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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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lich, und wird ein Borstwisch kaum vier mal gebraucht, da fangt er schon
an, sich zu mausern wie eine alte Bruthenne."

Ganz besonders kräftig wäscht er den Soldaten den Kopf. "Das Weib
im Evangelio hat den Verlornen Groschen wiedergefunden, der Joseph hat
seine saubern Brüder gesucht und gefunden, der aber Zucht und Ehrbarkeit
bei Soldaten sucht, wird nicht viel finden. Jenem Blinden, dem der Heiland
das Gesicht erstattet hat, kamen zuerst die Leut vor wie die Bäume, mir
kommen die Soldaten vor nit wie die Bäume, sondern wie die Stauden und
und Dornhecken; denn es darf kein Weib vorbeigehen, welche solche Hecken
nit am Rock zupfen und anhalten." -- "Die Fischer in Holland fangen zu¬
weilen die Meerfräule im Wasser, aber unsre Soldaten fangen sie gar oft
auf dem trocknen Land, und ist ihnen keine Belagerung lieber als bei Magde¬
burg, zumalen fast keine Magd oder ehrliche Tochter vor ihnen sicher." -- "Jener
Bauer sagte scherzweis, um weil er von den Soldaten sehr geplagt worden,
daß er immerzu bete, Gott der Allmächtige wolle der Soldaten Beten und
Wünschen erhören; die Ursach war diese, weil selbe meistens fluchen: der
Teufel hol mich, der Donner erschlag mich, sterb ich ins Teufels Namen."
In gleich seurriler Weise werden andere Untugenden der Krtegsleute durch¬
genommen, namentlich ihr tolles Trinken und daß sie "in der Grammatiea
hauptsächlich die verdg. ostsrLvÄi wissen."

Ein paar Proben mögen serner zeigen, was für Geschichten er in seinen
Predigten vorbringt. An einer Stelle, wo er sich über nicht gehaltene Ver¬
sprechungen verbreitet, erzählt er:

"Signor Ccipronymus*) Edler von der Nadel, Herr zu Fadenhofen und
Zwirndorf hat nunmehro sein blühendes Leben dem lieben Vaterland unter
denen Schneiderdtensten aufgeopfert, und da ihm einsmals sammt seinem
Bügeleisen die natürliche Hitz entgangen, daß er tödtlich ertränket, auch schon
sogar in die letzte Züge gegriffen, hat ihm wegen der gestohlenen Fleck und
Lappen das geängsttgte Gewissen nicht wenig gedrücket, sonderlich als ein
erschröckliches Gesicht ihme die Todesschmerzen um ein Merkliches vergrößerte,
^r sahe nämlich den lebendigen Teufel in einer grausamen Gestalt, der dem
Schneider aus allen seinen zusammengestohlenen Flecken einen aneinander
gestückten Fahn vorwiese, welcher so groß war, daß er den völligen Himmel
damit bedeckte. Es waren in diesen Fahn genähet große Fleck, kleine Fleck,
Mittlere Fleck, breite Fleck, schmale Fleck, lange Fleck, kurze Fleck, tucherne
Fleck, seidene Fleck, sammele Fleck, grobe Fleck, klare Fleck, in summa allerlei
Fleck, nur allein keine goldene Fleck waren darinnen. Ach! wie war nicht
dem armen Sünder dazumalen so übel zu Muth, er wäre erstarrt wie ein



-) Anspielung auf den Ziegenbock.

lich, und wird ein Borstwisch kaum vier mal gebraucht, da fangt er schon
an, sich zu mausern wie eine alte Bruthenne."

Ganz besonders kräftig wäscht er den Soldaten den Kopf. „Das Weib
im Evangelio hat den Verlornen Groschen wiedergefunden, der Joseph hat
seine saubern Brüder gesucht und gefunden, der aber Zucht und Ehrbarkeit
bei Soldaten sucht, wird nicht viel finden. Jenem Blinden, dem der Heiland
das Gesicht erstattet hat, kamen zuerst die Leut vor wie die Bäume, mir
kommen die Soldaten vor nit wie die Bäume, sondern wie die Stauden und
und Dornhecken; denn es darf kein Weib vorbeigehen, welche solche Hecken
nit am Rock zupfen und anhalten." — „Die Fischer in Holland fangen zu¬
weilen die Meerfräule im Wasser, aber unsre Soldaten fangen sie gar oft
auf dem trocknen Land, und ist ihnen keine Belagerung lieber als bei Magde¬
burg, zumalen fast keine Magd oder ehrliche Tochter vor ihnen sicher." — „Jener
Bauer sagte scherzweis, um weil er von den Soldaten sehr geplagt worden,
daß er immerzu bete, Gott der Allmächtige wolle der Soldaten Beten und
Wünschen erhören; die Ursach war diese, weil selbe meistens fluchen: der
Teufel hol mich, der Donner erschlag mich, sterb ich ins Teufels Namen."
In gleich seurriler Weise werden andere Untugenden der Krtegsleute durch¬
genommen, namentlich ihr tolles Trinken und daß sie „in der Grammatiea
hauptsächlich die verdg. ostsrLvÄi wissen."

Ein paar Proben mögen serner zeigen, was für Geschichten er in seinen
Predigten vorbringt. An einer Stelle, wo er sich über nicht gehaltene Ver¬
sprechungen verbreitet, erzählt er:

„Signor Ccipronymus*) Edler von der Nadel, Herr zu Fadenhofen und
Zwirndorf hat nunmehro sein blühendes Leben dem lieben Vaterland unter
denen Schneiderdtensten aufgeopfert, und da ihm einsmals sammt seinem
Bügeleisen die natürliche Hitz entgangen, daß er tödtlich ertränket, auch schon
sogar in die letzte Züge gegriffen, hat ihm wegen der gestohlenen Fleck und
Lappen das geängsttgte Gewissen nicht wenig gedrücket, sonderlich als ein
erschröckliches Gesicht ihme die Todesschmerzen um ein Merkliches vergrößerte,
^r sahe nämlich den lebendigen Teufel in einer grausamen Gestalt, der dem
Schneider aus allen seinen zusammengestohlenen Flecken einen aneinander
gestückten Fahn vorwiese, welcher so groß war, daß er den völligen Himmel
damit bedeckte. Es waren in diesen Fahn genähet große Fleck, kleine Fleck,
Mittlere Fleck, breite Fleck, schmale Fleck, lange Fleck, kurze Fleck, tucherne
Fleck, seidene Fleck, sammele Fleck, grobe Fleck, klare Fleck, in summa allerlei
Fleck, nur allein keine goldene Fleck waren darinnen. Ach! wie war nicht
dem armen Sünder dazumalen so übel zu Muth, er wäre erstarrt wie ein



-) Anspielung auf den Ziegenbock.
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[0291] lich, und wird ein Borstwisch kaum vier mal gebraucht, da fangt er schon an, sich zu mausern wie eine alte Bruthenne." Ganz besonders kräftig wäscht er den Soldaten den Kopf. „Das Weib im Evangelio hat den Verlornen Groschen wiedergefunden, der Joseph hat seine saubern Brüder gesucht und gefunden, der aber Zucht und Ehrbarkeit bei Soldaten sucht, wird nicht viel finden. Jenem Blinden, dem der Heiland das Gesicht erstattet hat, kamen zuerst die Leut vor wie die Bäume, mir kommen die Soldaten vor nit wie die Bäume, sondern wie die Stauden und und Dornhecken; denn es darf kein Weib vorbeigehen, welche solche Hecken nit am Rock zupfen und anhalten." — „Die Fischer in Holland fangen zu¬ weilen die Meerfräule im Wasser, aber unsre Soldaten fangen sie gar oft auf dem trocknen Land, und ist ihnen keine Belagerung lieber als bei Magde¬ burg, zumalen fast keine Magd oder ehrliche Tochter vor ihnen sicher." — „Jener Bauer sagte scherzweis, um weil er von den Soldaten sehr geplagt worden, daß er immerzu bete, Gott der Allmächtige wolle der Soldaten Beten und Wünschen erhören; die Ursach war diese, weil selbe meistens fluchen: der Teufel hol mich, der Donner erschlag mich, sterb ich ins Teufels Namen." In gleich seurriler Weise werden andere Untugenden der Krtegsleute durch¬ genommen, namentlich ihr tolles Trinken und daß sie „in der Grammatiea hauptsächlich die verdg. ostsrLvÄi wissen." Ein paar Proben mögen serner zeigen, was für Geschichten er in seinen Predigten vorbringt. An einer Stelle, wo er sich über nicht gehaltene Ver¬ sprechungen verbreitet, erzählt er: „Signor Ccipronymus*) Edler von der Nadel, Herr zu Fadenhofen und Zwirndorf hat nunmehro sein blühendes Leben dem lieben Vaterland unter denen Schneiderdtensten aufgeopfert, und da ihm einsmals sammt seinem Bügeleisen die natürliche Hitz entgangen, daß er tödtlich ertränket, auch schon sogar in die letzte Züge gegriffen, hat ihm wegen der gestohlenen Fleck und Lappen das geängsttgte Gewissen nicht wenig gedrücket, sonderlich als ein erschröckliches Gesicht ihme die Todesschmerzen um ein Merkliches vergrößerte, ^r sahe nämlich den lebendigen Teufel in einer grausamen Gestalt, der dem Schneider aus allen seinen zusammengestohlenen Flecken einen aneinander gestückten Fahn vorwiese, welcher so groß war, daß er den völligen Himmel damit bedeckte. Es waren in diesen Fahn genähet große Fleck, kleine Fleck, Mittlere Fleck, breite Fleck, schmale Fleck, lange Fleck, kurze Fleck, tucherne Fleck, seidene Fleck, sammele Fleck, grobe Fleck, klare Fleck, in summa allerlei Fleck, nur allein keine goldene Fleck waren darinnen. Ach! wie war nicht dem armen Sünder dazumalen so übel zu Muth, er wäre erstarrt wie ein -) Anspielung auf den Ziegenbock.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/291>, abgerufen am 28.07.2024.