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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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dieser Weise seinen Spott treiben, und ich schlage vor, die Sache so einzu¬
richten, daß man meteorologische Thatsachen und Verhältnisse mit einiger
Sicherheit beobachten kann.

Die Basis meines Systems sind die Hühneraugen. Die wunderbare
Genauigkeit, mit welcher Wetterveränderungen von einem Menschen voraus¬
gesagt werden können, dessen Füße mit solchen Auswüchsen geschmückt sind,
ist so wohlbekannt, daß es kaum der Mühe lohnt, in dieser besonderen Krisis
das menschliche Hühnerauge ausführlich nach seinen Beziehungen zum Wetter
zu betrachten. Es hieße ganz sicher Unmögliches erwa reen. wenn man meinte,
der Wahrscheinlichkeitsmann könne täglich ein oder zwei Mal das Land be¬
reisen, um seine Hühneraugen den verschiedenen atmosphärischen Einflüssen
auszusetzen, die zwischen dem Atlantischen und dem Stillen Oceane existiren.
Das hieße einen Menschen durch Ermüdung zu Grunde richten. Es wird
daher besser sein, wenn man es dabei beläßt, daß er an einer bestimmten
Stelle verbleibt. Ich schlage für diesen Fall vor, daß er jedes brauchbare
Hühnerauge, welches in einem der verschiedenen Staaten auf dem Markte ist,
aufkauft und es auf seine eigenen Zehen verpflanzen und einpfropfen läßt.
Zweifellos giebt es in jedem Staate patriotische Bürger, die bereit sein würden,
auf den Altar ihres geliebten Vaterlandes die Hühneraugen niederzulegen,
die ihnen die werthesten sind. Nehmen wir sodann an, daß der Wahrschein¬
lichkeitsbeamte sich von jedem Staate ein Hühnerauge verschaffte, und daß
jedes Territorium durch ein Hühneraugenknöspchen vertreten wäre. Wenn
diese in in gesundem Zustande seinen Zehen aufgepfropft wären, so würden
jedes natürlicherweise besonders empfänglich sein für die atmophärischen Ein¬
flüsse, die in seinem Geburtsstaate vorherrschen. Alles, was wir dann zu
thun haben, ist, daß wir den Wetterpropheten nöthigen, so lange er nicht
mit seinem Geschäft zu thun hat. ungewöhnlich enge Stiefel zu tragen, sodaß
seine Barometer, die Hühneraugen, den erforderlichen Grad von Empfindlich¬
keit und Feingefühl gewinnen. Dann würde ich von jedem Staate aus nach
dem Bureau in Washington Röhren legen lassen, die den Zweck hätten, die
verschiedenen Sorten Atmosphäre nach den Fuße des Mannes der Wahr¬
scheinlichkeiten hinzuleiten. Gesetzt nun den Fall, er wünschte in Betreff des
Wetters in Louisiana eine Berechnung anzustellen, so würde ich am Ende
der Röhre in Neuorleans einen Mann mit einem von Dampf getriebenen
Fächer stationiren. der gleichsam Zephyre auf das Hühnerauge von Louisiana
säuseln lassen könnte, welches augenblicklich zu jucken anfangen würde, und
so würden wir den Stand des Wetters in diesem Staate mit Bestimmtheit
und Genauigkeit erfahren. Wenn wir einen neuen Staat in die Union auf¬
nahmen, so könnte unser Freund ein neues Hühnerauge ansetzen, oder wenn
es den Mormonen gelänge, sich die Zulassung ihres Territoriums als Staat


dieser Weise seinen Spott treiben, und ich schlage vor, die Sache so einzu¬
richten, daß man meteorologische Thatsachen und Verhältnisse mit einiger
Sicherheit beobachten kann.

Die Basis meines Systems sind die Hühneraugen. Die wunderbare
Genauigkeit, mit welcher Wetterveränderungen von einem Menschen voraus¬
gesagt werden können, dessen Füße mit solchen Auswüchsen geschmückt sind,
ist so wohlbekannt, daß es kaum der Mühe lohnt, in dieser besonderen Krisis
das menschliche Hühnerauge ausführlich nach seinen Beziehungen zum Wetter
zu betrachten. Es hieße ganz sicher Unmögliches erwa reen. wenn man meinte,
der Wahrscheinlichkeitsmann könne täglich ein oder zwei Mal das Land be¬
reisen, um seine Hühneraugen den verschiedenen atmosphärischen Einflüssen
auszusetzen, die zwischen dem Atlantischen und dem Stillen Oceane existiren.
Das hieße einen Menschen durch Ermüdung zu Grunde richten. Es wird
daher besser sein, wenn man es dabei beläßt, daß er an einer bestimmten
Stelle verbleibt. Ich schlage für diesen Fall vor, daß er jedes brauchbare
Hühnerauge, welches in einem der verschiedenen Staaten auf dem Markte ist,
aufkauft und es auf seine eigenen Zehen verpflanzen und einpfropfen läßt.
Zweifellos giebt es in jedem Staate patriotische Bürger, die bereit sein würden,
auf den Altar ihres geliebten Vaterlandes die Hühneraugen niederzulegen,
die ihnen die werthesten sind. Nehmen wir sodann an, daß der Wahrschein¬
lichkeitsbeamte sich von jedem Staate ein Hühnerauge verschaffte, und daß
jedes Territorium durch ein Hühneraugenknöspchen vertreten wäre. Wenn
diese in in gesundem Zustande seinen Zehen aufgepfropft wären, so würden
jedes natürlicherweise besonders empfänglich sein für die atmophärischen Ein¬
flüsse, die in seinem Geburtsstaate vorherrschen. Alles, was wir dann zu
thun haben, ist, daß wir den Wetterpropheten nöthigen, so lange er nicht
mit seinem Geschäft zu thun hat. ungewöhnlich enge Stiefel zu tragen, sodaß
seine Barometer, die Hühneraugen, den erforderlichen Grad von Empfindlich¬
keit und Feingefühl gewinnen. Dann würde ich von jedem Staate aus nach
dem Bureau in Washington Röhren legen lassen, die den Zweck hätten, die
verschiedenen Sorten Atmosphäre nach den Fuße des Mannes der Wahr¬
scheinlichkeiten hinzuleiten. Gesetzt nun den Fall, er wünschte in Betreff des
Wetters in Louisiana eine Berechnung anzustellen, so würde ich am Ende
der Röhre in Neuorleans einen Mann mit einem von Dampf getriebenen
Fächer stationiren. der gleichsam Zephyre auf das Hühnerauge von Louisiana
säuseln lassen könnte, welches augenblicklich zu jucken anfangen würde, und
so würden wir den Stand des Wetters in diesem Staate mit Bestimmtheit
und Genauigkeit erfahren. Wenn wir einen neuen Staat in die Union auf¬
nahmen, so könnte unser Freund ein neues Hühnerauge ansetzen, oder wenn
es den Mormonen gelänge, sich die Zulassung ihres Territoriums als Staat


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[0424] dieser Weise seinen Spott treiben, und ich schlage vor, die Sache so einzu¬ richten, daß man meteorologische Thatsachen und Verhältnisse mit einiger Sicherheit beobachten kann. Die Basis meines Systems sind die Hühneraugen. Die wunderbare Genauigkeit, mit welcher Wetterveränderungen von einem Menschen voraus¬ gesagt werden können, dessen Füße mit solchen Auswüchsen geschmückt sind, ist so wohlbekannt, daß es kaum der Mühe lohnt, in dieser besonderen Krisis das menschliche Hühnerauge ausführlich nach seinen Beziehungen zum Wetter zu betrachten. Es hieße ganz sicher Unmögliches erwa reen. wenn man meinte, der Wahrscheinlichkeitsmann könne täglich ein oder zwei Mal das Land be¬ reisen, um seine Hühneraugen den verschiedenen atmosphärischen Einflüssen auszusetzen, die zwischen dem Atlantischen und dem Stillen Oceane existiren. Das hieße einen Menschen durch Ermüdung zu Grunde richten. Es wird daher besser sein, wenn man es dabei beläßt, daß er an einer bestimmten Stelle verbleibt. Ich schlage für diesen Fall vor, daß er jedes brauchbare Hühnerauge, welches in einem der verschiedenen Staaten auf dem Markte ist, aufkauft und es auf seine eigenen Zehen verpflanzen und einpfropfen läßt. Zweifellos giebt es in jedem Staate patriotische Bürger, die bereit sein würden, auf den Altar ihres geliebten Vaterlandes die Hühneraugen niederzulegen, die ihnen die werthesten sind. Nehmen wir sodann an, daß der Wahrschein¬ lichkeitsbeamte sich von jedem Staate ein Hühnerauge verschaffte, und daß jedes Territorium durch ein Hühneraugenknöspchen vertreten wäre. Wenn diese in in gesundem Zustande seinen Zehen aufgepfropft wären, so würden jedes natürlicherweise besonders empfänglich sein für die atmophärischen Ein¬ flüsse, die in seinem Geburtsstaate vorherrschen. Alles, was wir dann zu thun haben, ist, daß wir den Wetterpropheten nöthigen, so lange er nicht mit seinem Geschäft zu thun hat. ungewöhnlich enge Stiefel zu tragen, sodaß seine Barometer, die Hühneraugen, den erforderlichen Grad von Empfindlich¬ keit und Feingefühl gewinnen. Dann würde ich von jedem Staate aus nach dem Bureau in Washington Röhren legen lassen, die den Zweck hätten, die verschiedenen Sorten Atmosphäre nach den Fuße des Mannes der Wahr¬ scheinlichkeiten hinzuleiten. Gesetzt nun den Fall, er wünschte in Betreff des Wetters in Louisiana eine Berechnung anzustellen, so würde ich am Ende der Röhre in Neuorleans einen Mann mit einem von Dampf getriebenen Fächer stationiren. der gleichsam Zephyre auf das Hühnerauge von Louisiana säuseln lassen könnte, welches augenblicklich zu jucken anfangen würde, und so würden wir den Stand des Wetters in diesem Staate mit Bestimmtheit und Genauigkeit erfahren. Wenn wir einen neuen Staat in die Union auf¬ nahmen, so könnte unser Freund ein neues Hühnerauge ansetzen, oder wenn es den Mormonen gelänge, sich die Zulassung ihres Territoriums als Staat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/424>, abgerufen am 28.07.2024.