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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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mir vor, auf diese Industrieausstellung zurückzukommen und theile Ihnen
heute nur als Charalteristicum mit, daß auf dem Eröffnungsballe sämmtliche
Damen in baumwollenen, im Elsaß fabrizirten Kleidern, nicht in Spitzen,
Sammt und Seide, erscheinen müssen. Das ist eine sehr sinnreiche Idee, in
welcher das ullis eum autel auf das Geschmackvollste vereint erscheint.

Schließlich mache ich noch darauf aufmerksam, daß vor Kurzem ein neuer
(der elfte) Band der "Alsatia", der rühmlichst bekannten Jahresschrift des
verdienten Mülhauser Bibliothekars, Aug. Stöber erschienen ist. Der reiche
und mannichfaltige Inhalt dieses Bandes legt neues Zeugniß ab für die
Gediegenheit und Trefflichkeit des im Jahre 1851 gegründeten Werkes.


^.


Dom preußischen Landtag.

Am 2. Mai beschäftigten die Abgeordneten sich wiederum mit der Eisen-
bahnvorlage, nämlich in dritter Lesung. Ich vermeide an dieser Stelle, wie
ich auch schon im vorigen Brief gethan, auf den Inhalt der großen Frage
eines einheitlichen Reichsbahnsystems einzugehen. Dieses Eingehen wird an
der Zeit sein, wenn die Frage da zur Berathung steht, wo sie überhaupt nur
entschieden werden kann, nämlich im Reichstag. Uebrigens wissen die Leser
dieser Briefe, daß ich der Nothwendigkeit des Uebergangs der Eisenbahnen in
Reichsbesitz an dieser Stelle längst Ausdruck gegeben, wenn auch nur gelegentlich
und ohne ausführliche Begründung.

Der Landtag hatte die Frage überhaupt nicht zu entscheiden. Er hatte
nur der Staatsregierung die erbetene Vollmacht zu ertheilen, dem Reich die
preußischen Staatsbahnen zum Ankauf anzubieten und die staatlichen Auf¬
sichtsrechte an das Reich abzutreten. Natürlich konnte und mußte im Land¬
tag bei Berathung dieser Vollmacht gefragt werden: wo will die Staats¬
regierung damit hinaus? Denn daß der Erwerb des jetzigen preußischen
Staatsbahnbesitzes allein, ohne Vervollständigung desselben, dem Reich wenig
fruchten würde, leuchtet ein. Wo nun die Regierung hinaus will, hat der
Reichskanzler am 26. April gesagt. Die preußische Regierung erkennt die
Nothwendigkeit eines eonsolidirten Staatsbahnbesitzes für den Verkehr wie für
die Vertheidigung, für die Wirthschaft wie für die Politik. Aber die preußische
Regierung glaubt, der Staat, in dessen Händen dieser Besitz die beste Frucht
dem deutschen Volke bringen könne, sei der deutsche Staat. Erst wenn dieser


mir vor, auf diese Industrieausstellung zurückzukommen und theile Ihnen
heute nur als Charalteristicum mit, daß auf dem Eröffnungsballe sämmtliche
Damen in baumwollenen, im Elsaß fabrizirten Kleidern, nicht in Spitzen,
Sammt und Seide, erscheinen müssen. Das ist eine sehr sinnreiche Idee, in
welcher das ullis eum autel auf das Geschmackvollste vereint erscheint.

Schließlich mache ich noch darauf aufmerksam, daß vor Kurzem ein neuer
(der elfte) Band der „Alsatia", der rühmlichst bekannten Jahresschrift des
verdienten Mülhauser Bibliothekars, Aug. Stöber erschienen ist. Der reiche
und mannichfaltige Inhalt dieses Bandes legt neues Zeugniß ab für die
Gediegenheit und Trefflichkeit des im Jahre 1851 gegründeten Werkes.


^.


Dom preußischen Landtag.

Am 2. Mai beschäftigten die Abgeordneten sich wiederum mit der Eisen-
bahnvorlage, nämlich in dritter Lesung. Ich vermeide an dieser Stelle, wie
ich auch schon im vorigen Brief gethan, auf den Inhalt der großen Frage
eines einheitlichen Reichsbahnsystems einzugehen. Dieses Eingehen wird an
der Zeit sein, wenn die Frage da zur Berathung steht, wo sie überhaupt nur
entschieden werden kann, nämlich im Reichstag. Uebrigens wissen die Leser
dieser Briefe, daß ich der Nothwendigkeit des Uebergangs der Eisenbahnen in
Reichsbesitz an dieser Stelle längst Ausdruck gegeben, wenn auch nur gelegentlich
und ohne ausführliche Begründung.

Der Landtag hatte die Frage überhaupt nicht zu entscheiden. Er hatte
nur der Staatsregierung die erbetene Vollmacht zu ertheilen, dem Reich die
preußischen Staatsbahnen zum Ankauf anzubieten und die staatlichen Auf¬
sichtsrechte an das Reich abzutreten. Natürlich konnte und mußte im Land¬
tag bei Berathung dieser Vollmacht gefragt werden: wo will die Staats¬
regierung damit hinaus? Denn daß der Erwerb des jetzigen preußischen
Staatsbahnbesitzes allein, ohne Vervollständigung desselben, dem Reich wenig
fruchten würde, leuchtet ein. Wo nun die Regierung hinaus will, hat der
Reichskanzler am 26. April gesagt. Die preußische Regierung erkennt die
Nothwendigkeit eines eonsolidirten Staatsbahnbesitzes für den Verkehr wie für
die Vertheidigung, für die Wirthschaft wie für die Politik. Aber die preußische
Regierung glaubt, der Staat, in dessen Händen dieser Besitz die beste Frucht
dem deutschen Volke bringen könne, sei der deutsche Staat. Erst wenn dieser


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[0270] mir vor, auf diese Industrieausstellung zurückzukommen und theile Ihnen heute nur als Charalteristicum mit, daß auf dem Eröffnungsballe sämmtliche Damen in baumwollenen, im Elsaß fabrizirten Kleidern, nicht in Spitzen, Sammt und Seide, erscheinen müssen. Das ist eine sehr sinnreiche Idee, in welcher das ullis eum autel auf das Geschmackvollste vereint erscheint. Schließlich mache ich noch darauf aufmerksam, daß vor Kurzem ein neuer (der elfte) Band der „Alsatia", der rühmlichst bekannten Jahresschrift des verdienten Mülhauser Bibliothekars, Aug. Stöber erschienen ist. Der reiche und mannichfaltige Inhalt dieses Bandes legt neues Zeugniß ab für die Gediegenheit und Trefflichkeit des im Jahre 1851 gegründeten Werkes. ^. Dom preußischen Landtag. Am 2. Mai beschäftigten die Abgeordneten sich wiederum mit der Eisen- bahnvorlage, nämlich in dritter Lesung. Ich vermeide an dieser Stelle, wie ich auch schon im vorigen Brief gethan, auf den Inhalt der großen Frage eines einheitlichen Reichsbahnsystems einzugehen. Dieses Eingehen wird an der Zeit sein, wenn die Frage da zur Berathung steht, wo sie überhaupt nur entschieden werden kann, nämlich im Reichstag. Uebrigens wissen die Leser dieser Briefe, daß ich der Nothwendigkeit des Uebergangs der Eisenbahnen in Reichsbesitz an dieser Stelle längst Ausdruck gegeben, wenn auch nur gelegentlich und ohne ausführliche Begründung. Der Landtag hatte die Frage überhaupt nicht zu entscheiden. Er hatte nur der Staatsregierung die erbetene Vollmacht zu ertheilen, dem Reich die preußischen Staatsbahnen zum Ankauf anzubieten und die staatlichen Auf¬ sichtsrechte an das Reich abzutreten. Natürlich konnte und mußte im Land¬ tag bei Berathung dieser Vollmacht gefragt werden: wo will die Staats¬ regierung damit hinaus? Denn daß der Erwerb des jetzigen preußischen Staatsbahnbesitzes allein, ohne Vervollständigung desselben, dem Reich wenig fruchten würde, leuchtet ein. Wo nun die Regierung hinaus will, hat der Reichskanzler am 26. April gesagt. Die preußische Regierung erkennt die Nothwendigkeit eines eonsolidirten Staatsbahnbesitzes für den Verkehr wie für die Vertheidigung, für die Wirthschaft wie für die Politik. Aber die preußische Regierung glaubt, der Staat, in dessen Händen dieser Besitz die beste Frucht dem deutschen Volke bringen könne, sei der deutsche Staat. Erst wenn dieser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/270>, abgerufen am 27.11.2024.