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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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des französischen Grcmdseigneur noch nicht geduckt und seine Macht über seine
Umgebung noch nicht gebrochen hatte, der Pfarrer von Pierre Bussiere in
Limousin. Er nahm den Adel vor und sagte u. A.: "Die Frau Herzogin
klopft an das Himmelsthor. Petrus fragt: Wer pocht da? Ich bin die Frau
Herzogin, sagt sie. Was? erwidert Petrus. Die Frau Herzogin, die sich das
Ballet ansieht, die Frau Herzogin, die statt in die Kirche lieber auf den
Ball geht? Die Frau Herzogin, die sich mit Schminke bemalt? Die Frau
Herzogin, die ihre Liebhaber bei sich hat, wenn der Herzog verreist ist? Zum
Teufel mit der Frau Herzogin! In der Hölle wird sie ihren Platz finden.
Und trans schlägt Petrus die Himmelspforte zu." -- "Ja wohl, Ihre Haare
sollen blond sein? Perücke ist es. Ihre Rosenwangen sind Natur? Ber-
million und Bleiweiß ist es. Betrug und nichts als Betrug! Sie haben
eine schöne Gestalt? Betrug, den Ihr Schneider recht gut kennt, und ihr
Schuhmacher gleichfalls, der die hohen Absätze gebaut hat. Schwindel,
Schwindel und lauter Schwindel! Sie sind eingebildet auf Ihr schönes
Haar? Elende Lüge! Welcher Bauerndirne haben Sie es wohl abgekauft?
Eine Bettelfrau hat es vielleicht als ihr rechtmäßiges, ihr von Gott ver¬
liehenes Eigenthum getragen, jetzt gebrauchen Sie es als Täuschung. Ihr
Leben ist eine Beleidigung gegen Gott, eine Schande der Natur, ein Hohn
den Männern gegenüber, ein Scandal vor den Engeln, eine Freude für den
Teufel! Großer Gott, können Sie denn nicht mit dem zufrieden sein, was
eine gütige Natur Ihnen geschenkt hat?" Derselbe wackere Seelenhirt war
auch nicht gerade allzuhöflich gegen seine Bauern. "Wenn der Tag des
jüngsten Gerichts erscheint," sagte er einmal zu ihnen von der Kanzel, "so
wird Gott in Betreff eurer Rechenschaft von mir fordern: Pfarrer von
Bussiöre, wo sind Deine Schafe? Ich werde still bleiben. Dann wird er
wieder fragen: Pfarrer von Busfiöre, wo sind Deine Schafe? Wieder werde
ich schweigen. Wenn er aber sich zum dritten Male erkundigt, werde ich ant¬
worten : Herr, allmächtiger Gott, Du hast mir Mes gegeben, und Vieh bringe
ich Dir wieder."

Der Prediger Meroe stellte den Tanz in einer Predigt als Sünde hin,
indem er sagte: "Der Tanz ist eine Bewegung in der Runde, die Bewegungen
des Teufels sind gleichfalls solche, die in die Runde gehen, deshalb ist der
Tanz eine Erfindung des Teufels. Aber weshalb ist die Bewegung des
Teufels eine in die Runde gehende? Deshalb, weil (Hiob 1, 7.) geschrieben
steht, er habe das Land ringsum durchzogen" -- eine Argumentation, welche,
auch in der alten lutherischen Kirche und, wenn ich nicht irre, noch in neuester
Zeit von protestantischen Pietisten gegen den Tanz ins Feld geführt worden ist.

Die interessanteste Erscheinung auf diesem Gebiete ist der 1709 als Hof¬
prediger in Wien gestorbene Augustinermönch Ulrich Megerle, bekannter


des französischen Grcmdseigneur noch nicht geduckt und seine Macht über seine
Umgebung noch nicht gebrochen hatte, der Pfarrer von Pierre Bussiere in
Limousin. Er nahm den Adel vor und sagte u. A.: „Die Frau Herzogin
klopft an das Himmelsthor. Petrus fragt: Wer pocht da? Ich bin die Frau
Herzogin, sagt sie. Was? erwidert Petrus. Die Frau Herzogin, die sich das
Ballet ansieht, die Frau Herzogin, die statt in die Kirche lieber auf den
Ball geht? Die Frau Herzogin, die sich mit Schminke bemalt? Die Frau
Herzogin, die ihre Liebhaber bei sich hat, wenn der Herzog verreist ist? Zum
Teufel mit der Frau Herzogin! In der Hölle wird sie ihren Platz finden.
Und trans schlägt Petrus die Himmelspforte zu." — „Ja wohl, Ihre Haare
sollen blond sein? Perücke ist es. Ihre Rosenwangen sind Natur? Ber-
million und Bleiweiß ist es. Betrug und nichts als Betrug! Sie haben
eine schöne Gestalt? Betrug, den Ihr Schneider recht gut kennt, und ihr
Schuhmacher gleichfalls, der die hohen Absätze gebaut hat. Schwindel,
Schwindel und lauter Schwindel! Sie sind eingebildet auf Ihr schönes
Haar? Elende Lüge! Welcher Bauerndirne haben Sie es wohl abgekauft?
Eine Bettelfrau hat es vielleicht als ihr rechtmäßiges, ihr von Gott ver¬
liehenes Eigenthum getragen, jetzt gebrauchen Sie es als Täuschung. Ihr
Leben ist eine Beleidigung gegen Gott, eine Schande der Natur, ein Hohn
den Männern gegenüber, ein Scandal vor den Engeln, eine Freude für den
Teufel! Großer Gott, können Sie denn nicht mit dem zufrieden sein, was
eine gütige Natur Ihnen geschenkt hat?" Derselbe wackere Seelenhirt war
auch nicht gerade allzuhöflich gegen seine Bauern. „Wenn der Tag des
jüngsten Gerichts erscheint," sagte er einmal zu ihnen von der Kanzel, „so
wird Gott in Betreff eurer Rechenschaft von mir fordern: Pfarrer von
Bussiöre, wo sind Deine Schafe? Ich werde still bleiben. Dann wird er
wieder fragen: Pfarrer von Busfiöre, wo sind Deine Schafe? Wieder werde
ich schweigen. Wenn er aber sich zum dritten Male erkundigt, werde ich ant¬
worten : Herr, allmächtiger Gott, Du hast mir Mes gegeben, und Vieh bringe
ich Dir wieder."

Der Prediger Meroe stellte den Tanz in einer Predigt als Sünde hin,
indem er sagte: „Der Tanz ist eine Bewegung in der Runde, die Bewegungen
des Teufels sind gleichfalls solche, die in die Runde gehen, deshalb ist der
Tanz eine Erfindung des Teufels. Aber weshalb ist die Bewegung des
Teufels eine in die Runde gehende? Deshalb, weil (Hiob 1, 7.) geschrieben
steht, er habe das Land ringsum durchzogen" — eine Argumentation, welche,
auch in der alten lutherischen Kirche und, wenn ich nicht irre, noch in neuester
Zeit von protestantischen Pietisten gegen den Tanz ins Feld geführt worden ist.

Die interessanteste Erscheinung auf diesem Gebiete ist der 1709 als Hof¬
prediger in Wien gestorbene Augustinermönch Ulrich Megerle, bekannter


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[0288] des französischen Grcmdseigneur noch nicht geduckt und seine Macht über seine Umgebung noch nicht gebrochen hatte, der Pfarrer von Pierre Bussiere in Limousin. Er nahm den Adel vor und sagte u. A.: „Die Frau Herzogin klopft an das Himmelsthor. Petrus fragt: Wer pocht da? Ich bin die Frau Herzogin, sagt sie. Was? erwidert Petrus. Die Frau Herzogin, die sich das Ballet ansieht, die Frau Herzogin, die statt in die Kirche lieber auf den Ball geht? Die Frau Herzogin, die sich mit Schminke bemalt? Die Frau Herzogin, die ihre Liebhaber bei sich hat, wenn der Herzog verreist ist? Zum Teufel mit der Frau Herzogin! In der Hölle wird sie ihren Platz finden. Und trans schlägt Petrus die Himmelspforte zu." — „Ja wohl, Ihre Haare sollen blond sein? Perücke ist es. Ihre Rosenwangen sind Natur? Ber- million und Bleiweiß ist es. Betrug und nichts als Betrug! Sie haben eine schöne Gestalt? Betrug, den Ihr Schneider recht gut kennt, und ihr Schuhmacher gleichfalls, der die hohen Absätze gebaut hat. Schwindel, Schwindel und lauter Schwindel! Sie sind eingebildet auf Ihr schönes Haar? Elende Lüge! Welcher Bauerndirne haben Sie es wohl abgekauft? Eine Bettelfrau hat es vielleicht als ihr rechtmäßiges, ihr von Gott ver¬ liehenes Eigenthum getragen, jetzt gebrauchen Sie es als Täuschung. Ihr Leben ist eine Beleidigung gegen Gott, eine Schande der Natur, ein Hohn den Männern gegenüber, ein Scandal vor den Engeln, eine Freude für den Teufel! Großer Gott, können Sie denn nicht mit dem zufrieden sein, was eine gütige Natur Ihnen geschenkt hat?" Derselbe wackere Seelenhirt war auch nicht gerade allzuhöflich gegen seine Bauern. „Wenn der Tag des jüngsten Gerichts erscheint," sagte er einmal zu ihnen von der Kanzel, „so wird Gott in Betreff eurer Rechenschaft von mir fordern: Pfarrer von Bussiöre, wo sind Deine Schafe? Ich werde still bleiben. Dann wird er wieder fragen: Pfarrer von Busfiöre, wo sind Deine Schafe? Wieder werde ich schweigen. Wenn er aber sich zum dritten Male erkundigt, werde ich ant¬ worten : Herr, allmächtiger Gott, Du hast mir Mes gegeben, und Vieh bringe ich Dir wieder." Der Prediger Meroe stellte den Tanz in einer Predigt als Sünde hin, indem er sagte: „Der Tanz ist eine Bewegung in der Runde, die Bewegungen des Teufels sind gleichfalls solche, die in die Runde gehen, deshalb ist der Tanz eine Erfindung des Teufels. Aber weshalb ist die Bewegung des Teufels eine in die Runde gehende? Deshalb, weil (Hiob 1, 7.) geschrieben steht, er habe das Land ringsum durchzogen" — eine Argumentation, welche, auch in der alten lutherischen Kirche und, wenn ich nicht irre, noch in neuester Zeit von protestantischen Pietisten gegen den Tanz ins Feld geführt worden ist. Die interessanteste Erscheinung auf diesem Gebiete ist der 1709 als Hof¬ prediger in Wien gestorbene Augustinermönch Ulrich Megerle, bekannter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/288>, abgerufen am 27.11.2024.