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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Cota: "Wieder geschieht? Euer Excellenz dürfen das nicht für zweifel¬
haft halten. Ich gebe Ihrer Herrlichkeit mein Wort, daß es nun und nim¬
mermehr wieder geschehen wird, sonst wehe ihm, ich werde ihn wie ein Stück
Brot aufessen. Ich bitte Euer Excellenz um Entschuldigung, daß ich mir die
Freiheit genommen habe, Sie zu stören; aber Ihr Herz ist wie Honig, und
unser Herrgott wird Ihnen die Barmherzigkeit, die Sie dieser armen Familie
erwiesen haben, tausend Jahre lang segnen. Ich küsse Euer Excellenz die
Hand, und wenn Sie jemals einen Befehl zu geben haben, so steht hier Ihr
stets bereiter Diener."

Marquis: "Sehr wohl, Coka, sehr wohl. Ich will ihm für dteßmal
verzeihen und ihn wieder in meine Dienste nehmen. Guten Tag, Coka,
guten Tag."

Cota: "Allezeit zu Euer Excellenz Füßen."

Ungefähr eine halbe Stunde später wurde der gutherzige Marquis ersucht,
von seinem Balkon in den Hinterhof seines Hauses zu blicken; denn Cota
wünsche ihm ein Wort zu sagen. Der Marquis trat in Folge dieser Bitte
hinaus und sah in seinem Hofe Cota Vincenzo am Arme halten. Derselbe
war von einem Hausen Thürsteher, Köche, Lakaien, Küchenjungen und andern
Dienstleuten dieses und der benachbarten Häuser umgeben. Als der Marquis
auf dem Balkon erschien, nahm Cota seinen Hut vor ihm ab und händigte
ihn dann einem der Umstehenden ein. Dann blickte er zu dem Marquis hin¬
auf und sagte: "Euer Excellenz, hier steht der reuige Sünder; aber bevor er
seinen Fuß wieder in Ihrer Herrlichkeit Haus setzt, wünschte ich ihm einen
Denkzettel zu geben, der ihn lehren wird, wie man sich fortan immerdar
gegen einen so würdigen Herrn wie Euer Excellenz zu benehmen hat."

Schier eher, als er noch mit diesem Satze fertig war, ließ er seine
ungeheure fette rechte Hand auf Mncenzo's linke Backe und dann wieder
seine linke Hand auf Mncenzo's rechte Backe aufprallen, und diese Dosis
wiederholte er mit so rascher Bewegung, daß der Kopf des armen Vincenzo
aussah wie eine schwimmende leere Flasche, die von zwei gegen einander wir¬
kenden Wellen hin- und hergeschleudert wird. Es war umsonst, daß der
Marquis mit lauter Stimme vom Balkone hinabrief: "Halt ein, Cota, halt
ein, laß ihn gehen, das ist genug, basta, basta!" Der unbarmherzige Cota
bearbeitete Vincenzo, bis sein Gesicht so roth wie eine Mohrrübe war. Dann
nahm er ihn beim Ohre, führte ihn an die Stufen der weißen Marmortreppe
und sagte:

"Nun marsch, küsse Deinem Herrn die Füße, bitte ihn um Verzeihung
und erinnere Dich, daß, wenn Du jemals Dir wieder ein Vergehen zu Schul¬
den kommen lässest, Du es mit mir zu thun kriegen wirst."


Cota: „Wieder geschieht? Euer Excellenz dürfen das nicht für zweifel¬
haft halten. Ich gebe Ihrer Herrlichkeit mein Wort, daß es nun und nim¬
mermehr wieder geschehen wird, sonst wehe ihm, ich werde ihn wie ein Stück
Brot aufessen. Ich bitte Euer Excellenz um Entschuldigung, daß ich mir die
Freiheit genommen habe, Sie zu stören; aber Ihr Herz ist wie Honig, und
unser Herrgott wird Ihnen die Barmherzigkeit, die Sie dieser armen Familie
erwiesen haben, tausend Jahre lang segnen. Ich küsse Euer Excellenz die
Hand, und wenn Sie jemals einen Befehl zu geben haben, so steht hier Ihr
stets bereiter Diener."

Marquis: „Sehr wohl, Coka, sehr wohl. Ich will ihm für dteßmal
verzeihen und ihn wieder in meine Dienste nehmen. Guten Tag, Coka,
guten Tag."

Cota: „Allezeit zu Euer Excellenz Füßen."

Ungefähr eine halbe Stunde später wurde der gutherzige Marquis ersucht,
von seinem Balkon in den Hinterhof seines Hauses zu blicken; denn Cota
wünsche ihm ein Wort zu sagen. Der Marquis trat in Folge dieser Bitte
hinaus und sah in seinem Hofe Cota Vincenzo am Arme halten. Derselbe
war von einem Hausen Thürsteher, Köche, Lakaien, Küchenjungen und andern
Dienstleuten dieses und der benachbarten Häuser umgeben. Als der Marquis
auf dem Balkon erschien, nahm Cota seinen Hut vor ihm ab und händigte
ihn dann einem der Umstehenden ein. Dann blickte er zu dem Marquis hin¬
auf und sagte: „Euer Excellenz, hier steht der reuige Sünder; aber bevor er
seinen Fuß wieder in Ihrer Herrlichkeit Haus setzt, wünschte ich ihm einen
Denkzettel zu geben, der ihn lehren wird, wie man sich fortan immerdar
gegen einen so würdigen Herrn wie Euer Excellenz zu benehmen hat."

Schier eher, als er noch mit diesem Satze fertig war, ließ er seine
ungeheure fette rechte Hand auf Mncenzo's linke Backe und dann wieder
seine linke Hand auf Mncenzo's rechte Backe aufprallen, und diese Dosis
wiederholte er mit so rascher Bewegung, daß der Kopf des armen Vincenzo
aussah wie eine schwimmende leere Flasche, die von zwei gegen einander wir¬
kenden Wellen hin- und hergeschleudert wird. Es war umsonst, daß der
Marquis mit lauter Stimme vom Balkone hinabrief: „Halt ein, Cota, halt
ein, laß ihn gehen, das ist genug, basta, basta!" Der unbarmherzige Cota
bearbeitete Vincenzo, bis sein Gesicht so roth wie eine Mohrrübe war. Dann
nahm er ihn beim Ohre, führte ihn an die Stufen der weißen Marmortreppe
und sagte:

„Nun marsch, küsse Deinem Herrn die Füße, bitte ihn um Verzeihung
und erinnere Dich, daß, wenn Du jemals Dir wieder ein Vergehen zu Schul¬
den kommen lässest, Du es mit mir zu thun kriegen wirst."


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[0026] Cota: „Wieder geschieht? Euer Excellenz dürfen das nicht für zweifel¬ haft halten. Ich gebe Ihrer Herrlichkeit mein Wort, daß es nun und nim¬ mermehr wieder geschehen wird, sonst wehe ihm, ich werde ihn wie ein Stück Brot aufessen. Ich bitte Euer Excellenz um Entschuldigung, daß ich mir die Freiheit genommen habe, Sie zu stören; aber Ihr Herz ist wie Honig, und unser Herrgott wird Ihnen die Barmherzigkeit, die Sie dieser armen Familie erwiesen haben, tausend Jahre lang segnen. Ich küsse Euer Excellenz die Hand, und wenn Sie jemals einen Befehl zu geben haben, so steht hier Ihr stets bereiter Diener." Marquis: „Sehr wohl, Coka, sehr wohl. Ich will ihm für dteßmal verzeihen und ihn wieder in meine Dienste nehmen. Guten Tag, Coka, guten Tag." Cota: „Allezeit zu Euer Excellenz Füßen." Ungefähr eine halbe Stunde später wurde der gutherzige Marquis ersucht, von seinem Balkon in den Hinterhof seines Hauses zu blicken; denn Cota wünsche ihm ein Wort zu sagen. Der Marquis trat in Folge dieser Bitte hinaus und sah in seinem Hofe Cota Vincenzo am Arme halten. Derselbe war von einem Hausen Thürsteher, Köche, Lakaien, Küchenjungen und andern Dienstleuten dieses und der benachbarten Häuser umgeben. Als der Marquis auf dem Balkon erschien, nahm Cota seinen Hut vor ihm ab und händigte ihn dann einem der Umstehenden ein. Dann blickte er zu dem Marquis hin¬ auf und sagte: „Euer Excellenz, hier steht der reuige Sünder; aber bevor er seinen Fuß wieder in Ihrer Herrlichkeit Haus setzt, wünschte ich ihm einen Denkzettel zu geben, der ihn lehren wird, wie man sich fortan immerdar gegen einen so würdigen Herrn wie Euer Excellenz zu benehmen hat." Schier eher, als er noch mit diesem Satze fertig war, ließ er seine ungeheure fette rechte Hand auf Mncenzo's linke Backe und dann wieder seine linke Hand auf Mncenzo's rechte Backe aufprallen, und diese Dosis wiederholte er mit so rascher Bewegung, daß der Kopf des armen Vincenzo aussah wie eine schwimmende leere Flasche, die von zwei gegen einander wir¬ kenden Wellen hin- und hergeschleudert wird. Es war umsonst, daß der Marquis mit lauter Stimme vom Balkone hinabrief: „Halt ein, Cota, halt ein, laß ihn gehen, das ist genug, basta, basta!" Der unbarmherzige Cota bearbeitete Vincenzo, bis sein Gesicht so roth wie eine Mohrrübe war. Dann nahm er ihn beim Ohre, führte ihn an die Stufen der weißen Marmortreppe und sagte: „Nun marsch, küsse Deinem Herrn die Füße, bitte ihn um Verzeihung und erinnere Dich, daß, wenn Du jemals Dir wieder ein Vergehen zu Schul¬ den kommen lässest, Du es mit mir zu thun kriegen wirst."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/26>, abgerufen am 27.11.2024.