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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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veröffentlichen heute die Motive zu dieser Verordnung, welche wegen ihrer
billigen und gerechten Tendenz sicherlich auf die Zustimmung des Landes"
Ausschusses rechnen darf. Es heißt darin u. A.:

"Die Beschränkung (der activen und passiven Wahlfähigkeit zu den Ge¬
meinderäthen) in Z 3 ni. o jenes Gesetzes hat eine praktische Bedeutung zur
Zeit nur noch denjenigen Elsaß-Lothringern gegenüber, deren Option für un-
gültig erklärt worden ist, ohne daß sie selbst eine Erklärung über die Zurück¬
nahme abgegeben haben. Da die Nationalität selbst außer Frage steht, so
^egt ein ausreichender Grund, diese Personen noch ferner vom Wahlrecht und
der Wählbarkeit auszuschließen, nicht mehr vor, um so weniger, als bei Ein¬
führung des Wahlgesetzes für den Reichstag eine gleichartige Beschränkung
nicht Aufnahme gefunden hat. Die fernere Ausschließung würde den Charakter
einer Strafe dafür enthalten, daß die Optanten die Optionserklärung, zu welcher
sie befugt waren, abgegeben, demnächst aber ihre Absicht geändert und ihren
Wohnsitz in Elsaß-Lothringen behalten haben. Die Gleichstellung dieser Hand-
lung in ihrer Wirkung mit denjenigen, welche den Verlust der bürgerlichen Ehren¬
rechte und damit auch diejenigen des Wahlrechts zur Folge haben, steht mit
der Lage der Verhältnisse gegenwärtig nicht im Einklange. Der Wunsch, daß
die Beschränkung, von welcher nach ungefährer Schätzung etwa 30,000 Per¬
sonen betroffen werden, beseitigt werden möge, ist daher im Lande zum Aus¬
druck gebracht und insbesondere auch von Mitgliedern des Landes-Ausschusses *)
neuerdings im Hinblick aus die bevorstehenden Neuwahlen für die Bezirks¬
vertretungen und die Gemeinderäthe lebhaft befürwortet worden. Es scheint
rathsam, ihm stattzugeben und zwar derart, daß die bisher von den Wahlen
ausgeschlossenen Optanten schon zu den erwähnten Neuwahlen zugelassen
werden."

Das ist eine Sprache, die Anklang finden und sich unter den Eingebornen
viele Herzen gewinnen wird. Die Maßregel ist, wie gesagt, gerecht und billig
und kam zur rechten Zeit. Möge die Regierung auf dem betretenen Wege
des Wohlwollens und billiger Rücksichtnahme auf die Wünsche der Bevölkerung
weiter schreiten, unbeirrt durch Geschrei und Hetzereien.

Auf wirthschaftlichem Gebiete gehen wir einem herrlichen und allem An¬
scheine nach großartigen Feste entgegen. Mülhausen, die Metropole der
Rassischer Industrie, rüstet sich mit allem Eifer zu einer umfassenden Kunst-
und GeWerbeausstellung, auf welcher das gesammte Elsaß zum ersten Male
seit seiner Vereinigung mit dem alten Vaterlande Gelegenheit finden wird,
die Produkte seines Gewerbfleißes der Betrachtung vorzulegen. Ich behalte



*) Bet Schluß des Blattes berichtet der Telegraph, daß die oben von unserm Correspon-
denten empfohlene Erweiterung der Befugnisse des Landesausschusses Seiten des Reichskanzler¬
amt D. Red. es dem Bundesrath vorgeschlagen sei.
Grenzboten II. 1876. 34

veröffentlichen heute die Motive zu dieser Verordnung, welche wegen ihrer
billigen und gerechten Tendenz sicherlich auf die Zustimmung des Landes«
Ausschusses rechnen darf. Es heißt darin u. A.:

„Die Beschränkung (der activen und passiven Wahlfähigkeit zu den Ge¬
meinderäthen) in Z 3 ni. o jenes Gesetzes hat eine praktische Bedeutung zur
Zeit nur noch denjenigen Elsaß-Lothringern gegenüber, deren Option für un-
gültig erklärt worden ist, ohne daß sie selbst eine Erklärung über die Zurück¬
nahme abgegeben haben. Da die Nationalität selbst außer Frage steht, so
^egt ein ausreichender Grund, diese Personen noch ferner vom Wahlrecht und
der Wählbarkeit auszuschließen, nicht mehr vor, um so weniger, als bei Ein¬
führung des Wahlgesetzes für den Reichstag eine gleichartige Beschränkung
nicht Aufnahme gefunden hat. Die fernere Ausschließung würde den Charakter
einer Strafe dafür enthalten, daß die Optanten die Optionserklärung, zu welcher
sie befugt waren, abgegeben, demnächst aber ihre Absicht geändert und ihren
Wohnsitz in Elsaß-Lothringen behalten haben. Die Gleichstellung dieser Hand-
lung in ihrer Wirkung mit denjenigen, welche den Verlust der bürgerlichen Ehren¬
rechte und damit auch diejenigen des Wahlrechts zur Folge haben, steht mit
der Lage der Verhältnisse gegenwärtig nicht im Einklange. Der Wunsch, daß
die Beschränkung, von welcher nach ungefährer Schätzung etwa 30,000 Per¬
sonen betroffen werden, beseitigt werden möge, ist daher im Lande zum Aus¬
druck gebracht und insbesondere auch von Mitgliedern des Landes-Ausschusses *)
neuerdings im Hinblick aus die bevorstehenden Neuwahlen für die Bezirks¬
vertretungen und die Gemeinderäthe lebhaft befürwortet worden. Es scheint
rathsam, ihm stattzugeben und zwar derart, daß die bisher von den Wahlen
ausgeschlossenen Optanten schon zu den erwähnten Neuwahlen zugelassen
werden."

Das ist eine Sprache, die Anklang finden und sich unter den Eingebornen
viele Herzen gewinnen wird. Die Maßregel ist, wie gesagt, gerecht und billig
und kam zur rechten Zeit. Möge die Regierung auf dem betretenen Wege
des Wohlwollens und billiger Rücksichtnahme auf die Wünsche der Bevölkerung
weiter schreiten, unbeirrt durch Geschrei und Hetzereien.

Auf wirthschaftlichem Gebiete gehen wir einem herrlichen und allem An¬
scheine nach großartigen Feste entgegen. Mülhausen, die Metropole der
Rassischer Industrie, rüstet sich mit allem Eifer zu einer umfassenden Kunst-
und GeWerbeausstellung, auf welcher das gesammte Elsaß zum ersten Male
seit seiner Vereinigung mit dem alten Vaterlande Gelegenheit finden wird,
die Produkte seines Gewerbfleißes der Betrachtung vorzulegen. Ich behalte



*) Bet Schluß des Blattes berichtet der Telegraph, daß die oben von unserm Correspon-
denten empfohlene Erweiterung der Befugnisse des Landesausschusses Seiten des Reichskanzler¬
amt D. Red. es dem Bundesrath vorgeschlagen sei.
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[0269] veröffentlichen heute die Motive zu dieser Verordnung, welche wegen ihrer billigen und gerechten Tendenz sicherlich auf die Zustimmung des Landes« Ausschusses rechnen darf. Es heißt darin u. A.: „Die Beschränkung (der activen und passiven Wahlfähigkeit zu den Ge¬ meinderäthen) in Z 3 ni. o jenes Gesetzes hat eine praktische Bedeutung zur Zeit nur noch denjenigen Elsaß-Lothringern gegenüber, deren Option für un- gültig erklärt worden ist, ohne daß sie selbst eine Erklärung über die Zurück¬ nahme abgegeben haben. Da die Nationalität selbst außer Frage steht, so ^egt ein ausreichender Grund, diese Personen noch ferner vom Wahlrecht und der Wählbarkeit auszuschließen, nicht mehr vor, um so weniger, als bei Ein¬ führung des Wahlgesetzes für den Reichstag eine gleichartige Beschränkung nicht Aufnahme gefunden hat. Die fernere Ausschließung würde den Charakter einer Strafe dafür enthalten, daß die Optanten die Optionserklärung, zu welcher sie befugt waren, abgegeben, demnächst aber ihre Absicht geändert und ihren Wohnsitz in Elsaß-Lothringen behalten haben. Die Gleichstellung dieser Hand- lung in ihrer Wirkung mit denjenigen, welche den Verlust der bürgerlichen Ehren¬ rechte und damit auch diejenigen des Wahlrechts zur Folge haben, steht mit der Lage der Verhältnisse gegenwärtig nicht im Einklange. Der Wunsch, daß die Beschränkung, von welcher nach ungefährer Schätzung etwa 30,000 Per¬ sonen betroffen werden, beseitigt werden möge, ist daher im Lande zum Aus¬ druck gebracht und insbesondere auch von Mitgliedern des Landes-Ausschusses *) neuerdings im Hinblick aus die bevorstehenden Neuwahlen für die Bezirks¬ vertretungen und die Gemeinderäthe lebhaft befürwortet worden. Es scheint rathsam, ihm stattzugeben und zwar derart, daß die bisher von den Wahlen ausgeschlossenen Optanten schon zu den erwähnten Neuwahlen zugelassen werden." Das ist eine Sprache, die Anklang finden und sich unter den Eingebornen viele Herzen gewinnen wird. Die Maßregel ist, wie gesagt, gerecht und billig und kam zur rechten Zeit. Möge die Regierung auf dem betretenen Wege des Wohlwollens und billiger Rücksichtnahme auf die Wünsche der Bevölkerung weiter schreiten, unbeirrt durch Geschrei und Hetzereien. Auf wirthschaftlichem Gebiete gehen wir einem herrlichen und allem An¬ scheine nach großartigen Feste entgegen. Mülhausen, die Metropole der Rassischer Industrie, rüstet sich mit allem Eifer zu einer umfassenden Kunst- und GeWerbeausstellung, auf welcher das gesammte Elsaß zum ersten Male seit seiner Vereinigung mit dem alten Vaterlande Gelegenheit finden wird, die Produkte seines Gewerbfleißes der Betrachtung vorzulegen. Ich behalte *) Bet Schluß des Blattes berichtet der Telegraph, daß die oben von unserm Correspon- denten empfohlene Erweiterung der Befugnisse des Landesausschusses Seiten des Reichskanzler¬ amt D. Red. es dem Bundesrath vorgeschlagen sei. Grenzboten II. 1876. 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/269>, abgerufen am 27.07.2024.