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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Gesell! Solst du dynen Seelenhirten ook wohl vor neuen Heuossen anseen?
Daby süsst Du eben, wo (wie) unentbehrlicke Lüde Lehrer und Preddiger sunt,
um de Woorde recht uttoleggen. Alles Fleisch ist Heu will so veel Seggen: Alle
Menschen sind wie Heu, sind so vergänglich wie Heu, oder, as de kristlicke
Kerle singt: Alle Menschen müssen sterben, Alles muß vergehn wie Heu.
Alle Menschen, keenen utgenomen als Henoch un Elias, aberst een oder loci
Swalken malet keenen Sommer. Ja, wenn sek de Doob mit Gelde wolte
afkoopen laden, so däte manch Schraphals spilen Harten noch wol eenen
Stot un telle een Dusend Dalerken af, un wenn et ook inter Wildemanns-
drüddel Wesen möhten; averst de Doot let sek de Hand nich smären. He
malet et as unse Schaulmester, de plegde to Seggen: "Wat Vetter! Wat
Fründ! Junge, treck de Boxen af!" Der Prediger sagt dann, daß der Tod
sich auch mit Soldaten, Hellebarden und Flinten nicht abhalten läßt, und daß
er auch ins hannoversche Schloß eingedrungen ist und verschiedene dortige
Landesväter überwältigt hat, wobei er auf politische Verhältnisse, Krieg und
Frieden und auf einen Besuch zu sprechen kommt, welchen er den unter dem
katholisch gewordenen Johann Friedrich in die hannoversche Schloßkirche ein¬
gezognen Castraten abgestattet hat, über die er sich in ergötzlich naiver
Weise verbreitet.

Dann fährt der Redner fort: "Da nu de Doot de Förster, Kaiser und
Könige nich mal verschonet, wat is et denn to verwunnern, dat he sek an
usem Schaulmester ook vergrepen hat," und nun folgt eine Lobrede auf letzteren,
die dadurch eingeleitet wird,.daß der Pastor den Unterschied zwischen Kuh-,
Schaf- und Schweinehirten und Seelenhirten und den verschiedenen Arten
der letzteren auseinandersetzt. "De gobe selige Mann hatte de jungen, et
hebbe de vier Seelen under myn Upsicht, he weide de Lämmer, et de Schaape.
Ja Schaape gurge wohl noch an, wenn man nich San veele Böcke un Zügen
darunner woren. Diese machen einem armen Seelenhirten das Leben sauer,
daß er manchmal mit dem Propheten Jonas seufzet: Ich wollte lieber todt
sein, denn leben!" Der Schulmeister habe davon auch etwas-gemerkt, heißt
es weiter, aber er sei brav dahinterher gewesen, wenn seine Schüler muth¬
willig gewesen wären, oder ihre Lectionen nicht gelernt hätten. Doch sei er
kein Büttel oder Tyrann gewesen. "Raben eener sündigede, raten Wort he
straft. Erst kreeg he Ohrsygen, serra Handsmette oder Kniepkens, dann kreeg
he eenen leddernen Ars vull (den toog he ohne ganz stramm in de Höögde,
dat dat Hinnerkasteel ganz prall ward) mit dem Stock vör de Boxen, un
wenn he et gar to gross maakt hatte, endlich eenen rechten met de Räude
(Ruthe) vör den blöden Steert nach der Ermahnung des weisen Königs
Salomon: Wer sein Kind lieb hat, der hält es unter der Ruthen. De
Räuden hatte he vorher int Water leggt, dat se beler dörtrokken (durch-


Gesell! Solst du dynen Seelenhirten ook wohl vor neuen Heuossen anseen?
Daby süsst Du eben, wo (wie) unentbehrlicke Lüde Lehrer und Preddiger sunt,
um de Woorde recht uttoleggen. Alles Fleisch ist Heu will so veel Seggen: Alle
Menschen sind wie Heu, sind so vergänglich wie Heu, oder, as de kristlicke
Kerle singt: Alle Menschen müssen sterben, Alles muß vergehn wie Heu.
Alle Menschen, keenen utgenomen als Henoch un Elias, aberst een oder loci
Swalken malet keenen Sommer. Ja, wenn sek de Doob mit Gelde wolte
afkoopen laden, so däte manch Schraphals spilen Harten noch wol eenen
Stot un telle een Dusend Dalerken af, un wenn et ook inter Wildemanns-
drüddel Wesen möhten; averst de Doot let sek de Hand nich smären. He
malet et as unse Schaulmester, de plegde to Seggen: „Wat Vetter! Wat
Fründ! Junge, treck de Boxen af!" Der Prediger sagt dann, daß der Tod
sich auch mit Soldaten, Hellebarden und Flinten nicht abhalten läßt, und daß
er auch ins hannoversche Schloß eingedrungen ist und verschiedene dortige
Landesväter überwältigt hat, wobei er auf politische Verhältnisse, Krieg und
Frieden und auf einen Besuch zu sprechen kommt, welchen er den unter dem
katholisch gewordenen Johann Friedrich in die hannoversche Schloßkirche ein¬
gezognen Castraten abgestattet hat, über die er sich in ergötzlich naiver
Weise verbreitet.

Dann fährt der Redner fort: „Da nu de Doot de Förster, Kaiser und
Könige nich mal verschonet, wat is et denn to verwunnern, dat he sek an
usem Schaulmester ook vergrepen hat," und nun folgt eine Lobrede auf letzteren,
die dadurch eingeleitet wird,.daß der Pastor den Unterschied zwischen Kuh-,
Schaf- und Schweinehirten und Seelenhirten und den verschiedenen Arten
der letzteren auseinandersetzt. „De gobe selige Mann hatte de jungen, et
hebbe de vier Seelen under myn Upsicht, he weide de Lämmer, et de Schaape.
Ja Schaape gurge wohl noch an, wenn man nich San veele Böcke un Zügen
darunner woren. Diese machen einem armen Seelenhirten das Leben sauer,
daß er manchmal mit dem Propheten Jonas seufzet: Ich wollte lieber todt
sein, denn leben!" Der Schulmeister habe davon auch etwas-gemerkt, heißt
es weiter, aber er sei brav dahinterher gewesen, wenn seine Schüler muth¬
willig gewesen wären, oder ihre Lectionen nicht gelernt hätten. Doch sei er
kein Büttel oder Tyrann gewesen. „Raben eener sündigede, raten Wort he
straft. Erst kreeg he Ohrsygen, serra Handsmette oder Kniepkens, dann kreeg
he eenen leddernen Ars vull (den toog he ohne ganz stramm in de Höögde,
dat dat Hinnerkasteel ganz prall ward) mit dem Stock vör de Boxen, un
wenn he et gar to gross maakt hatte, endlich eenen rechten met de Räude
(Ruthe) vör den blöden Steert nach der Ermahnung des weisen Königs
Salomon: Wer sein Kind lieb hat, der hält es unter der Ruthen. De
Räuden hatte he vorher int Water leggt, dat se beler dörtrokken (durch-


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[0344] Gesell! Solst du dynen Seelenhirten ook wohl vor neuen Heuossen anseen? Daby süsst Du eben, wo (wie) unentbehrlicke Lüde Lehrer und Preddiger sunt, um de Woorde recht uttoleggen. Alles Fleisch ist Heu will so veel Seggen: Alle Menschen sind wie Heu, sind so vergänglich wie Heu, oder, as de kristlicke Kerle singt: Alle Menschen müssen sterben, Alles muß vergehn wie Heu. Alle Menschen, keenen utgenomen als Henoch un Elias, aberst een oder loci Swalken malet keenen Sommer. Ja, wenn sek de Doob mit Gelde wolte afkoopen laden, so däte manch Schraphals spilen Harten noch wol eenen Stot un telle een Dusend Dalerken af, un wenn et ook inter Wildemanns- drüddel Wesen möhten; averst de Doot let sek de Hand nich smären. He malet et as unse Schaulmester, de plegde to Seggen: „Wat Vetter! Wat Fründ! Junge, treck de Boxen af!" Der Prediger sagt dann, daß der Tod sich auch mit Soldaten, Hellebarden und Flinten nicht abhalten läßt, und daß er auch ins hannoversche Schloß eingedrungen ist und verschiedene dortige Landesväter überwältigt hat, wobei er auf politische Verhältnisse, Krieg und Frieden und auf einen Besuch zu sprechen kommt, welchen er den unter dem katholisch gewordenen Johann Friedrich in die hannoversche Schloßkirche ein¬ gezognen Castraten abgestattet hat, über die er sich in ergötzlich naiver Weise verbreitet. Dann fährt der Redner fort: „Da nu de Doot de Förster, Kaiser und Könige nich mal verschonet, wat is et denn to verwunnern, dat he sek an usem Schaulmester ook vergrepen hat," und nun folgt eine Lobrede auf letzteren, die dadurch eingeleitet wird,.daß der Pastor den Unterschied zwischen Kuh-, Schaf- und Schweinehirten und Seelenhirten und den verschiedenen Arten der letzteren auseinandersetzt. „De gobe selige Mann hatte de jungen, et hebbe de vier Seelen under myn Upsicht, he weide de Lämmer, et de Schaape. Ja Schaape gurge wohl noch an, wenn man nich San veele Böcke un Zügen darunner woren. Diese machen einem armen Seelenhirten das Leben sauer, daß er manchmal mit dem Propheten Jonas seufzet: Ich wollte lieber todt sein, denn leben!" Der Schulmeister habe davon auch etwas-gemerkt, heißt es weiter, aber er sei brav dahinterher gewesen, wenn seine Schüler muth¬ willig gewesen wären, oder ihre Lectionen nicht gelernt hätten. Doch sei er kein Büttel oder Tyrann gewesen. „Raben eener sündigede, raten Wort he straft. Erst kreeg he Ohrsygen, serra Handsmette oder Kniepkens, dann kreeg he eenen leddernen Ars vull (den toog he ohne ganz stramm in de Höögde, dat dat Hinnerkasteel ganz prall ward) mit dem Stock vör de Boxen, un wenn he et gar to gross maakt hatte, endlich eenen rechten met de Räude (Ruthe) vör den blöden Steert nach der Ermahnung des weisen Königs Salomon: Wer sein Kind lieb hat, der hält es unter der Ruthen. De Räuden hatte he vorher int Water leggt, dat se beler dörtrokken (durch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/344>, abgerufen am 27.07.2024.