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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Me freie Konferenz in Aew-MorK.

Wenn wir in einer unserer früheren Mittheilungen darauf hingewiesen
haben, daß die Partei oder die Fraktion der "Unabhängigen" in den Ver¬
einigten Staaten bei der diesjährigen Präsidentenwahl nicht unthätig bleiben,
sondern wahrscheinlich eine Versammlung von Männern, die durch ihre Fähig¬
keiten und ihren untadelhafter Charakter hoch in der öffentlichen Meinung
stehen, berufen würde, um in der einen oder der andern Weise den Agitationen
der beiden alten Parteien, der regulären Republikaner und der Demokraten,
gegenüber Stellung zu nehmen, so wird diese unsere Vermuthung durch die
neuesten Nachrichten aus Amerika vollkommen bestätigt.

Aus Washington wird unterm 3. Mai d. I. berichtet, daß Präsident
Grant dem Kongresse eine Botschaft zugehen ließ, in welcher er die Mitglieder
des Senats und des Repräsentantenhauses aufforderte, der Eröffnung der
Weltausstellung in Philadelphia beizuwohnen. Dieser Botschaft war der Be¬
richt der Ausstellungskommission beigegeben, in welchem mitgetheilt war, daß
die Vorbereitungen für die Eröffnung der Ausstellung am 10. Mai beendet
sein würden. Eine andere, in mancher Hinsicht kaum weniger wichtige Nach¬
richt aus New-York meldet aber, daß daselbst am 13. Mai. in Folge eines
Ausrufs von fünf hochachtbaren Männern, eine freie Conferenz von un¬
abhängigen Bürgern aus allen Theilen der Union zusammentreten wird, um
die Mittel zu berathen, wie am besten in den im Juni stattfindenden National¬
conventionen der Republikaner und der Demokraten bei Aufstellung der Präst-
dentschaftscandidaten und beim Entwerfen der politischen Programme das
Interesse der so nothwendigen Reform gewahrt und der drohenden Gefahr,
daß einseitige Parteibestrebungen die politische Gewalt für selbstsüchtige Zwecke
ausbeuten, vorgebeugt werden könne. An der Spitze der fünf Männer, die
den besagten Aufruf unterschrieben haben, steht der ehrwürdige, als Dichter
und Politiker gleichhochgeachtete Wtlli a in Cul le n B ryan t aus New-York,
Leiter der angesehenen "New-York Evening Post"; die übrigen vier Unter¬
zeichner sind: Theodor D. Woolsey aus Connecticut, Alexander H.
Bullock aus Massachusetts, Horace White aus Illinois und Carl
Schurz aus Missouri. Der Aufruf selbst lautet also: "Die in unserm
öffentlichen Dienste weitverbreitete Corruption. welche die Republik in den
Augen der Welt herabgewürdigt hat und die Lebensfähigkeit unserer Insti¬
tutionen zu vergiften droht, das Schwanken der öffentlichen Meinung und die
Unzuverlässigkeit von Partetrathschlägen über ernste volkswirthschaftliche Fragen.
Welche in hohem Maße die Ehre der Regierung, die Sittlichkeit des geschäft¬
lichen Lebens und das allgemeine Wohl des Volkes bedingen, die Gefahr


Me freie Konferenz in Aew-MorK.

Wenn wir in einer unserer früheren Mittheilungen darauf hingewiesen
haben, daß die Partei oder die Fraktion der „Unabhängigen" in den Ver¬
einigten Staaten bei der diesjährigen Präsidentenwahl nicht unthätig bleiben,
sondern wahrscheinlich eine Versammlung von Männern, die durch ihre Fähig¬
keiten und ihren untadelhafter Charakter hoch in der öffentlichen Meinung
stehen, berufen würde, um in der einen oder der andern Weise den Agitationen
der beiden alten Parteien, der regulären Republikaner und der Demokraten,
gegenüber Stellung zu nehmen, so wird diese unsere Vermuthung durch die
neuesten Nachrichten aus Amerika vollkommen bestätigt.

Aus Washington wird unterm 3. Mai d. I. berichtet, daß Präsident
Grant dem Kongresse eine Botschaft zugehen ließ, in welcher er die Mitglieder
des Senats und des Repräsentantenhauses aufforderte, der Eröffnung der
Weltausstellung in Philadelphia beizuwohnen. Dieser Botschaft war der Be¬
richt der Ausstellungskommission beigegeben, in welchem mitgetheilt war, daß
die Vorbereitungen für die Eröffnung der Ausstellung am 10. Mai beendet
sein würden. Eine andere, in mancher Hinsicht kaum weniger wichtige Nach¬
richt aus New-York meldet aber, daß daselbst am 13. Mai. in Folge eines
Ausrufs von fünf hochachtbaren Männern, eine freie Conferenz von un¬
abhängigen Bürgern aus allen Theilen der Union zusammentreten wird, um
die Mittel zu berathen, wie am besten in den im Juni stattfindenden National¬
conventionen der Republikaner und der Demokraten bei Aufstellung der Präst-
dentschaftscandidaten und beim Entwerfen der politischen Programme das
Interesse der so nothwendigen Reform gewahrt und der drohenden Gefahr,
daß einseitige Parteibestrebungen die politische Gewalt für selbstsüchtige Zwecke
ausbeuten, vorgebeugt werden könne. An der Spitze der fünf Männer, die
den besagten Aufruf unterschrieben haben, steht der ehrwürdige, als Dichter
und Politiker gleichhochgeachtete Wtlli a in Cul le n B ryan t aus New-York,
Leiter der angesehenen „New-York Evening Post"; die übrigen vier Unter¬
zeichner sind: Theodor D. Woolsey aus Connecticut, Alexander H.
Bullock aus Massachusetts, Horace White aus Illinois und Carl
Schurz aus Missouri. Der Aufruf selbst lautet also: „Die in unserm
öffentlichen Dienste weitverbreitete Corruption. welche die Republik in den
Augen der Welt herabgewürdigt hat und die Lebensfähigkeit unserer Insti¬
tutionen zu vergiften droht, das Schwanken der öffentlichen Meinung und die
Unzuverlässigkeit von Partetrathschlägen über ernste volkswirthschaftliche Fragen.
Welche in hohem Maße die Ehre der Regierung, die Sittlichkeit des geschäft¬
lichen Lebens und das allgemeine Wohl des Volkes bedingen, die Gefahr


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[0313] Me freie Konferenz in Aew-MorK. Wenn wir in einer unserer früheren Mittheilungen darauf hingewiesen haben, daß die Partei oder die Fraktion der „Unabhängigen" in den Ver¬ einigten Staaten bei der diesjährigen Präsidentenwahl nicht unthätig bleiben, sondern wahrscheinlich eine Versammlung von Männern, die durch ihre Fähig¬ keiten und ihren untadelhafter Charakter hoch in der öffentlichen Meinung stehen, berufen würde, um in der einen oder der andern Weise den Agitationen der beiden alten Parteien, der regulären Republikaner und der Demokraten, gegenüber Stellung zu nehmen, so wird diese unsere Vermuthung durch die neuesten Nachrichten aus Amerika vollkommen bestätigt. Aus Washington wird unterm 3. Mai d. I. berichtet, daß Präsident Grant dem Kongresse eine Botschaft zugehen ließ, in welcher er die Mitglieder des Senats und des Repräsentantenhauses aufforderte, der Eröffnung der Weltausstellung in Philadelphia beizuwohnen. Dieser Botschaft war der Be¬ richt der Ausstellungskommission beigegeben, in welchem mitgetheilt war, daß die Vorbereitungen für die Eröffnung der Ausstellung am 10. Mai beendet sein würden. Eine andere, in mancher Hinsicht kaum weniger wichtige Nach¬ richt aus New-York meldet aber, daß daselbst am 13. Mai. in Folge eines Ausrufs von fünf hochachtbaren Männern, eine freie Conferenz von un¬ abhängigen Bürgern aus allen Theilen der Union zusammentreten wird, um die Mittel zu berathen, wie am besten in den im Juni stattfindenden National¬ conventionen der Republikaner und der Demokraten bei Aufstellung der Präst- dentschaftscandidaten und beim Entwerfen der politischen Programme das Interesse der so nothwendigen Reform gewahrt und der drohenden Gefahr, daß einseitige Parteibestrebungen die politische Gewalt für selbstsüchtige Zwecke ausbeuten, vorgebeugt werden könne. An der Spitze der fünf Männer, die den besagten Aufruf unterschrieben haben, steht der ehrwürdige, als Dichter und Politiker gleichhochgeachtete Wtlli a in Cul le n B ryan t aus New-York, Leiter der angesehenen „New-York Evening Post"; die übrigen vier Unter¬ zeichner sind: Theodor D. Woolsey aus Connecticut, Alexander H. Bullock aus Massachusetts, Horace White aus Illinois und Carl Schurz aus Missouri. Der Aufruf selbst lautet also: „Die in unserm öffentlichen Dienste weitverbreitete Corruption. welche die Republik in den Augen der Welt herabgewürdigt hat und die Lebensfähigkeit unserer Insti¬ tutionen zu vergiften droht, das Schwanken der öffentlichen Meinung und die Unzuverlässigkeit von Partetrathschlägen über ernste volkswirthschaftliche Fragen. Welche in hohem Maße die Ehre der Regierung, die Sittlichkeit des geschäft¬ lichen Lebens und das allgemeine Wohl des Volkes bedingen, die Gefahr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/313>, abgerufen am 27.11.2024.