Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.Ich füge noch hinzu, daß auch die elektrischen und magnetischen Er¬ Dies also ist die Kenntniß von der Materie, welche unter dem apper- Ist aber diese wissenschaftliche Vorstellung von der Materie allseitig an¬ Die Gegner des Materialismus dagegen eifern gegen die Annahme von Ich füge noch hinzu, daß auch die elektrischen und magnetischen Er¬ Dies also ist die Kenntniß von der Materie, welche unter dem apper- Ist aber diese wissenschaftliche Vorstellung von der Materie allseitig an¬ Die Gegner des Materialismus dagegen eifern gegen die Annahme von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0331" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135912"/> <p xml:id="ID_1079"> Ich füge noch hinzu, daß auch die elektrischen und magnetischen Er¬<lb/> scheinungen geschehen in Gesetzen, die denen der Gravitation ähnlich sind, so<lb/> sehr daß Zöllner sogar das Gravitationsgesetz als den speciellen Fall eines<lb/> allgemeineren Elektricitätsgesetzes behaupten zu müssen meinte. Und so können<lb/> wir denn, aus dem Boden von Galilei, Newton, Kant stehend, auf Grund<lb/> der Daten der Erfahrung sagen: Das was wir sinnliche Materie nennen,<lb/> ist das beweglich Bewegende wirkend im Gesetz der Gravitation und unter¬<lb/> schieden in verschiedene specifische Nichtigkeiten mit eigenthümlicher Größe des<lb/> atombindenden Vermögens.</p><lb/> <p xml:id="ID_1080"> Dies also ist die Kenntniß von der Materie, welche unter dem apper-<lb/> cipirenden Einfluß der Vorstellung, daß Alles gesetzliches Dasein habe, ge¬<lb/> wonnen wurde, und unter dem Fernhalten der seit der Griechenzeit herrschen¬<lb/> den, appercipirenden Vorstellungsmasse, daß die Materie nach Reinheit und<lb/> Unreinheit zu scheiden sei. Das Gesetz der Gravitation, die atombindende<lb/> Kraft der Elemente haben nichts mit Reinheit und Roheit zu thun.</p><lb/> <p xml:id="ID_1081"> Ist aber diese wissenschaftliche Vorstellung von der Materie allseitig an¬<lb/> genommen? Nimmermehr! Der Materialismus, unter dem appercipirenden<lb/> Eindruck der Vorstellung, daß Alles aus dieser atomistischen Materie entstehen<lb/> solle, erkennt diese wissenschaftliche Fassung nicht an, weil sie ihm zu scharf<lb/> begrenzt ist, er geht daher lieber wieder auf den ästhetisirenden Weg eines<lb/> Demokrit, und sagt wie selbst L. Büchner in seinem „Kraft und Stoff": Im<lb/> Gehirn sind die feinsten, zartesten Verbindungen. Also die feinen Atom¬<lb/> verbindungen sollen wie bei Demokrit die Seele erzeugen; die groben Atom¬<lb/> verbindungen der Steine sollen Löcher in den Kopf schlagen. Neuerdings treibt<lb/> man freilich vorzugsweise Aesthetik mit den Worten: einfach und complicirt.<lb/> Eine hauderndeDroschkenbewegung nennt man eine einfache; durch Compli¬<lb/> cirt hei t solcher Bewegungen sollen Leben und Seele entstehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1082" next="#ID_1083"> Die Gegner des Materialismus dagegen eifern gegen die Annahme von<lb/> Atomen, weil es eine rohe mechanische Vorstellung sei, alles durch Gruppirung<lb/> von Atomen entstehen zu lassen. Aber beruht die Schönheit des Stern¬<lb/> himmels nicht auch in der Gruppirung mechanischer Massen? Beruht nicht<lb/> die Schönheit eines jeden Kunstwerkes auf der in harmonischer Beseelung<lb/> geschehenen Verbindung oder Gruppirung einzelner Momente? Wer sich in<lb/> das Studium chemischer Structurformeln vertiefte, wird nicht mehr sagen,<lb/> daß hierbei rohe Vorstellung sei. Indessen es ist hervorzuheben, daß bei diesen<lb/> Eiferern gegen Atome eine falsche Apperception mitspielt. Sie kennen nur<lb/> die alten Atome Demokrit's, welche kraftlos vorgestellt wurden und also nur<lb/> ziegelsteinähnlich durch äußere Kräfte, mechanisch, als bloßes Aggregat gruppirt<lb/> werden konnten. Appercipirend mit solcher Vorstellungsmasse von mechanisch<lb/> kraftlosen Atomen übersehen sie, daß die chemischen Atome, von denen sie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0331]
Ich füge noch hinzu, daß auch die elektrischen und magnetischen Er¬
scheinungen geschehen in Gesetzen, die denen der Gravitation ähnlich sind, so
sehr daß Zöllner sogar das Gravitationsgesetz als den speciellen Fall eines
allgemeineren Elektricitätsgesetzes behaupten zu müssen meinte. Und so können
wir denn, aus dem Boden von Galilei, Newton, Kant stehend, auf Grund
der Daten der Erfahrung sagen: Das was wir sinnliche Materie nennen,
ist das beweglich Bewegende wirkend im Gesetz der Gravitation und unter¬
schieden in verschiedene specifische Nichtigkeiten mit eigenthümlicher Größe des
atombindenden Vermögens.
Dies also ist die Kenntniß von der Materie, welche unter dem apper-
cipirenden Einfluß der Vorstellung, daß Alles gesetzliches Dasein habe, ge¬
wonnen wurde, und unter dem Fernhalten der seit der Griechenzeit herrschen¬
den, appercipirenden Vorstellungsmasse, daß die Materie nach Reinheit und
Unreinheit zu scheiden sei. Das Gesetz der Gravitation, die atombindende
Kraft der Elemente haben nichts mit Reinheit und Roheit zu thun.
Ist aber diese wissenschaftliche Vorstellung von der Materie allseitig an¬
genommen? Nimmermehr! Der Materialismus, unter dem appercipirenden
Eindruck der Vorstellung, daß Alles aus dieser atomistischen Materie entstehen
solle, erkennt diese wissenschaftliche Fassung nicht an, weil sie ihm zu scharf
begrenzt ist, er geht daher lieber wieder auf den ästhetisirenden Weg eines
Demokrit, und sagt wie selbst L. Büchner in seinem „Kraft und Stoff": Im
Gehirn sind die feinsten, zartesten Verbindungen. Also die feinen Atom¬
verbindungen sollen wie bei Demokrit die Seele erzeugen; die groben Atom¬
verbindungen der Steine sollen Löcher in den Kopf schlagen. Neuerdings treibt
man freilich vorzugsweise Aesthetik mit den Worten: einfach und complicirt.
Eine hauderndeDroschkenbewegung nennt man eine einfache; durch Compli¬
cirt hei t solcher Bewegungen sollen Leben und Seele entstehen.
Die Gegner des Materialismus dagegen eifern gegen die Annahme von
Atomen, weil es eine rohe mechanische Vorstellung sei, alles durch Gruppirung
von Atomen entstehen zu lassen. Aber beruht die Schönheit des Stern¬
himmels nicht auch in der Gruppirung mechanischer Massen? Beruht nicht
die Schönheit eines jeden Kunstwerkes auf der in harmonischer Beseelung
geschehenen Verbindung oder Gruppirung einzelner Momente? Wer sich in
das Studium chemischer Structurformeln vertiefte, wird nicht mehr sagen,
daß hierbei rohe Vorstellung sei. Indessen es ist hervorzuheben, daß bei diesen
Eiferern gegen Atome eine falsche Apperception mitspielt. Sie kennen nur
die alten Atome Demokrit's, welche kraftlos vorgestellt wurden und also nur
ziegelsteinähnlich durch äußere Kräfte, mechanisch, als bloßes Aggregat gruppirt
werden konnten. Appercipirend mit solcher Vorstellungsmasse von mechanisch
kraftlosen Atomen übersehen sie, daß die chemischen Atome, von denen sie
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