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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Napoleon III. dem verwaisten Schlosse gab, war mehr auf mildthätige Zwecke,
als auf fürstlichen Prunk gerichtet: die Wittwen hoher Staatsbeamten sollten
hier ein Obdach finden. Auf die Bürger der Stadt machte diese Kunde ge¬
waltigen Eindruck und in seiner lebhaften leichten Weise schildert Edmond
About (dessen Villa bei Zabern steht) die Erwartungen, die man an solche
hohe Gäste knüpfte. Marschallinen und Admiralinen, Staatsräthinen und
Mtnisterinen würden künftighin alle Straßen bevölkern, und ohne Zweifel
würde auch der Kaiser selbst bisweilen in müßigen Stunden erscheinen, um
eine Partie Whist mit den verehrungswürdigen Matronen zu spielen. Nur
eine Sorge bedrängte die ungeduldigen Bürger, wie wohl die 78 Gemächer
ausreichen sollten, die man bereit gemacht, um jene Hunderte ja jene Tau¬
sende von Bewerberinnen zu fassen, die ohne Zweifel das elMeau as Lavornv
umkreisen würden. Kurzum, man erwartete "clss veuvss riolnzs brillantes
Vt si von eovsolses, an moins äesireuLes ass plus lionorg-blos äistractions"
und statt dessen kamen Wittwen, die so kümmerlich ins Leben sahen, daß
das Asyl beinahe zum Hospiz geworden wäre. Um dies zu verhindern, wurde
ein Einkommen von 1800 Francs als Aufnahmsbedingung gefordert; aber
auch das konnte dem wesentlichsten Uebel nicht steuern, welches die vornehme
Kolonie bedrängte -- die Bürger verdienten an ihr kein Geld und -- "leg
üamss intsrnkös an milisu as nous s'z? ennuisnt".

So erzählt mit großer Offenherzigkeit Herr Edmout About und die
Damen selbst bestätigten die Wahrheit seiner Worte, denn ihre Zahl sank
schließlich bis auf drei.

Jetzt ist der große prächtige Bau von rothem Gestein für Militär-Zwecke
in Beschlag genommen und das Odatsau impsrial, wie einst mit goldenen
Lettern über der Pforte stand, ist zum "kaiserlichen Schloß" geworden -- die
Marmorne Tafel aus Frankreichs Zeiten ward dem Museum zur Aufbe¬
wahrung übergeben.

Die Bevölkerung der Stadt beziffert sich wohl auf fünf oder sechs¬
tausend Seelen und der allgemeine Zuzug von Fremden, die in den ersten
Jahren nach den Reichslanden strömten, machte sich auch hier so ziemlich be¬
merkbar. Denn gerade Elsaß war ja das Land, das schon im Mittelalter
die Wanderlust am meisten anzog, es galt ja damals schon als der "Wein¬
keller und die Kornscheuer" des ganzen Reiches; an andern Stellen wird
es vollends mit dem höchsten Realismus als eine "rechte Schmalzgrube"
bezeichnet.

In den "Oarmios, burans," jenen merkwürdigen Gedichten, die den Geist
Anakreon's in der Kutte bergen, führt auch ein Landfahrer das Wort, der sich
begeistert durch ganz Elsaß hindurchzecht und in jubelnder Laune sein Trink¬
lied singt. Ebenso spricht die berühmte Kosmographie des Sebastian Münster


Napoleon III. dem verwaisten Schlosse gab, war mehr auf mildthätige Zwecke,
als auf fürstlichen Prunk gerichtet: die Wittwen hoher Staatsbeamten sollten
hier ein Obdach finden. Auf die Bürger der Stadt machte diese Kunde ge¬
waltigen Eindruck und in seiner lebhaften leichten Weise schildert Edmond
About (dessen Villa bei Zabern steht) die Erwartungen, die man an solche
hohe Gäste knüpfte. Marschallinen und Admiralinen, Staatsräthinen und
Mtnisterinen würden künftighin alle Straßen bevölkern, und ohne Zweifel
würde auch der Kaiser selbst bisweilen in müßigen Stunden erscheinen, um
eine Partie Whist mit den verehrungswürdigen Matronen zu spielen. Nur
eine Sorge bedrängte die ungeduldigen Bürger, wie wohl die 78 Gemächer
ausreichen sollten, die man bereit gemacht, um jene Hunderte ja jene Tau¬
sende von Bewerberinnen zu fassen, die ohne Zweifel das elMeau as Lavornv
umkreisen würden. Kurzum, man erwartete «clss veuvss riolnzs brillantes
Vt si von eovsolses, an moins äesireuLes ass plus lionorg-blos äistractions"
und statt dessen kamen Wittwen, die so kümmerlich ins Leben sahen, daß
das Asyl beinahe zum Hospiz geworden wäre. Um dies zu verhindern, wurde
ein Einkommen von 1800 Francs als Aufnahmsbedingung gefordert; aber
auch das konnte dem wesentlichsten Uebel nicht steuern, welches die vornehme
Kolonie bedrängte — die Bürger verdienten an ihr kein Geld und — „leg
üamss intsrnkös an milisu as nous s'z? ennuisnt".

So erzählt mit großer Offenherzigkeit Herr Edmout About und die
Damen selbst bestätigten die Wahrheit seiner Worte, denn ihre Zahl sank
schließlich bis auf drei.

Jetzt ist der große prächtige Bau von rothem Gestein für Militär-Zwecke
in Beschlag genommen und das Odatsau impsrial, wie einst mit goldenen
Lettern über der Pforte stand, ist zum „kaiserlichen Schloß" geworden — die
Marmorne Tafel aus Frankreichs Zeiten ward dem Museum zur Aufbe¬
wahrung übergeben.

Die Bevölkerung der Stadt beziffert sich wohl auf fünf oder sechs¬
tausend Seelen und der allgemeine Zuzug von Fremden, die in den ersten
Jahren nach den Reichslanden strömten, machte sich auch hier so ziemlich be¬
merkbar. Denn gerade Elsaß war ja das Land, das schon im Mittelalter
die Wanderlust am meisten anzog, es galt ja damals schon als der „Wein¬
keller und die Kornscheuer" des ganzen Reiches; an andern Stellen wird
es vollends mit dem höchsten Realismus als eine „rechte Schmalzgrube"
bezeichnet.

In den «Oarmios, burans," jenen merkwürdigen Gedichten, die den Geist
Anakreon's in der Kutte bergen, führt auch ein Landfahrer das Wort, der sich
begeistert durch ganz Elsaß hindurchzecht und in jubelnder Laune sein Trink¬
lied singt. Ebenso spricht die berühmte Kosmographie des Sebastian Münster


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[0311] Napoleon III. dem verwaisten Schlosse gab, war mehr auf mildthätige Zwecke, als auf fürstlichen Prunk gerichtet: die Wittwen hoher Staatsbeamten sollten hier ein Obdach finden. Auf die Bürger der Stadt machte diese Kunde ge¬ waltigen Eindruck und in seiner lebhaften leichten Weise schildert Edmond About (dessen Villa bei Zabern steht) die Erwartungen, die man an solche hohe Gäste knüpfte. Marschallinen und Admiralinen, Staatsräthinen und Mtnisterinen würden künftighin alle Straßen bevölkern, und ohne Zweifel würde auch der Kaiser selbst bisweilen in müßigen Stunden erscheinen, um eine Partie Whist mit den verehrungswürdigen Matronen zu spielen. Nur eine Sorge bedrängte die ungeduldigen Bürger, wie wohl die 78 Gemächer ausreichen sollten, die man bereit gemacht, um jene Hunderte ja jene Tau¬ sende von Bewerberinnen zu fassen, die ohne Zweifel das elMeau as Lavornv umkreisen würden. Kurzum, man erwartete «clss veuvss riolnzs brillantes Vt si von eovsolses, an moins äesireuLes ass plus lionorg-blos äistractions" und statt dessen kamen Wittwen, die so kümmerlich ins Leben sahen, daß das Asyl beinahe zum Hospiz geworden wäre. Um dies zu verhindern, wurde ein Einkommen von 1800 Francs als Aufnahmsbedingung gefordert; aber auch das konnte dem wesentlichsten Uebel nicht steuern, welches die vornehme Kolonie bedrängte — die Bürger verdienten an ihr kein Geld und — „leg üamss intsrnkös an milisu as nous s'z? ennuisnt". So erzählt mit großer Offenherzigkeit Herr Edmout About und die Damen selbst bestätigten die Wahrheit seiner Worte, denn ihre Zahl sank schließlich bis auf drei. Jetzt ist der große prächtige Bau von rothem Gestein für Militär-Zwecke in Beschlag genommen und das Odatsau impsrial, wie einst mit goldenen Lettern über der Pforte stand, ist zum „kaiserlichen Schloß" geworden — die Marmorne Tafel aus Frankreichs Zeiten ward dem Museum zur Aufbe¬ wahrung übergeben. Die Bevölkerung der Stadt beziffert sich wohl auf fünf oder sechs¬ tausend Seelen und der allgemeine Zuzug von Fremden, die in den ersten Jahren nach den Reichslanden strömten, machte sich auch hier so ziemlich be¬ merkbar. Denn gerade Elsaß war ja das Land, das schon im Mittelalter die Wanderlust am meisten anzog, es galt ja damals schon als der „Wein¬ keller und die Kornscheuer" des ganzen Reiches; an andern Stellen wird es vollends mit dem höchsten Realismus als eine „rechte Schmalzgrube" bezeichnet. In den «Oarmios, burans," jenen merkwürdigen Gedichten, die den Geist Anakreon's in der Kutte bergen, führt auch ein Landfahrer das Wort, der sich begeistert durch ganz Elsaß hindurchzecht und in jubelnder Laune sein Trink¬ lied singt. Ebenso spricht die berühmte Kosmographie des Sebastian Münster

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/311>, abgerufen am 27.07.2024.