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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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nicht, daß die Runde nöthig war, um einen Reim auf Grund zu haben?
Kann er meinen, ich könnte Gedichte ohne Reim machen? Der Mann ist
ein Candidat für das Narrenhaus! Man sollte ihn nicht frei herumlaufen
lassen." U. s. w. das Ende vom Liede ist, daß Skinner aus New Castle
entweicht, um in seiner Heimath seinen freundschaftlichen Verkehr mit den
Musen privatim fortzusetzen, und daß Oberst Bangs den Gedanken, bei seinem
Blatte eine Abtheilung für Leichencarmina einzurichten, aufgiebt.

Von den weiteren spaßhaften Geschichten unseres Humoristen heben wir
nur noch einige hervor. Allerliebst ist der Schwank mit dem "urbaren"
Wagenpferde, welches, nachdem es gekauft worden, zur Hausplage und zum
Alp seines Besitzers wird. Desgleichen der Brief an General Butler, in
welchem Vorschläge zur Verbesserung der im Washingtoner Vertrage Betreffs
der Fischerei enthaltenen Clauseln gemacht werden, die Geschichte vom säumigen
Ofensetzer und dem nie wieder in Ordnung kommen wollenden Kochkessel, die
vom jungen Chubb, der eine kleine Spieldose verschluckt hat, welche nun in
höchst komischer Weise bei jeder leisen Berührung ihre vier Stückchen: "O
Heimat, süße Heimat," "Drunten am Suwanee-Strome." "Nimmer hörst Du
auf, zu lieben" und "Horch, wie der Spottvogel pfeift," hören läßt, und die
vom Mormonenbischof Poets, dem sein Prophet nach und nach drei bis vier
Dutzend Weiber mit etlichen Hundert Kindern "auslegete," und der infolge
dessen immer wieder von neuem nach San Francisco reisen muß, um die
letzteren für die Weihnachtszeit mit Blechtrompeten zu versorgen, bis es ihm
endlich zu viel wird und er nach Peru entflieht, um als Mönch im Cölibat
zu leben. Höchst ergötzlich sind ferner die Geschichten vom Richter Pitman,
wie er mit dem Mäßigkeitsverein zu thun bekommt, wie er in allen Jahres¬
zeiten Blank's Magenbittern zur Erhaltung seiner Gesundheit trinken zu
müssen glaubt, wie er sich über das Wetter äußert und wie er Wahlcandidat
wird. Gleichfalls sehr komisch ist sodann die Abhandlung über den Regen¬
schirm und der daran sich knüpfende Vorschlag zur Verbesserung der Ein¬
richtung des meteorologischen Bureaus in Washington. Es heißt darin:

"Der Wahrscheinlichkeitsmann, der sich mit unserm amerikanischen Wetter
abgiebt, meint es gut und thut gewissenhaft sein Bestes. Aber sein System
ist von Grund aus mangelhaft, und die Folge ist, daß seine Conjecturen oft
ungenau ausfallen." "Zum Beispiel, wenn ich am Morgen lese, daß dieser
Mensch der Wahrscheinlichkeiten die Ueberzeugung hegt, daß wir in meiner
Gegend einen sonnenhellen Tag haben werden, so schenke ich seiner Versicher¬
ung Vertrauen. Ich nehme das Dach von meinem Hause ab, um den Haus¬
boden einmal gründlich trocken werden zu lassen, und wandele in die Stadt
hinunter. Nun liegt es aber klar und deutlich auf der Hand, daß, wenn es
dann am Ende doch regnet und ich, nach Hause kommend, Zeuge sein muß.


nicht, daß die Runde nöthig war, um einen Reim auf Grund zu haben?
Kann er meinen, ich könnte Gedichte ohne Reim machen? Der Mann ist
ein Candidat für das Narrenhaus! Man sollte ihn nicht frei herumlaufen
lassen." U. s. w. das Ende vom Liede ist, daß Skinner aus New Castle
entweicht, um in seiner Heimath seinen freundschaftlichen Verkehr mit den
Musen privatim fortzusetzen, und daß Oberst Bangs den Gedanken, bei seinem
Blatte eine Abtheilung für Leichencarmina einzurichten, aufgiebt.

Von den weiteren spaßhaften Geschichten unseres Humoristen heben wir
nur noch einige hervor. Allerliebst ist der Schwank mit dem „urbaren"
Wagenpferde, welches, nachdem es gekauft worden, zur Hausplage und zum
Alp seines Besitzers wird. Desgleichen der Brief an General Butler, in
welchem Vorschläge zur Verbesserung der im Washingtoner Vertrage Betreffs
der Fischerei enthaltenen Clauseln gemacht werden, die Geschichte vom säumigen
Ofensetzer und dem nie wieder in Ordnung kommen wollenden Kochkessel, die
vom jungen Chubb, der eine kleine Spieldose verschluckt hat, welche nun in
höchst komischer Weise bei jeder leisen Berührung ihre vier Stückchen: „O
Heimat, süße Heimat," „Drunten am Suwanee-Strome." „Nimmer hörst Du
auf, zu lieben" und „Horch, wie der Spottvogel pfeift," hören läßt, und die
vom Mormonenbischof Poets, dem sein Prophet nach und nach drei bis vier
Dutzend Weiber mit etlichen Hundert Kindern „auslegete," und der infolge
dessen immer wieder von neuem nach San Francisco reisen muß, um die
letzteren für die Weihnachtszeit mit Blechtrompeten zu versorgen, bis es ihm
endlich zu viel wird und er nach Peru entflieht, um als Mönch im Cölibat
zu leben. Höchst ergötzlich sind ferner die Geschichten vom Richter Pitman,
wie er mit dem Mäßigkeitsverein zu thun bekommt, wie er in allen Jahres¬
zeiten Blank's Magenbittern zur Erhaltung seiner Gesundheit trinken zu
müssen glaubt, wie er sich über das Wetter äußert und wie er Wahlcandidat
wird. Gleichfalls sehr komisch ist sodann die Abhandlung über den Regen¬
schirm und der daran sich knüpfende Vorschlag zur Verbesserung der Ein¬
richtung des meteorologischen Bureaus in Washington. Es heißt darin:

„Der Wahrscheinlichkeitsmann, der sich mit unserm amerikanischen Wetter
abgiebt, meint es gut und thut gewissenhaft sein Bestes. Aber sein System
ist von Grund aus mangelhaft, und die Folge ist, daß seine Conjecturen oft
ungenau ausfallen." „Zum Beispiel, wenn ich am Morgen lese, daß dieser
Mensch der Wahrscheinlichkeiten die Ueberzeugung hegt, daß wir in meiner
Gegend einen sonnenhellen Tag haben werden, so schenke ich seiner Versicher¬
ung Vertrauen. Ich nehme das Dach von meinem Hause ab, um den Haus¬
boden einmal gründlich trocken werden zu lassen, und wandele in die Stadt
hinunter. Nun liegt es aber klar und deutlich auf der Hand, daß, wenn es
dann am Ende doch regnet und ich, nach Hause kommend, Zeuge sein muß.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/422>, abgerufen am 27.11.2024.