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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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sammenhingen. Um so entschiedener war es von vornherein geboten, daß die
gegen die Integrität von Personen und Zeitungen öffentlich erhobenen Be¬
schuldigungen so viel und so rasch als möglich niedergeschlagen oder in klarster
Weise zum Austrage gebracht wurden. Angesichts der durch schwere Verluste
infolge des Börsen- und Gründungsschwindels hervorgerufenen tiefen Er¬
regung der Massen lag es auf der Hand, daß es nicht klug sei und der liberalen
Partei schädlich werden müßte, aus reinem Bewußtsein oder in vornehmem
Stolze die Angriffe zu ignoriren. Wenn jemals, so war hier das aliyuiä
naoret gefährlich.

In dieser Einsicht haben auch die liberalen Elemente unserer Parlamente
nicht gesäumt, alsbald alle Punkte, in Betreff deren Zweifel erhoben wurden,
aufs genauste klar zu stellen. Solchergestalt wurden im Dec. v. I. die
klerikalen Angriffe gegen die allgemeine Finanzverwaltung im Reichstag zum
Schweigen gebracht; ebenso später im Abgeordnetenhause die Angriffe bezüglich
des Courses und der Auswahl der zur Dotation der Provinzen bestimmten
Werthpapiere; bezüglich des Berichts der Commission zur Untersuchung der
Eisenbahn-Schwindeleien stellten sich die Liberalen bereit, alle agrarischer
Seits erwarteten Angriffe zu erörtern und der in der Presse angegriffene Abg.
Miquel hat alsbald mit offener Darlegung seiner Verhältnisse geantwortet.
Es ist in der That nichts auf der nationalliberalen Partei, einzelnen Abge¬
ordneten, oder der Finanzverwaltung Camphausen's sitzen geblieben; es er¬
übrigt aber noch eins: auch bezüglich der gegen Preßorgane erhobenen Be¬
schuldigungen muß nothwendig Alles ins Klare gebracht werden. Ist hier
nicht Alles richtig hergegangen, so muß dies von der betreffenden Partie
selbst constatirt, es müssen die unreinen Elemente entfernt werden, damit nicht
der vielleicht auf einem unbedeutenden Bruchtheil haftende Makel verallge¬
meinert und im Wahlkampfe über Gebühr ausgenutzt werde. Es kann einer
Partei und es kann ihrer Presse sowie der Presse überhaupt nicht gleichgültig
sein, wenn verborgen bleibt, ob wirklich mit Recht Zweifel in die Integrität
eines Organs einer politischen Partei zu setzen sind.

Gegen zwei hervorragende Blätter sind Beschuldigungen erhoben: gegen
die "Frankfurter Zeitung" und gegen die "Nattonal-Zeitung". Die
gegen erstere ist neu, richtet sich zugleich gegen bestimmte Personen und geht aus
von der demokratischen "Staatsbürger-Ztg." in Berlin, welche am 21. Mai
d- I. Beschuldigung erhob gegen den Reichstagsabgeordneten Sonnemann,
..daß er während der Schwindelperiode seine öffentliche Vertrauensstellung
als Besitzer und Leiter der Frankfurter Ztg. benutzt habe zu heimlichen Ge-
winnsten aus Gründungen, über welche das Publikum in seinem Blatte ein
unbestochenes und unparteiisches Urtheil zu erwarten berechtigt war." Es
wird dann im Näheren behauptet, 1871 habe die "deutsche Vereinsbank" in


sammenhingen. Um so entschiedener war es von vornherein geboten, daß die
gegen die Integrität von Personen und Zeitungen öffentlich erhobenen Be¬
schuldigungen so viel und so rasch als möglich niedergeschlagen oder in klarster
Weise zum Austrage gebracht wurden. Angesichts der durch schwere Verluste
infolge des Börsen- und Gründungsschwindels hervorgerufenen tiefen Er¬
regung der Massen lag es auf der Hand, daß es nicht klug sei und der liberalen
Partei schädlich werden müßte, aus reinem Bewußtsein oder in vornehmem
Stolze die Angriffe zu ignoriren. Wenn jemals, so war hier das aliyuiä
naoret gefährlich.

In dieser Einsicht haben auch die liberalen Elemente unserer Parlamente
nicht gesäumt, alsbald alle Punkte, in Betreff deren Zweifel erhoben wurden,
aufs genauste klar zu stellen. Solchergestalt wurden im Dec. v. I. die
klerikalen Angriffe gegen die allgemeine Finanzverwaltung im Reichstag zum
Schweigen gebracht; ebenso später im Abgeordnetenhause die Angriffe bezüglich
des Courses und der Auswahl der zur Dotation der Provinzen bestimmten
Werthpapiere; bezüglich des Berichts der Commission zur Untersuchung der
Eisenbahn-Schwindeleien stellten sich die Liberalen bereit, alle agrarischer
Seits erwarteten Angriffe zu erörtern und der in der Presse angegriffene Abg.
Miquel hat alsbald mit offener Darlegung seiner Verhältnisse geantwortet.
Es ist in der That nichts auf der nationalliberalen Partei, einzelnen Abge¬
ordneten, oder der Finanzverwaltung Camphausen's sitzen geblieben; es er¬
übrigt aber noch eins: auch bezüglich der gegen Preßorgane erhobenen Be¬
schuldigungen muß nothwendig Alles ins Klare gebracht werden. Ist hier
nicht Alles richtig hergegangen, so muß dies von der betreffenden Partie
selbst constatirt, es müssen die unreinen Elemente entfernt werden, damit nicht
der vielleicht auf einem unbedeutenden Bruchtheil haftende Makel verallge¬
meinert und im Wahlkampfe über Gebühr ausgenutzt werde. Es kann einer
Partei und es kann ihrer Presse sowie der Presse überhaupt nicht gleichgültig
sein, wenn verborgen bleibt, ob wirklich mit Recht Zweifel in die Integrität
eines Organs einer politischen Partei zu setzen sind.

Gegen zwei hervorragende Blätter sind Beschuldigungen erhoben: gegen
die „Frankfurter Zeitung" und gegen die „Nattonal-Zeitung". Die
gegen erstere ist neu, richtet sich zugleich gegen bestimmte Personen und geht aus
von der demokratischen „Staatsbürger-Ztg." in Berlin, welche am 21. Mai
d- I. Beschuldigung erhob gegen den Reichstagsabgeordneten Sonnemann,
..daß er während der Schwindelperiode seine öffentliche Vertrauensstellung
als Besitzer und Leiter der Frankfurter Ztg. benutzt habe zu heimlichen Ge-
winnsten aus Gründungen, über welche das Publikum in seinem Blatte ein
unbestochenes und unparteiisches Urtheil zu erwarten berechtigt war." Es
wird dann im Näheren behauptet, 1871 habe die „deutsche Vereinsbank" in


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[0435] sammenhingen. Um so entschiedener war es von vornherein geboten, daß die gegen die Integrität von Personen und Zeitungen öffentlich erhobenen Be¬ schuldigungen so viel und so rasch als möglich niedergeschlagen oder in klarster Weise zum Austrage gebracht wurden. Angesichts der durch schwere Verluste infolge des Börsen- und Gründungsschwindels hervorgerufenen tiefen Er¬ regung der Massen lag es auf der Hand, daß es nicht klug sei und der liberalen Partei schädlich werden müßte, aus reinem Bewußtsein oder in vornehmem Stolze die Angriffe zu ignoriren. Wenn jemals, so war hier das aliyuiä naoret gefährlich. In dieser Einsicht haben auch die liberalen Elemente unserer Parlamente nicht gesäumt, alsbald alle Punkte, in Betreff deren Zweifel erhoben wurden, aufs genauste klar zu stellen. Solchergestalt wurden im Dec. v. I. die klerikalen Angriffe gegen die allgemeine Finanzverwaltung im Reichstag zum Schweigen gebracht; ebenso später im Abgeordnetenhause die Angriffe bezüglich des Courses und der Auswahl der zur Dotation der Provinzen bestimmten Werthpapiere; bezüglich des Berichts der Commission zur Untersuchung der Eisenbahn-Schwindeleien stellten sich die Liberalen bereit, alle agrarischer Seits erwarteten Angriffe zu erörtern und der in der Presse angegriffene Abg. Miquel hat alsbald mit offener Darlegung seiner Verhältnisse geantwortet. Es ist in der That nichts auf der nationalliberalen Partei, einzelnen Abge¬ ordneten, oder der Finanzverwaltung Camphausen's sitzen geblieben; es er¬ übrigt aber noch eins: auch bezüglich der gegen Preßorgane erhobenen Be¬ schuldigungen muß nothwendig Alles ins Klare gebracht werden. Ist hier nicht Alles richtig hergegangen, so muß dies von der betreffenden Partie selbst constatirt, es müssen die unreinen Elemente entfernt werden, damit nicht der vielleicht auf einem unbedeutenden Bruchtheil haftende Makel verallge¬ meinert und im Wahlkampfe über Gebühr ausgenutzt werde. Es kann einer Partei und es kann ihrer Presse sowie der Presse überhaupt nicht gleichgültig sein, wenn verborgen bleibt, ob wirklich mit Recht Zweifel in die Integrität eines Organs einer politischen Partei zu setzen sind. Gegen zwei hervorragende Blätter sind Beschuldigungen erhoben: gegen die „Frankfurter Zeitung" und gegen die „Nattonal-Zeitung". Die gegen erstere ist neu, richtet sich zugleich gegen bestimmte Personen und geht aus von der demokratischen „Staatsbürger-Ztg." in Berlin, welche am 21. Mai d- I. Beschuldigung erhob gegen den Reichstagsabgeordneten Sonnemann, ..daß er während der Schwindelperiode seine öffentliche Vertrauensstellung als Besitzer und Leiter der Frankfurter Ztg. benutzt habe zu heimlichen Ge- winnsten aus Gründungen, über welche das Publikum in seinem Blatte ein unbestochenes und unparteiisches Urtheil zu erwarten berechtigt war." Es wird dann im Näheren behauptet, 1871 habe die „deutsche Vereinsbank" in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/435>, abgerufen am 27.11.2024.