Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.stieg hat der Tod stark gemauset. den Sauwinkel hat der Tod ziemlich ge¬ Höflichkeit und Verblümtheit ist nicht die Sache unseres Gottesmannes. Indem er die Maurer beim Kragen nimmt und ihnen vorwirft, sie über¬ Den Bürstenbindern ruft er zu: "Willkommen, ihr saubern Bürstenbinder, stieg hat der Tod stark gemauset. den Sauwinkel hat der Tod ziemlich ge¬ Höflichkeit und Verblümtheit ist nicht die Sache unseres Gottesmannes. Indem er die Maurer beim Kragen nimmt und ihnen vorwirft, sie über¬ Den Bürstenbindern ruft er zu: „Willkommen, ihr saubern Bürstenbinder, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135871"/> <p xml:id="ID_939" prev="#ID_938"> stieg hat der Tod stark gemauset. den Sauwinkel hat der Tod ziemlich ge¬<lb/> säubert, bei den zwölf Aposteln hat der Tod einen Judas Ischarioth ab¬<lb/> geben", „in dem Schlossergässel hat der Tod vielen die Thür aufgesperrt in die<lb/> Ewigkeit", „in dem Judengäfsel hat der Tod keinen Sabbath gehalten" und so<lb/> weiter durch noch zwei Dutzend Straßen und Gassen. Auch nicht von Stroh<lb/> ist endlich, was wir in einer der Predigten von der Schönheit erfahren. Sie<lb/> ist „ein Angel, ein Engel, ein Agstein, ein Eckstein, ein Brunnen, eine Brunst,<lb/> eine Wiese, ein Wasen, ein Bach, ein Pech, eine Tafel, ein Teufel. Ein<lb/> Teufel, von dem sich ein jeder gern läßt holen, eine Tafel, bei der ein jeder<lb/> gern thut schmarotzen, ein Pech, an dem ein jeder will kleben, ein Bach, in<lb/> dem ein jeder will baden, ein Wasen, aus den ein jeder will grasen, eine<lb/> Wiese, die ein jeder will mähen, eine Brunst, bei der sich ein jeder will<lb/> wärmen, ein Brunnen, aus dem ein jeder will trinken" u. s. w.</p><lb/> <p xml:id="ID_940"> Höflichkeit und Verblümtheit ist nicht die Sache unseres Gottesmannes.<lb/> Aber es war auch nicht die Sache seiner Zeit. Die Geizigen „schnarcht" er<lb/> an: „O ihr elenden Simpel! Ihr thut schaben und graben, ihr thut schnaufen<lb/> und laufen, ihr thut treiben und reiben, ihr thut springen und ringen, ihr<lb/> thut trennen und rennen nur wegen des Geldes; ihr trinket nicht genug, ihr<lb/> esset nicht genug, ihr schlafet nicht genug wegen des Geldes. Daher stehen<lb/> euch die Augen im Kopf wie zwei hohle Nußschalen, die Wangen sind er¬<lb/> bleicht wie ein alter pergamentner Lehrbrief, die Haare sind euch zerstreut wie<lb/> ein abgestochnes Schwalbennest, eure Beine sind nur mit der Haut überzogen<lb/> wie eine alte Garnisontrommel." „Wenn ihr nur halben Theil thätet so<lb/> viel leiden wegen Gott, was ihr aufstehet wegen des schandvollen und schaden¬<lb/> vollen Mammons, so würdet ihr in der Glorie etwa gleich sitzen einem<lb/> Bachomino oder Paphnutin; aber ihr elende Geldschaben, Geldraben, müßt<lb/> sammt aller eurer Müh und Arbeit noch dazu ewig braten", „ihr müßt all-<lb/> hier Hitz und Schwitz übertragen und noch in jener Welt das unendliche<lb/> Wehe ausstehen. Ihr vernunftlose Geldkäfer, wem sammelt ihr?" u. s. w.</p><lb/> <p xml:id="ID_941"> Indem er die Maurer beim Kragen nimmt und ihnen vorwirft, sie über¬<lb/> schritten gewöhnlich betrügerischer Weise ihre Bauanschläge, sagt er: „Doxius<lb/> als der erste Maurer soll von den Schwalben das Handwerk gelernt haben,<lb/> so hat er gewiß dasjenige auch von ihnen abgelernt, was sie einmal dem<lb/> frommen Tobiä erwiesen." (Bgl. Tobias 2, 11.)</p><lb/> <p xml:id="ID_942" next="#ID_943"> Den Bürstenbindern ruft er zu: „Willkommen, ihr saubern Bürstenbinder,<lb/> ihr thut Andere säubern und bleibt selber unsauber, das Sprichwort ist schon<lb/> drei Meilen hinter Babylon bekannt: er sauft wie ein Bürstenbinder, ihr<lb/> macht keine Arbeit lieber als die Käutel bürsten, eure Arbeit nimmt den<lb/> Staub weg, aber das Maul staubt bei euch nimmermehr, denn es allzeit von<lb/> Wein und Bier feucht ist. Darum kein Wunder, daß eure Arbeit so lieber-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0290]
stieg hat der Tod stark gemauset. den Sauwinkel hat der Tod ziemlich ge¬
säubert, bei den zwölf Aposteln hat der Tod einen Judas Ischarioth ab¬
geben", „in dem Schlossergässel hat der Tod vielen die Thür aufgesperrt in die
Ewigkeit", „in dem Judengäfsel hat der Tod keinen Sabbath gehalten" und so
weiter durch noch zwei Dutzend Straßen und Gassen. Auch nicht von Stroh
ist endlich, was wir in einer der Predigten von der Schönheit erfahren. Sie
ist „ein Angel, ein Engel, ein Agstein, ein Eckstein, ein Brunnen, eine Brunst,
eine Wiese, ein Wasen, ein Bach, ein Pech, eine Tafel, ein Teufel. Ein
Teufel, von dem sich ein jeder gern läßt holen, eine Tafel, bei der ein jeder
gern thut schmarotzen, ein Pech, an dem ein jeder will kleben, ein Bach, in
dem ein jeder will baden, ein Wasen, aus den ein jeder will grasen, eine
Wiese, die ein jeder will mähen, eine Brunst, bei der sich ein jeder will
wärmen, ein Brunnen, aus dem ein jeder will trinken" u. s. w.
Höflichkeit und Verblümtheit ist nicht die Sache unseres Gottesmannes.
Aber es war auch nicht die Sache seiner Zeit. Die Geizigen „schnarcht" er
an: „O ihr elenden Simpel! Ihr thut schaben und graben, ihr thut schnaufen
und laufen, ihr thut treiben und reiben, ihr thut springen und ringen, ihr
thut trennen und rennen nur wegen des Geldes; ihr trinket nicht genug, ihr
esset nicht genug, ihr schlafet nicht genug wegen des Geldes. Daher stehen
euch die Augen im Kopf wie zwei hohle Nußschalen, die Wangen sind er¬
bleicht wie ein alter pergamentner Lehrbrief, die Haare sind euch zerstreut wie
ein abgestochnes Schwalbennest, eure Beine sind nur mit der Haut überzogen
wie eine alte Garnisontrommel." „Wenn ihr nur halben Theil thätet so
viel leiden wegen Gott, was ihr aufstehet wegen des schandvollen und schaden¬
vollen Mammons, so würdet ihr in der Glorie etwa gleich sitzen einem
Bachomino oder Paphnutin; aber ihr elende Geldschaben, Geldraben, müßt
sammt aller eurer Müh und Arbeit noch dazu ewig braten", „ihr müßt all-
hier Hitz und Schwitz übertragen und noch in jener Welt das unendliche
Wehe ausstehen. Ihr vernunftlose Geldkäfer, wem sammelt ihr?" u. s. w.
Indem er die Maurer beim Kragen nimmt und ihnen vorwirft, sie über¬
schritten gewöhnlich betrügerischer Weise ihre Bauanschläge, sagt er: „Doxius
als der erste Maurer soll von den Schwalben das Handwerk gelernt haben,
so hat er gewiß dasjenige auch von ihnen abgelernt, was sie einmal dem
frommen Tobiä erwiesen." (Bgl. Tobias 2, 11.)
Den Bürstenbindern ruft er zu: „Willkommen, ihr saubern Bürstenbinder,
ihr thut Andere säubern und bleibt selber unsauber, das Sprichwort ist schon
drei Meilen hinter Babylon bekannt: er sauft wie ein Bürstenbinder, ihr
macht keine Arbeit lieber als die Käutel bürsten, eure Arbeit nimmt den
Staub weg, aber das Maul staubt bei euch nimmermehr, denn es allzeit von
Wein und Bier feucht ist. Darum kein Wunder, daß eure Arbeit so lieber-
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