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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Artemus Ward und Mark Twain repräsentirt es vielleicht am meisten den
spezifisch amerikanischen Humor mit seinen tollen Einfällen, seinen grotesken
Grimassen und seinen durch Uebertreibung wirkenden Absichten auf unsre Lach¬
muskeln. Im Folgenden versuchen wir durch einige Auszüge den Lesern eine
Vorstellung hiervon zu geben.

Der Verfasser, der ein Kaufmann, aber auch ein Schriftsteller von Fach
sein kann, flüchtet sich mit den Seinigen vor den Unannehmlichkeiten der
Großstadt (Philadelphia scheint damit gemeint) in das kleine, stille Städtchen
New Castle am Delaware und errichtet dort seinen Familienaltar. Er findet
hier die gewünschte Ruhe und Behaglichkeit, eine schöne Gegend und mancher¬
lei andere gute Dinge, aber neben erfreulichen Nachbarn auch unbequeme und
für die ärgerlichen Verhältnisse, denen er entflohen ist, gelegentlich anders ge¬
staltete, aber nicht weniger arge Verdrießlichkeiten, von denen er sich indeß
seine vergnügte Laune nicht stören läßt. Er lernt eine Menge komischer Zu¬
stände und Menschen kennen und erlebt eine Anzahl von Abenteuern, die er
uns mit dem besten Humor erzählt. Auch ernste Ereignisse und Betrachtungen
sind hier und da eingeflochten, sie sind indeß nicht die Glanzstellen des Buches,
da Ernst nicht die starke Seite des Verfassers ist. Folgen wir ihm jetzt aus¬
zugsweise in dem Bericht von seinen Erlebnissen und Beobachtungen in Haus
und Stadt.

Gleich in den ersten Wochen nach ihrem Umzug passirt der Familie
Adeler in ihrer Arglosigkeit ergötzlicher Verdruß. Der Hausherr kauft eine
Patentbockleiter, die sich durch Druck auf eine Feder in einen Plätttisch und
wieder durch einen Druck in eine Küchenbank verwandeln läßt. Er glaubt
ein nützliches Möbel erworben zu haben, wird aber von der Bockleiter eines
Bessern belehrt, indem dieselbe ihre Metamorphosen tückischerweise ohne Er¬
laubniß der Familie vornimmt und dadurch verschiedentlich Unfug und Schaden
anrichtet, sodaß man sie zuletzt in eine Dachkammer verbannen muß, wo sie
Liebhaber von solchen Friedensstörungen für ein Viertel des ursprünglichen
Preises haben können. Der Umstand, daß sie dem Dienstmädchen Veran¬
lassung wird, ihrer Herrschaft den Rücken zu kehren, giebt Gelegenheit zu
einem anmuthigen Ercurs über Dienstbotennoth und Bauernmädchen in Wahr¬
heit und Dichtung. Sehr komisch ist dann die Geschichte von der Pflanze,
die Herrn Adeler von Vetter Bob Parker für seinen Garten geschenkt wird.
Sie soll sehr langsam wachsen, als man sie aber dem Erdboden einverleibt
hat und darauf für vierzehn Tage verreist ist. findet man einen Riesenbaum,
der mit seinen Aesten das ganze Haus überwuchert und sich sogar in unbe¬
quemster Art im Keller breit gemacht hat.

Im vierten Kapitel sehen wir den Erzähler in lächerlich ärgerlicher Lage
dem Frühzug der Eisenbahn gegenüber. Auch lernen wir hier die beiden


Artemus Ward und Mark Twain repräsentirt es vielleicht am meisten den
spezifisch amerikanischen Humor mit seinen tollen Einfällen, seinen grotesken
Grimassen und seinen durch Uebertreibung wirkenden Absichten auf unsre Lach¬
muskeln. Im Folgenden versuchen wir durch einige Auszüge den Lesern eine
Vorstellung hiervon zu geben.

Der Verfasser, der ein Kaufmann, aber auch ein Schriftsteller von Fach
sein kann, flüchtet sich mit den Seinigen vor den Unannehmlichkeiten der
Großstadt (Philadelphia scheint damit gemeint) in das kleine, stille Städtchen
New Castle am Delaware und errichtet dort seinen Familienaltar. Er findet
hier die gewünschte Ruhe und Behaglichkeit, eine schöne Gegend und mancher¬
lei andere gute Dinge, aber neben erfreulichen Nachbarn auch unbequeme und
für die ärgerlichen Verhältnisse, denen er entflohen ist, gelegentlich anders ge¬
staltete, aber nicht weniger arge Verdrießlichkeiten, von denen er sich indeß
seine vergnügte Laune nicht stören läßt. Er lernt eine Menge komischer Zu¬
stände und Menschen kennen und erlebt eine Anzahl von Abenteuern, die er
uns mit dem besten Humor erzählt. Auch ernste Ereignisse und Betrachtungen
sind hier und da eingeflochten, sie sind indeß nicht die Glanzstellen des Buches,
da Ernst nicht die starke Seite des Verfassers ist. Folgen wir ihm jetzt aus¬
zugsweise in dem Bericht von seinen Erlebnissen und Beobachtungen in Haus
und Stadt.

Gleich in den ersten Wochen nach ihrem Umzug passirt der Familie
Adeler in ihrer Arglosigkeit ergötzlicher Verdruß. Der Hausherr kauft eine
Patentbockleiter, die sich durch Druck auf eine Feder in einen Plätttisch und
wieder durch einen Druck in eine Küchenbank verwandeln läßt. Er glaubt
ein nützliches Möbel erworben zu haben, wird aber von der Bockleiter eines
Bessern belehrt, indem dieselbe ihre Metamorphosen tückischerweise ohne Er¬
laubniß der Familie vornimmt und dadurch verschiedentlich Unfug und Schaden
anrichtet, sodaß man sie zuletzt in eine Dachkammer verbannen muß, wo sie
Liebhaber von solchen Friedensstörungen für ein Viertel des ursprünglichen
Preises haben können. Der Umstand, daß sie dem Dienstmädchen Veran¬
lassung wird, ihrer Herrschaft den Rücken zu kehren, giebt Gelegenheit zu
einem anmuthigen Ercurs über Dienstbotennoth und Bauernmädchen in Wahr¬
heit und Dichtung. Sehr komisch ist dann die Geschichte von der Pflanze,
die Herrn Adeler von Vetter Bob Parker für seinen Garten geschenkt wird.
Sie soll sehr langsam wachsen, als man sie aber dem Erdboden einverleibt
hat und darauf für vierzehn Tage verreist ist. findet man einen Riesenbaum,
der mit seinen Aesten das ganze Haus überwuchert und sich sogar in unbe¬
quemster Art im Keller breit gemacht hat.

Im vierten Kapitel sehen wir den Erzähler in lächerlich ärgerlicher Lage
dem Frühzug der Eisenbahn gegenüber. Auch lernen wir hier die beiden


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[0417] Artemus Ward und Mark Twain repräsentirt es vielleicht am meisten den spezifisch amerikanischen Humor mit seinen tollen Einfällen, seinen grotesken Grimassen und seinen durch Uebertreibung wirkenden Absichten auf unsre Lach¬ muskeln. Im Folgenden versuchen wir durch einige Auszüge den Lesern eine Vorstellung hiervon zu geben. Der Verfasser, der ein Kaufmann, aber auch ein Schriftsteller von Fach sein kann, flüchtet sich mit den Seinigen vor den Unannehmlichkeiten der Großstadt (Philadelphia scheint damit gemeint) in das kleine, stille Städtchen New Castle am Delaware und errichtet dort seinen Familienaltar. Er findet hier die gewünschte Ruhe und Behaglichkeit, eine schöne Gegend und mancher¬ lei andere gute Dinge, aber neben erfreulichen Nachbarn auch unbequeme und für die ärgerlichen Verhältnisse, denen er entflohen ist, gelegentlich anders ge¬ staltete, aber nicht weniger arge Verdrießlichkeiten, von denen er sich indeß seine vergnügte Laune nicht stören läßt. Er lernt eine Menge komischer Zu¬ stände und Menschen kennen und erlebt eine Anzahl von Abenteuern, die er uns mit dem besten Humor erzählt. Auch ernste Ereignisse und Betrachtungen sind hier und da eingeflochten, sie sind indeß nicht die Glanzstellen des Buches, da Ernst nicht die starke Seite des Verfassers ist. Folgen wir ihm jetzt aus¬ zugsweise in dem Bericht von seinen Erlebnissen und Beobachtungen in Haus und Stadt. Gleich in den ersten Wochen nach ihrem Umzug passirt der Familie Adeler in ihrer Arglosigkeit ergötzlicher Verdruß. Der Hausherr kauft eine Patentbockleiter, die sich durch Druck auf eine Feder in einen Plätttisch und wieder durch einen Druck in eine Küchenbank verwandeln läßt. Er glaubt ein nützliches Möbel erworben zu haben, wird aber von der Bockleiter eines Bessern belehrt, indem dieselbe ihre Metamorphosen tückischerweise ohne Er¬ laubniß der Familie vornimmt und dadurch verschiedentlich Unfug und Schaden anrichtet, sodaß man sie zuletzt in eine Dachkammer verbannen muß, wo sie Liebhaber von solchen Friedensstörungen für ein Viertel des ursprünglichen Preises haben können. Der Umstand, daß sie dem Dienstmädchen Veran¬ lassung wird, ihrer Herrschaft den Rücken zu kehren, giebt Gelegenheit zu einem anmuthigen Ercurs über Dienstbotennoth und Bauernmädchen in Wahr¬ heit und Dichtung. Sehr komisch ist dann die Geschichte von der Pflanze, die Herrn Adeler von Vetter Bob Parker für seinen Garten geschenkt wird. Sie soll sehr langsam wachsen, als man sie aber dem Erdboden einverleibt hat und darauf für vierzehn Tage verreist ist. findet man einen Riesenbaum, der mit seinen Aesten das ganze Haus überwuchert und sich sogar in unbe¬ quemster Art im Keller breit gemacht hat. Im vierten Kapitel sehen wir den Erzähler in lächerlich ärgerlicher Lage dem Frühzug der Eisenbahn gegenüber. Auch lernen wir hier die beiden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/417>, abgerufen am 27.07.2024.