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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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der er seine Bubenstücke als Rechtgläubiger ungescheut und ungeahndet fort¬
setzen konnte." Auch der berüchtigte Karl Friedrich Bahrdt erhielt zur Zeit,
wo er nach der Pfalz verschlagen und bereits mit allem nur erdenkbaren
Schmutz und Schimpf beladen war, in Mainz Anerbietungen, zum Katholi¬
cismus überzugehen, und von Schubart, seinem Seelenverwandten, ist dasselbe
zu berichten. Endlich stand auch Lauckhard selbst, der Pastorensohn, mehr als
einmal auf dem Sprunge, seine lutherische Armuth gegen ein papistisches
Stück Brot zu verkaufen, und mit Mühe nur gelang es seinem Vater, ihn
davon abzuhalten.

Dieser Vater Lauckhard's war ein im Allgemeinen tüchtiger und ehren¬
werther Mann. Er hatte in seiner Jugend fleißig studirt und sich besonders
mit der Wols'schen Philosophie beschäftigt. Er war auch insofern eine Aus¬
nahme unter seinen Standesgenossen, als er nicht orthodox war. Die Meta¬
physik Wolf's hatte ihn dahin geführt, daß er die Hauptsätze der lutherischen
Lehre bezweifelte. Seine Bedenken in Betreff derselben wuchsen, je emsiger
er die Dogmen seines Compendiums auch noch als Prediger erwog und sie
mit den Resultaten seiner Lieblingsphilosophie verglich. Endlich "fiel er gar
auf die Bücher des berüchtigten Spinoza, wodurch er ein vollkommner Pan-
theist ward." Doch war er mit seinen ketzerischen Meinungen sehr zurück¬
haltend. Er vermied es überhaupt, so viel als möglich, über Religion zu
sprechen, und machte selbst keinen Versuch, seinen Sohn zu selner Ansicht von
Gott und der Welt zu bekehren. Auch in andern Beziehungen war er ein
maßvoller und besonnener Mann, und weit mehr als seine Amtsbruder in
der Pfalz hielt er auf gute Sitten und Lauterkeit des Wandels. Zwar ge¬
riet!) er mit seinem Patron, dem erwähnten Grafen von Grehweiler, in hä߬
liche Streitigkeiten, aber aus Gründen, die ihm zur Ehre gereichten, und wenn
auf des Grafen Betrieb eine Untersuchung wegen fleischlicher Vergehungen
wider ihn eingeleitet wurde, die seine zeitweilige Suspension von seinem Amte
zur Folge hatte, so wurde er schließlich unschuldig befunden und in den vollen
Genuß seiner Stelle, die er sich beiläufig ausnahmsweise nicht in der Auction
erstanden hatte, wieder eingesetzt. Nur eine Schwäche hatte der sonst acht¬
bare Mann: er war ein großer Verehrer der Alchymie und wollte durchaus
Gold machen. "Ein gewisser Musje Fuchs, welcher später, um das Jahr 1760,
wegen Falschmünzerei und andern Hallunkenstreichen in Schwaben gehangen
wurde, hatte ihn mit den Geheimnissen dieser edlen Kunst bekannt gemacht."
Trotz der Vorstellungen, welche die Frau Pastorin gegen sein Laboriren
erhob, fuhr er damit eifrig fort und jagte viel schönes Geld durch den
Schornstein. Zuerst hatte er dabei an einem bankerotten Apotheker und
großen Trunkenbold aus der Nachbarschaft einen treuen Gehülfen. Derselbe
wohnte bei ihm im Pfarrhause und stand ihm nicht blos an dem Kolben


der er seine Bubenstücke als Rechtgläubiger ungescheut und ungeahndet fort¬
setzen konnte." Auch der berüchtigte Karl Friedrich Bahrdt erhielt zur Zeit,
wo er nach der Pfalz verschlagen und bereits mit allem nur erdenkbaren
Schmutz und Schimpf beladen war, in Mainz Anerbietungen, zum Katholi¬
cismus überzugehen, und von Schubart, seinem Seelenverwandten, ist dasselbe
zu berichten. Endlich stand auch Lauckhard selbst, der Pastorensohn, mehr als
einmal auf dem Sprunge, seine lutherische Armuth gegen ein papistisches
Stück Brot zu verkaufen, und mit Mühe nur gelang es seinem Vater, ihn
davon abzuhalten.

Dieser Vater Lauckhard's war ein im Allgemeinen tüchtiger und ehren¬
werther Mann. Er hatte in seiner Jugend fleißig studirt und sich besonders
mit der Wols'schen Philosophie beschäftigt. Er war auch insofern eine Aus¬
nahme unter seinen Standesgenossen, als er nicht orthodox war. Die Meta¬
physik Wolf's hatte ihn dahin geführt, daß er die Hauptsätze der lutherischen
Lehre bezweifelte. Seine Bedenken in Betreff derselben wuchsen, je emsiger
er die Dogmen seines Compendiums auch noch als Prediger erwog und sie
mit den Resultaten seiner Lieblingsphilosophie verglich. Endlich „fiel er gar
auf die Bücher des berüchtigten Spinoza, wodurch er ein vollkommner Pan-
theist ward." Doch war er mit seinen ketzerischen Meinungen sehr zurück¬
haltend. Er vermied es überhaupt, so viel als möglich, über Religion zu
sprechen, und machte selbst keinen Versuch, seinen Sohn zu selner Ansicht von
Gott und der Welt zu bekehren. Auch in andern Beziehungen war er ein
maßvoller und besonnener Mann, und weit mehr als seine Amtsbruder in
der Pfalz hielt er auf gute Sitten und Lauterkeit des Wandels. Zwar ge¬
riet!) er mit seinem Patron, dem erwähnten Grafen von Grehweiler, in hä߬
liche Streitigkeiten, aber aus Gründen, die ihm zur Ehre gereichten, und wenn
auf des Grafen Betrieb eine Untersuchung wegen fleischlicher Vergehungen
wider ihn eingeleitet wurde, die seine zeitweilige Suspension von seinem Amte
zur Folge hatte, so wurde er schließlich unschuldig befunden und in den vollen
Genuß seiner Stelle, die er sich beiläufig ausnahmsweise nicht in der Auction
erstanden hatte, wieder eingesetzt. Nur eine Schwäche hatte der sonst acht¬
bare Mann: er war ein großer Verehrer der Alchymie und wollte durchaus
Gold machen. „Ein gewisser Musje Fuchs, welcher später, um das Jahr 1760,
wegen Falschmünzerei und andern Hallunkenstreichen in Schwaben gehangen
wurde, hatte ihn mit den Geheimnissen dieser edlen Kunst bekannt gemacht."
Trotz der Vorstellungen, welche die Frau Pastorin gegen sein Laboriren
erhob, fuhr er damit eifrig fort und jagte viel schönes Geld durch den
Schornstein. Zuerst hatte er dabei an einem bankerotten Apotheker und
großen Trunkenbold aus der Nachbarschaft einen treuen Gehülfen. Derselbe
wohnte bei ihm im Pfarrhause und stand ihm nicht blos an dem Kolben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/390>, abgerufen am 27.07.2024.