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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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meisten angeblichen Opfer der Verfolgungswuth dieses Kaisers sind entweder
in die Zeiten Diocletian's zurückzuverweisen oder mythische Persönlichkeiten,
Ausgeburten einer überreizten Phantasie, Erzeugnisse der Legende sowohl als
bewußter Erfindung. Unser Buch ist von Seite 104 bis Seite 220 eine
förmliche Massenhinrichtung solcher Trug- und Lügenbilder, deren von dem
Verfasser weit über vierhundert in ihr Nichts aufgelöst werden. Nur die
vierzig Soldaten, die man zu Schafte erfrieren ließ, weil sie ihren Christen¬
glauben nicht verleugnen wollten, sind echt, aber nicht der Kaiser, sondern
eine untergeordnete Behörde ließ sie sterben. Das Martyrium des Bischofs
Basileus von Amasia dagegen ist ein Mönchsschwindel. Die Märtyrerinnen
und Märtyrer Capitolina und Erotais von Kappadocien, Blasius von Schafte,
Gordius von Cäsarea, Gelasimus von Heliopolis und Mercurius von Leontini
werden ohne hinreichenden Grund mit der Licinianischen Verfolgung in Ver¬
bindung gebracht. Die 45 Märtyrer von Ntkopolis in Armenien sind durch¬
aus unhistorische Persönlichkeiten. Das Martyrium des Diaconus Ammon
und der 40 Jungfrauen, ein Gewirr haarsträubender Henkerscenen und abge¬
schmackter Mirakel, ist äußerst schwach beglaubigt und gehört keinenfalls in
die Zeit, in die es verlegt wird. Das Martyrium der Soldaten Acacius,
Carterius, Atticus, Slyraeius, Eudoxius, Tobias. Agapitus, Nikopolitanus
und ihrer Genossen beruht auf sehr mangelhafter Grundlage. Die Märtyrer
Makrobius, Gordtanus, Zoticus, Lucianus und Heli, sowie der Presbyter
Iulianus sind apokryphe Heilige. Dasselbe gilt von Sanct Donatus, von
Sanct Theodor von Heraklea und von Sanct Adrianus, der ein Sohn des
Kaisers Probus gewesen sein soll. Endlich, um Andere zu übergehen, sind
auch die 370 macedonischen Soldaten, die Licinius wegen ihres Glaubens
umgebracht haben soll, Fabel und nichts als Fabel. Ebenso steht es mit
mehreren der Bischöfe, die unter Licinius als Bekenner aufgetreten sein sollen,
und hier ist der katholischen Kirche ein recht komisches Quidproquo passtrt.
"Der Bischof Agapetus von Synnada in Phrygien steht zur Licinianischen
Verfolgung in gar keiner Beziehung und ist überdieß -- ein arianischer
(also ketzerischer) Heiliger, der nur infolge der Unkritik des Baronius im
officiellen Calendarium der römischen Curie Aufnahme gefunden hat."





S. 90. Z> 25 v. o. lies "Inschrift befindet",
S. 92. Z. 16 v. u. "unten statt unter."



Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. - Druck von Hüthel 6, Herrmann in Leipzig.

meisten angeblichen Opfer der Verfolgungswuth dieses Kaisers sind entweder
in die Zeiten Diocletian's zurückzuverweisen oder mythische Persönlichkeiten,
Ausgeburten einer überreizten Phantasie, Erzeugnisse der Legende sowohl als
bewußter Erfindung. Unser Buch ist von Seite 104 bis Seite 220 eine
förmliche Massenhinrichtung solcher Trug- und Lügenbilder, deren von dem
Verfasser weit über vierhundert in ihr Nichts aufgelöst werden. Nur die
vierzig Soldaten, die man zu Schafte erfrieren ließ, weil sie ihren Christen¬
glauben nicht verleugnen wollten, sind echt, aber nicht der Kaiser, sondern
eine untergeordnete Behörde ließ sie sterben. Das Martyrium des Bischofs
Basileus von Amasia dagegen ist ein Mönchsschwindel. Die Märtyrerinnen
und Märtyrer Capitolina und Erotais von Kappadocien, Blasius von Schafte,
Gordius von Cäsarea, Gelasimus von Heliopolis und Mercurius von Leontini
werden ohne hinreichenden Grund mit der Licinianischen Verfolgung in Ver¬
bindung gebracht. Die 45 Märtyrer von Ntkopolis in Armenien sind durch¬
aus unhistorische Persönlichkeiten. Das Martyrium des Diaconus Ammon
und der 40 Jungfrauen, ein Gewirr haarsträubender Henkerscenen und abge¬
schmackter Mirakel, ist äußerst schwach beglaubigt und gehört keinenfalls in
die Zeit, in die es verlegt wird. Das Martyrium der Soldaten Acacius,
Carterius, Atticus, Slyraeius, Eudoxius, Tobias. Agapitus, Nikopolitanus
und ihrer Genossen beruht auf sehr mangelhafter Grundlage. Die Märtyrer
Makrobius, Gordtanus, Zoticus, Lucianus und Heli, sowie der Presbyter
Iulianus sind apokryphe Heilige. Dasselbe gilt von Sanct Donatus, von
Sanct Theodor von Heraklea und von Sanct Adrianus, der ein Sohn des
Kaisers Probus gewesen sein soll. Endlich, um Andere zu übergehen, sind
auch die 370 macedonischen Soldaten, die Licinius wegen ihres Glaubens
umgebracht haben soll, Fabel und nichts als Fabel. Ebenso steht es mit
mehreren der Bischöfe, die unter Licinius als Bekenner aufgetreten sein sollen,
und hier ist der katholischen Kirche ein recht komisches Quidproquo passtrt.
„Der Bischof Agapetus von Synnada in Phrygien steht zur Licinianischen
Verfolgung in gar keiner Beziehung und ist überdieß — ein arianischer
(also ketzerischer) Heiliger, der nur infolge der Unkritik des Baronius im
officiellen Calendarium der römischen Curie Aufnahme gefunden hat."





S. 90. Z> 25 v. o. lies „Inschrift befindet",
S. 92. Z. 16 v. u. „unten statt unter."



Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. - Druck von Hüthel 6, Herrmann in Leipzig.
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[0124] meisten angeblichen Opfer der Verfolgungswuth dieses Kaisers sind entweder in die Zeiten Diocletian's zurückzuverweisen oder mythische Persönlichkeiten, Ausgeburten einer überreizten Phantasie, Erzeugnisse der Legende sowohl als bewußter Erfindung. Unser Buch ist von Seite 104 bis Seite 220 eine förmliche Massenhinrichtung solcher Trug- und Lügenbilder, deren von dem Verfasser weit über vierhundert in ihr Nichts aufgelöst werden. Nur die vierzig Soldaten, die man zu Schafte erfrieren ließ, weil sie ihren Christen¬ glauben nicht verleugnen wollten, sind echt, aber nicht der Kaiser, sondern eine untergeordnete Behörde ließ sie sterben. Das Martyrium des Bischofs Basileus von Amasia dagegen ist ein Mönchsschwindel. Die Märtyrerinnen und Märtyrer Capitolina und Erotais von Kappadocien, Blasius von Schafte, Gordius von Cäsarea, Gelasimus von Heliopolis und Mercurius von Leontini werden ohne hinreichenden Grund mit der Licinianischen Verfolgung in Ver¬ bindung gebracht. Die 45 Märtyrer von Ntkopolis in Armenien sind durch¬ aus unhistorische Persönlichkeiten. Das Martyrium des Diaconus Ammon und der 40 Jungfrauen, ein Gewirr haarsträubender Henkerscenen und abge¬ schmackter Mirakel, ist äußerst schwach beglaubigt und gehört keinenfalls in die Zeit, in die es verlegt wird. Das Martyrium der Soldaten Acacius, Carterius, Atticus, Slyraeius, Eudoxius, Tobias. Agapitus, Nikopolitanus und ihrer Genossen beruht auf sehr mangelhafter Grundlage. Die Märtyrer Makrobius, Gordtanus, Zoticus, Lucianus und Heli, sowie der Presbyter Iulianus sind apokryphe Heilige. Dasselbe gilt von Sanct Donatus, von Sanct Theodor von Heraklea und von Sanct Adrianus, der ein Sohn des Kaisers Probus gewesen sein soll. Endlich, um Andere zu übergehen, sind auch die 370 macedonischen Soldaten, die Licinius wegen ihres Glaubens umgebracht haben soll, Fabel und nichts als Fabel. Ebenso steht es mit mehreren der Bischöfe, die unter Licinius als Bekenner aufgetreten sein sollen, und hier ist der katholischen Kirche ein recht komisches Quidproquo passtrt. „Der Bischof Agapetus von Synnada in Phrygien steht zur Licinianischen Verfolgung in gar keiner Beziehung und ist überdieß — ein arianischer (also ketzerischer) Heiliger, der nur infolge der Unkritik des Baronius im officiellen Calendarium der römischen Curie Aufnahme gefunden hat." S. 90. Z> 25 v. o. lies „Inschrift befindet", S. 92. Z. 16 v. u. „unten statt unter." Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. - Druck von Hüthel 6, Herrmann in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/124>, abgerufen am 23.11.2024.