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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Hunderts. Die Aufzeichnungen sind -- das muß vorausgeschickt werden
nicht im entferntesten das, was man für gewöhnlich "interessant" nennt;
sie beziehen sich auf gänzlich unbekannte und unbedeutende Persönlichkeiten,
die nichts erlebt haben, was gleichzeitig mit ihnen nicht tausend andre
auch hätten erleben können, und diejenigen, die sie niederschrieben, haben
nicht daran gedacht, daß jemals andere Augen darüberkommen könnten, als
die der Kinder und Kindeskinder des eignen Hauses. Aber schon deshalb,
weil sie zeigen, wie man damals ein solches Buch führte und was man
des Aufzeichnens für werth hielt, weil sie am raschesten und leichtesten
einen Blick thun lassen in den Inhalt des Familienlebens eines schlichten
Bürgerhauses jener Zeit, weil sie endlich Zeugnisse sind eines gesunden,
tapferen, treuherzigen und gottesfürchtigen Sinnes, an welchem keine Ader von
Empfindsamkeit ist, schon aus diesen Gründen sind sie der Mittheilung werth.

Das Buch, worin sie stehen, -- es ist im Besitz der Leipziger Stadt¬
bibliothek -- ist im wesentlichen von zwei Personen geführt worden: von
1885 bis 1612 durch Georg Planck, Kaufmann und Rathsherrn von Leipzig,
und nach dessen Tode (1- 1620) in den Jahren 1628 bis 1651 durch seinen
Sohn Georg Planck, der in Lübben Oberamtskanzler des Markgrasenthums
Niederlausitz war (-j- 1656). Da der erstgenannte aber auch ausführlich über
seine Aeltern und Geschwister Nachricht giebt, so erstrecken sich die Aufzetch-4
nungen über vier Generationen und umspannen einen Zeitraum von weit
über hundert Jahren.

Die Ordnung der Aufzeichnungen ist etwas confus, und es bedarf einiger
Geduld, um sich darin zurecht zu finden. Das Buch -- ein Octavband von
217 Blättern -- hat nämlich zwei Anfänge, einen auf dem ersten, den andern
auf dem letzten Blatte. Die erste Seite beginnt mit dem Worten: "Im
namen Gottes deß vatters und Gottes des Sohns und Gottes des heikligen
Geistes, amen. 1585." Dann folgen die Nachrichten, die der ältere Planck
über seine Vorfahren und Geschwister eingezeichnet hat, und die etwa
25 Blatt füllen. Auf dem nächsten Blatte heißt es dann: "hernach volgen
etlich surneme geschicht und sunderlich waß mir unsser lieber gott mit meiner
lieben Hausfrauen für Kinder bescherte, auch wer lere Baden (Pathen) gewest."
Die "vornehmen Geschichten" umfassen die nächsten 24 Blatt. Dann aber
muß man das Buch von oben nach unten kehren und auf dem letzten Blatte
weiter lesen; dort beginnt es gleichsam noch einmal von neuem mit den
Worten: "Daß wallte gott der vatter, Sohn und heillige geiht. Amen",
und nun erst folgen die versprochenen Nachrichten über die Kinder des
älteren Planck, 22 Blatt, an welche sich sofort die des jüngeren Planck über
seine eigene Person und seine Kinder, aus die nächsten 62 Blatt vertheilt, an¬
schließen. Außerdem find noch ein paar unbedeutende Notizen von andern


Hunderts. Die Aufzeichnungen sind — das muß vorausgeschickt werden
nicht im entferntesten das, was man für gewöhnlich „interessant" nennt;
sie beziehen sich auf gänzlich unbekannte und unbedeutende Persönlichkeiten,
die nichts erlebt haben, was gleichzeitig mit ihnen nicht tausend andre
auch hätten erleben können, und diejenigen, die sie niederschrieben, haben
nicht daran gedacht, daß jemals andere Augen darüberkommen könnten, als
die der Kinder und Kindeskinder des eignen Hauses. Aber schon deshalb,
weil sie zeigen, wie man damals ein solches Buch führte und was man
des Aufzeichnens für werth hielt, weil sie am raschesten und leichtesten
einen Blick thun lassen in den Inhalt des Familienlebens eines schlichten
Bürgerhauses jener Zeit, weil sie endlich Zeugnisse sind eines gesunden,
tapferen, treuherzigen und gottesfürchtigen Sinnes, an welchem keine Ader von
Empfindsamkeit ist, schon aus diesen Gründen sind sie der Mittheilung werth.

Das Buch, worin sie stehen, — es ist im Besitz der Leipziger Stadt¬
bibliothek — ist im wesentlichen von zwei Personen geführt worden: von
1885 bis 1612 durch Georg Planck, Kaufmann und Rathsherrn von Leipzig,
und nach dessen Tode (1- 1620) in den Jahren 1628 bis 1651 durch seinen
Sohn Georg Planck, der in Lübben Oberamtskanzler des Markgrasenthums
Niederlausitz war (-j- 1656). Da der erstgenannte aber auch ausführlich über
seine Aeltern und Geschwister Nachricht giebt, so erstrecken sich die Aufzetch-4
nungen über vier Generationen und umspannen einen Zeitraum von weit
über hundert Jahren.

Die Ordnung der Aufzeichnungen ist etwas confus, und es bedarf einiger
Geduld, um sich darin zurecht zu finden. Das Buch — ein Octavband von
217 Blättern — hat nämlich zwei Anfänge, einen auf dem ersten, den andern
auf dem letzten Blatte. Die erste Seite beginnt mit dem Worten: „Im
namen Gottes deß vatters und Gottes des Sohns und Gottes des heikligen
Geistes, amen. 1585." Dann folgen die Nachrichten, die der ältere Planck
über seine Vorfahren und Geschwister eingezeichnet hat, und die etwa
25 Blatt füllen. Auf dem nächsten Blatte heißt es dann: „hernach volgen
etlich surneme geschicht und sunderlich waß mir unsser lieber gott mit meiner
lieben Hausfrauen für Kinder bescherte, auch wer lere Baden (Pathen) gewest."
Die „vornehmen Geschichten" umfassen die nächsten 24 Blatt. Dann aber
muß man das Buch von oben nach unten kehren und auf dem letzten Blatte
weiter lesen; dort beginnt es gleichsam noch einmal von neuem mit den
Worten: „Daß wallte gott der vatter, Sohn und heillige geiht. Amen",
und nun erst folgen die versprochenen Nachrichten über die Kinder des
älteren Planck, 22 Blatt, an welche sich sofort die des jüngeren Planck über
seine eigene Person und seine Kinder, aus die nächsten 62 Blatt vertheilt, an¬
schließen. Außerdem find noch ein paar unbedeutende Notizen von andern


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[0216] Hunderts. Die Aufzeichnungen sind — das muß vorausgeschickt werden nicht im entferntesten das, was man für gewöhnlich „interessant" nennt; sie beziehen sich auf gänzlich unbekannte und unbedeutende Persönlichkeiten, die nichts erlebt haben, was gleichzeitig mit ihnen nicht tausend andre auch hätten erleben können, und diejenigen, die sie niederschrieben, haben nicht daran gedacht, daß jemals andere Augen darüberkommen könnten, als die der Kinder und Kindeskinder des eignen Hauses. Aber schon deshalb, weil sie zeigen, wie man damals ein solches Buch führte und was man des Aufzeichnens für werth hielt, weil sie am raschesten und leichtesten einen Blick thun lassen in den Inhalt des Familienlebens eines schlichten Bürgerhauses jener Zeit, weil sie endlich Zeugnisse sind eines gesunden, tapferen, treuherzigen und gottesfürchtigen Sinnes, an welchem keine Ader von Empfindsamkeit ist, schon aus diesen Gründen sind sie der Mittheilung werth. Das Buch, worin sie stehen, — es ist im Besitz der Leipziger Stadt¬ bibliothek — ist im wesentlichen von zwei Personen geführt worden: von 1885 bis 1612 durch Georg Planck, Kaufmann und Rathsherrn von Leipzig, und nach dessen Tode (1- 1620) in den Jahren 1628 bis 1651 durch seinen Sohn Georg Planck, der in Lübben Oberamtskanzler des Markgrasenthums Niederlausitz war (-j- 1656). Da der erstgenannte aber auch ausführlich über seine Aeltern und Geschwister Nachricht giebt, so erstrecken sich die Aufzetch-4 nungen über vier Generationen und umspannen einen Zeitraum von weit über hundert Jahren. Die Ordnung der Aufzeichnungen ist etwas confus, und es bedarf einiger Geduld, um sich darin zurecht zu finden. Das Buch — ein Octavband von 217 Blättern — hat nämlich zwei Anfänge, einen auf dem ersten, den andern auf dem letzten Blatte. Die erste Seite beginnt mit dem Worten: „Im namen Gottes deß vatters und Gottes des Sohns und Gottes des heikligen Geistes, amen. 1585." Dann folgen die Nachrichten, die der ältere Planck über seine Vorfahren und Geschwister eingezeichnet hat, und die etwa 25 Blatt füllen. Auf dem nächsten Blatte heißt es dann: „hernach volgen etlich surneme geschicht und sunderlich waß mir unsser lieber gott mit meiner lieben Hausfrauen für Kinder bescherte, auch wer lere Baden (Pathen) gewest." Die „vornehmen Geschichten" umfassen die nächsten 24 Blatt. Dann aber muß man das Buch von oben nach unten kehren und auf dem letzten Blatte weiter lesen; dort beginnt es gleichsam noch einmal von neuem mit den Worten: „Daß wallte gott der vatter, Sohn und heillige geiht. Amen", und nun erst folgen die versprochenen Nachrichten über die Kinder des älteren Planck, 22 Blatt, an welche sich sofort die des jüngeren Planck über seine eigene Person und seine Kinder, aus die nächsten 62 Blatt vertheilt, an¬ schließen. Außerdem find noch ein paar unbedeutende Notizen von andern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/216>, abgerufen am 27.07.2024.