Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.andern Vorbedingungen zu einer vollendeten Leistung auf ihrem Gebiete. andern Vorbedingungen zu einer vollendeten Leistung auf ihrem Gebiete. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0399" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135980"/> <p xml:id="ID_1322" prev="#ID_1321" next="#ID_1323"> andern Vorbedingungen zu einer vollendeten Leistung auf ihrem Gebiete.<lb/> Die ägyptische Kunst vermochte zwar einzelne Gegenstände der Natur charak-<lb/> teristisch und lebendig wiederzugeben, aber mit ihrem auseinanderklappenden<lb/> und die Hälfte der Gegenstände auf den Kopf stellenden Systeme zusammen¬<lb/> hängender Darstellungen fehlten ihr die perspektivischen Vorbedingungen, und<lb/> überdies? ermangelte sie ebenfalls aller und jeder Schattenwirkungen. Dasselbe<lb/> gilt von der assyrisch-babylonischen Landschaftsdarstellungen. Uebrigens haben<lb/> weder die alten Völker des Nil- noch die des Euphratthales jemals land¬<lb/> schaftliche Gegenstände um ihrer selbst willen producirt. Ihre ganze Malerei<lb/> war nicht darnach angethan, sie lag in den Windeln, wenn wir sie mit den<lb/> Fortschritten vergleichen, welche die Malerkunst seit der Erfindung der Steno¬<lb/> graphie und der Skiagraphie in Griechenland gemacht hat. Diese Erfin¬<lb/> dungen und die durch sie eingeleitete malerische Gefühlsweise waren die noth¬<lb/> wendigen Vorstufen zu einer Landschaftsmalerei, die diesen Namen verdiente,<lb/> und deren schönste Leistungen noch heute lebhast ansprechen. Die spät grie¬<lb/> chische Landschaftsmalerei war gegenüber den orientalischen Versuchen ein un¬<lb/> erhörter Fortschritt, die Offenbarung einer neuen Kunstwelt. Aber von der<lb/> vollendeten Landschaftsmalerei im modernen Sinne ist sie doch noch weit ent-<lb/> fernt. Der Verfasser zeigt, daß ihr sogar einige technische Vorbedingungen<lb/> selbständiger künstlerischer Gestaltung fehlten, sodann aber gehörte ein ganz<lb/> anderes, wenn nicht intensiveres, so doch anders geartetes Naturgefühl als das<lb/> der Alten dazu, um die Landschaft zum Range der würdigsten und höchsten Kunst,<lb/> werte zu erheben. Der Verfasser denkt von dem Naturgefühl der Alten durch¬<lb/> aus nicht gering, aber er behauptet. daß es in der Blüthezeit Griechenlands<lb/> als ein plastisches wohl die herrlichsten Menschen- und Göttergestalten schaffen<lb/> konnte, der Landschaft aber nicht günstig war. Er zeigt ferner, daß auch<lb/> der Zeit nach Alexander dem Großen, wo eine veränderte Naturanschauung<lb/> eine selbständige Landschaftskunst ermöglichte, von jenem plastischen Naturge¬<lb/> fühl noch genug anhaftete, um eine wirklich künstlerische Vertiefung des<lb/> eigentlichen landschaftlichen Naturgefühls zu verhindern. War jenes bis in<lb/> die tiefsten Tiefen der Natur gedrungen, so blieb das neue unmittelbarere<lb/> landschaftliche Naturgefühl mehr an der Oberflüche. Die Landschaftsmalerei<lb/> ist aber die intensivste Aeußerung eines künstlerischen Naturgefühls. Dasselbe<lb/> hat sich erst in den letzten beiden Jahrhunderten und zwar vorzugsweise bet<lb/> den nordischen Völkern mit Einschluß der Franzosen vollständig entwickelt.<lb/> Bei den Italienern und Spaniern ist es verhältnißmäßig oberflächlich geblie¬<lb/> ben wie bei den Alten. Dazu aber kommt noch Folgendes. Auch der größte<lb/> Künstler bleibt in seinen Grundanschauungen ein Sohn seines Volkes und<lb/> seiner Zeit, und so nahm kein Maler ersten Ranges im Alterthum sich der<lb/> Landschaft an, um damit auch die Erfüllung aller technischen Vorbedingungen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0399]
andern Vorbedingungen zu einer vollendeten Leistung auf ihrem Gebiete.
Die ägyptische Kunst vermochte zwar einzelne Gegenstände der Natur charak-
teristisch und lebendig wiederzugeben, aber mit ihrem auseinanderklappenden
und die Hälfte der Gegenstände auf den Kopf stellenden Systeme zusammen¬
hängender Darstellungen fehlten ihr die perspektivischen Vorbedingungen, und
überdies? ermangelte sie ebenfalls aller und jeder Schattenwirkungen. Dasselbe
gilt von der assyrisch-babylonischen Landschaftsdarstellungen. Uebrigens haben
weder die alten Völker des Nil- noch die des Euphratthales jemals land¬
schaftliche Gegenstände um ihrer selbst willen producirt. Ihre ganze Malerei
war nicht darnach angethan, sie lag in den Windeln, wenn wir sie mit den
Fortschritten vergleichen, welche die Malerkunst seit der Erfindung der Steno¬
graphie und der Skiagraphie in Griechenland gemacht hat. Diese Erfin¬
dungen und die durch sie eingeleitete malerische Gefühlsweise waren die noth¬
wendigen Vorstufen zu einer Landschaftsmalerei, die diesen Namen verdiente,
und deren schönste Leistungen noch heute lebhast ansprechen. Die spät grie¬
chische Landschaftsmalerei war gegenüber den orientalischen Versuchen ein un¬
erhörter Fortschritt, die Offenbarung einer neuen Kunstwelt. Aber von der
vollendeten Landschaftsmalerei im modernen Sinne ist sie doch noch weit ent-
fernt. Der Verfasser zeigt, daß ihr sogar einige technische Vorbedingungen
selbständiger künstlerischer Gestaltung fehlten, sodann aber gehörte ein ganz
anderes, wenn nicht intensiveres, so doch anders geartetes Naturgefühl als das
der Alten dazu, um die Landschaft zum Range der würdigsten und höchsten Kunst,
werte zu erheben. Der Verfasser denkt von dem Naturgefühl der Alten durch¬
aus nicht gering, aber er behauptet. daß es in der Blüthezeit Griechenlands
als ein plastisches wohl die herrlichsten Menschen- und Göttergestalten schaffen
konnte, der Landschaft aber nicht günstig war. Er zeigt ferner, daß auch
der Zeit nach Alexander dem Großen, wo eine veränderte Naturanschauung
eine selbständige Landschaftskunst ermöglichte, von jenem plastischen Naturge¬
fühl noch genug anhaftete, um eine wirklich künstlerische Vertiefung des
eigentlichen landschaftlichen Naturgefühls zu verhindern. War jenes bis in
die tiefsten Tiefen der Natur gedrungen, so blieb das neue unmittelbarere
landschaftliche Naturgefühl mehr an der Oberflüche. Die Landschaftsmalerei
ist aber die intensivste Aeußerung eines künstlerischen Naturgefühls. Dasselbe
hat sich erst in den letzten beiden Jahrhunderten und zwar vorzugsweise bet
den nordischen Völkern mit Einschluß der Franzosen vollständig entwickelt.
Bei den Italienern und Spaniern ist es verhältnißmäßig oberflächlich geblie¬
ben wie bei den Alten. Dazu aber kommt noch Folgendes. Auch der größte
Künstler bleibt in seinen Grundanschauungen ein Sohn seines Volkes und
seiner Zeit, und so nahm kein Maler ersten Ranges im Alterthum sich der
Landschaft an, um damit auch die Erfüllung aller technischen Vorbedingungen
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