtigere Dinge. Freilich
haben es sich die particularistischen Interessen schon gefallen lassen müssen,
für unvergleichlich schlimmere Institutionen angerufen zu werden. Ich erinnere
nur an die Geschichte der deutschen Spielbanken vor 1866.

Von ganz anderem Standpunkte aus hat nun Carl Vogt in einem
sehr sarkastisch gehaltenen Artikel der Frankfurter Zettung Mommsen's Vor¬
schläge beleuchtet. Auch hier übergehe ich alles Persönliche. Wie Heinze, so
tritt auch Vogt gegen die gedruckte Dissertation in die Schranken, jedoch mit
Unrecht und mit stumpfen Waffen. Man antwortet auf ernsthafte Vorschläge
nicht mit einer Satire auf vergangene Zustände.

Er zeigt zunächst, daß ihm gänzlich unbekannt ist, wie die Verhältnisse
jetzt in Deutschland liegen. Sonst würde er kaum geschrieben haben: "Von
hundert Doetordissertationen, welche in Deutschland an das Licht, nicht der
Welt, sondern der Presse des Universitäts-Buchdruckers kommen, sind höchstens
zehn Procent die wirkliche Arbeit desjenigen, der sich als Verfasser nennt und
bezeugt und auch von diesen sind keine fünf Procent des Druckes werth. Ich
will zugeben, daß von den übrigen neunzig Procent etwa zwanzig nur mit
starker Beihülfe anderer gefertigt sind, aber sicher hat an den übrigen siebzig
Procent der Doctorand nicht soviel Antheil als der Copist, welcher das
Manuscript abgeschrieben hat. Sie sind entweder aus den Heften der Pro¬
fessoren anderer Universitäten "abgeknüllt" oder von einem gefälligen oder be¬
zahlten Fabrikanten gefertigt. Das weiß Jeder." Nein, daß dies jetzt allge-
mein so sei, ist eine Entdeckung Carl Vogt's. Vielleicht mag es sonst in der
Medicin so gewesen sein, vielleicht bestehen einzelne der hier sehr drastisch be-



") Ein Stückchen Universitätszopf. Von Carl Bogt. Vgl. Wochenblatt der Frankfurter
Zeitung. Dritter Jahrgang Ur. 20. Von Sonntag dem 14. Mai 1870.

„Oan ^on voväsr ik tue äeZrLes ok KieLseii flink: in our
uostrils?"

Bei sothanem Umständen muß die Oeffentlichkeit der Prüfung für eine
ganz werthlose Institution erklärt werden. Man verlange eine gedruckte
Dissertation und schließe die Thüren der Prüfungszimmer, so wird kein
Mensch in dem leider nur zu bekannten Tone über Gießener und Heidelberger
Promotionen zu reden wagen. Diese vielgerühmte Oeffentlichkeit der Prüfung
ist nicht einmal ein Surrogat für die wirkliche Oeffentlichkeit durch den Druck
der Dissertation. Wer sich gegen den letzteren sträubt und sich mit der
ersteren begnügt, setzt sich jedenfalls dem Verdachte aus, daß er die wirkliche
Oeffentlichkeit zu scheuen habe.

Andere Argumente Heinze's übergehe ich als bedeutungslos. Nur das sei
noch hervorgehoben, daß es wohl sehr unzweckmäßig war, bei Vertheidigung
der Heidelberger Usancen die particularistischen Interessen anzurufen. Denn
den Recurs an diese wahren wir uns besser für wichtigere Dinge. Freilich
haben es sich die particularistischen Interessen schon gefallen lassen müssen,
für unvergleichlich schlimmere Institutionen angerufen zu werden. Ich erinnere
nur an die Geschichte der deutschen Spielbanken vor 1866.

Von ganz anderem Standpunkte aus hat nun Carl Vogt in einem
sehr sarkastisch gehaltenen Artikel der Frankfurter Zettung Mommsen's Vor¬
schläge beleuchtet. Auch hier übergehe ich alles Persönliche. Wie Heinze, so
tritt auch Vogt gegen die gedruckte Dissertation in die Schranken, jedoch mit
Unrecht und mit stumpfen Waffen. Man antwortet auf ernsthafte Vorschläge
nicht mit einer Satire auf vergangene Zustände.

Er zeigt zunächst, daß ihm gänzlich unbekannt ist, wie die Verhältnisse
jetzt in Deutschland liegen. Sonst würde er kaum geschrieben haben: „Von
hundert Doetordissertationen, welche in Deutschland an das Licht, nicht der
Welt, sondern der Presse des Universitäts-Buchdruckers kommen, sind höchstens
zehn Procent die wirkliche Arbeit desjenigen, der sich als Verfasser nennt und
bezeugt und auch von diesen sind keine fünf Procent des Druckes werth. Ich
will zugeben, daß von den übrigen neunzig Procent etwa zwanzig nur mit
starker Beihülfe anderer gefertigt sind, aber sicher hat an den übrigen siebzig
Procent der Doctorand nicht soviel Antheil als der Copist, welcher das
Manuscript abgeschrieben hat. Sie sind entweder aus den Heften der Pro¬
fessoren anderer Universitäten „abgeknüllt" oder von einem gefälligen oder be¬
zahlten Fabrikanten gefertigt. Das weiß Jeder." Nein, daß dies jetzt allge-
mein so sei, ist eine Entdeckung Carl Vogt's. Vielleicht mag es sonst in der
Medicin so gewesen sein, vielleicht bestehen einzelne der hier sehr drastisch be-



") Ein Stückchen Universitätszopf. Von Carl Bogt. Vgl. Wochenblatt der Frankfurter
Zeitung. Dritter Jahrgang Ur. 20. Von Sonntag dem 14. Mai 1870.
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[0459] „Oan ^on voväsr ik tue äeZrLes ok KieLseii flink: in our uostrils?" Bei sothanem Umständen muß die Oeffentlichkeit der Prüfung für eine ganz werthlose Institution erklärt werden. Man verlange eine gedruckte Dissertation und schließe die Thüren der Prüfungszimmer, so wird kein Mensch in dem leider nur zu bekannten Tone über Gießener und Heidelberger Promotionen zu reden wagen. Diese vielgerühmte Oeffentlichkeit der Prüfung ist nicht einmal ein Surrogat für die wirkliche Oeffentlichkeit durch den Druck der Dissertation. Wer sich gegen den letzteren sträubt und sich mit der ersteren begnügt, setzt sich jedenfalls dem Verdachte aus, daß er die wirkliche Oeffentlichkeit zu scheuen habe. Andere Argumente Heinze's übergehe ich als bedeutungslos. Nur das sei noch hervorgehoben, daß es wohl sehr unzweckmäßig war, bei Vertheidigung der Heidelberger Usancen die particularistischen Interessen anzurufen. Denn den Recurs an diese wahren wir uns besser für wichtigere Dinge. Freilich haben es sich die particularistischen Interessen schon gefallen lassen müssen, für unvergleichlich schlimmere Institutionen angerufen zu werden. Ich erinnere nur an die Geschichte der deutschen Spielbanken vor 1866. Von ganz anderem Standpunkte aus hat nun Carl Vogt in einem sehr sarkastisch gehaltenen Artikel der Frankfurter Zettung Mommsen's Vor¬ schläge beleuchtet. Auch hier übergehe ich alles Persönliche. Wie Heinze, so tritt auch Vogt gegen die gedruckte Dissertation in die Schranken, jedoch mit Unrecht und mit stumpfen Waffen. Man antwortet auf ernsthafte Vorschläge nicht mit einer Satire auf vergangene Zustände. Er zeigt zunächst, daß ihm gänzlich unbekannt ist, wie die Verhältnisse jetzt in Deutschland liegen. Sonst würde er kaum geschrieben haben: „Von hundert Doetordissertationen, welche in Deutschland an das Licht, nicht der Welt, sondern der Presse des Universitäts-Buchdruckers kommen, sind höchstens zehn Procent die wirkliche Arbeit desjenigen, der sich als Verfasser nennt und bezeugt und auch von diesen sind keine fünf Procent des Druckes werth. Ich will zugeben, daß von den übrigen neunzig Procent etwa zwanzig nur mit starker Beihülfe anderer gefertigt sind, aber sicher hat an den übrigen siebzig Procent der Doctorand nicht soviel Antheil als der Copist, welcher das Manuscript abgeschrieben hat. Sie sind entweder aus den Heften der Pro¬ fessoren anderer Universitäten „abgeknüllt" oder von einem gefälligen oder be¬ zahlten Fabrikanten gefertigt. Das weiß Jeder." Nein, daß dies jetzt allge- mein so sei, ist eine Entdeckung Carl Vogt's. Vielleicht mag es sonst in der Medicin so gewesen sein, vielleicht bestehen einzelne der hier sehr drastisch be- ") Ein Stückchen Universitätszopf. Von Carl Bogt. Vgl. Wochenblatt der Frankfurter Zeitung. Dritter Jahrgang Ur. 20. Von Sonntag dem 14. Mai 1870.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/459>, abgerufen am 28.07.2024.