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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Verbot enthalten sollte, daß der öffentliche Schulfond nicht getheilt werden
könnte zu Gunsten einer oder der andern religiösen Sekte, das gesammte katho¬
lische Votum von Colorado gegen die Annahme der Constitution organisirt
werden würde, um auf diese Art die schließliche Zulassung Colorado's als Staat
in die Union zur Unmöglichkeit zu machen.

Diese, der vielgerühmten jesuitischen Klugheit kaum entsprechende Drohung
erregte selbst den Unwillen derjenigen Mitglieder der Verfassungs-Convention,
welche einer sofortigen Entscheidung der bewegten Streitfrage ursprünglich ab¬
geneigt waren; sie sagten sich: "Wollen die Ultramontanen diese Frage durch¬
aus zu einem direkten Streitpunkte machen, so sind wir gezwungen, dasselbe
zu thun. Ist es bei ihnen eine nicht mehr zu umgehende Principienfrage,
so ist dasselbe auch bei uns der Fall. Kann Colorado durch die Opposition
der Ultramontanen die Rechte eines Staates in der Union jetzt nicht erlangen,
so müssen die Ultramontanen auch das Odium tragen, welches sich noth¬
wendiger Weise ihnen deshalb anheften wird. Sind sie gewillt, dies zu thun,
sind sie gesonnen, die bitteren Anklagen, welche aus einem solchen Verfahren
entspringen müssen, auf sich zu nehmen, so kann es uns recht sein. Eins
bringen sie jedenfalls dadurch zu Stande, und das ist eine Vereinigung aller
Elemente, welche vielleicht aus anderen Gründen gegen die Verfassung gestimmt
haben würden, welche sich aber durch den frech gegen die Freischulen herauf¬
beschworenen Kampf zur Unterstützung derselben bewegt fühlen und ihre
sonstigen, weniger schwer wiegenden Bedenken fallen lassen werden."

Die Mitglieder der Convention beschlossen dann auch mit großer Ma¬
jorität, wie bereits gesagt, den Kampf aufzunehmen. Eine Bestimmung der
Verfassung geht dahin, daß kein Theil des für die öffentlichen Schulen be¬
stimmten Geldes, kein Theil der für dieselben erhobenen Steuern, kein Theil
der für die Erhaltung derselben durch die Bundes- oder Unionsregierung
gemachten Landschenkungen für Sektenschulen irgend welcher Art
angewandt werden darf. Es steht dies mit der Bundeseonstitution und dem
System der öffentlichen in den Vereinigten Staaten vollkommen in Einklang,
denn der Staat soll daselbst keine Sekte, keine religiöse Confession der andern
vorziehen. Der Staat als solcher hat nichts mit Glaubenssachen zu thun.
Die Gründer der Union waren der Ansicht, daß, wenn keiner Religionssekte
vom Staate ein Vorzug gewährt sei, die ^Religion keinen Grund zur Unzu¬
friedenheit hergeben werde. Die Sorge für den Unterricht und die Erziehung
des Volkes ist nach amerikanischer Anschauung Alles, was vom Staate ver¬
langt werden kann, und die Unterweisung in religiösen Dingen geht den Staat
als solchen nichts an. Er schreitet bei religiösen Fragen nur ein, wie z. B.
den Mormonen gegenüber, wenn seine eigenen Rechte, seine eigene Existenz
durch jene Fragen gefährdet erscheinen.


Verbot enthalten sollte, daß der öffentliche Schulfond nicht getheilt werden
könnte zu Gunsten einer oder der andern religiösen Sekte, das gesammte katho¬
lische Votum von Colorado gegen die Annahme der Constitution organisirt
werden würde, um auf diese Art die schließliche Zulassung Colorado's als Staat
in die Union zur Unmöglichkeit zu machen.

Diese, der vielgerühmten jesuitischen Klugheit kaum entsprechende Drohung
erregte selbst den Unwillen derjenigen Mitglieder der Verfassungs-Convention,
welche einer sofortigen Entscheidung der bewegten Streitfrage ursprünglich ab¬
geneigt waren; sie sagten sich: „Wollen die Ultramontanen diese Frage durch¬
aus zu einem direkten Streitpunkte machen, so sind wir gezwungen, dasselbe
zu thun. Ist es bei ihnen eine nicht mehr zu umgehende Principienfrage,
so ist dasselbe auch bei uns der Fall. Kann Colorado durch die Opposition
der Ultramontanen die Rechte eines Staates in der Union jetzt nicht erlangen,
so müssen die Ultramontanen auch das Odium tragen, welches sich noth¬
wendiger Weise ihnen deshalb anheften wird. Sind sie gewillt, dies zu thun,
sind sie gesonnen, die bitteren Anklagen, welche aus einem solchen Verfahren
entspringen müssen, auf sich zu nehmen, so kann es uns recht sein. Eins
bringen sie jedenfalls dadurch zu Stande, und das ist eine Vereinigung aller
Elemente, welche vielleicht aus anderen Gründen gegen die Verfassung gestimmt
haben würden, welche sich aber durch den frech gegen die Freischulen herauf¬
beschworenen Kampf zur Unterstützung derselben bewegt fühlen und ihre
sonstigen, weniger schwer wiegenden Bedenken fallen lassen werden."

Die Mitglieder der Convention beschlossen dann auch mit großer Ma¬
jorität, wie bereits gesagt, den Kampf aufzunehmen. Eine Bestimmung der
Verfassung geht dahin, daß kein Theil des für die öffentlichen Schulen be¬
stimmten Geldes, kein Theil der für dieselben erhobenen Steuern, kein Theil
der für die Erhaltung derselben durch die Bundes- oder Unionsregierung
gemachten Landschenkungen für Sektenschulen irgend welcher Art
angewandt werden darf. Es steht dies mit der Bundeseonstitution und dem
System der öffentlichen in den Vereinigten Staaten vollkommen in Einklang,
denn der Staat soll daselbst keine Sekte, keine religiöse Confession der andern
vorziehen. Der Staat als solcher hat nichts mit Glaubenssachen zu thun.
Die Gründer der Union waren der Ansicht, daß, wenn keiner Religionssekte
vom Staate ein Vorzug gewährt sei, die ^Religion keinen Grund zur Unzu¬
friedenheit hergeben werde. Die Sorge für den Unterricht und die Erziehung
des Volkes ist nach amerikanischer Anschauung Alles, was vom Staate ver¬
langt werden kann, und die Unterweisung in religiösen Dingen geht den Staat
als solchen nichts an. Er schreitet bei religiösen Fragen nur ein, wie z. B.
den Mormonen gegenüber, wenn seine eigenen Rechte, seine eigene Existenz
durch jene Fragen gefährdet erscheinen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/240>, abgerufen am 27.11.2024.