Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.die Mehrheit verfügte: wußte doch der Hauptredner zu Gunsten des Schmid- Und in der That, der Erfolg hat gelehrt, welche Demüthigung ihnen die Mehrheit verfügte: wußte doch der Hauptredner zu Gunsten des Schmid- Und in der That, der Erfolg hat gelehrt, welche Demüthigung ihnen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135697"/> <p xml:id="ID_426" prev="#ID_425"> die Mehrheit verfügte: wußte doch der Hauptredner zu Gunsten des Schmid-<lb/> Sarwey'schen Antrags nichts als den Inhalt der Varnbüler'schen Brochüre<lb/> in die Welt hinauszurufen! — Um so unverantwortlicher war die Verblen¬<lb/> dung bei den übergetretenen Mitgliedern der deutschen Partei. Sie hätten<lb/> um jeden Preis — schon mit Rücksicht auf ihr künftiges politisches Verhalten<lb/> — die Verhandlung dieser Frage bis zu dem Votum des preußischen Land-<lb/> tags vertagen — oder wenn dieß nicht gelang, sich zur Zeit der Abstimmung<lb/> für einen der gestellten Anträge enthalten müssen (wie dieß von Seiten der<lb/> Herrn von Ow und von Beck geschah), um sich nicht in einer gänzlich un¬<lb/> klaren Situation zum voraus jede Rückzugslinie abzuschneiden.</p><lb/> <p xml:id="ID_427" next="#ID_428"> Und in der That, der Erfolg hat gelehrt, welche Demüthigung ihnen<lb/> zugedacht war. Es ist ein bekanntes Streben aller Regierungen, bekehrte<lb/> Gegner sofort auf eine möglichst exponirte Position zu stellen, damit sie in<lb/> ihrer neuen Stellung sich möglichst festrennen und in der Hitze des Kampfes<lb/> sich eine spätere Rückkehr zu ihren bisherigen Parteigenossen unmöglich machen.<lb/> So auch hier. Während von der Regierungspartet sich kein einziger Redner<lb/> zum Wort meldete, war die ganze Bekämpfung der Reichsregierung aus¬<lb/> schließlich jenen bisherigen Mitgliedern der deutschen Partei im Bunde mit<lb/> den Klerikalen und Demokraten überlassen, welche sich bei dieser Gelegenheit<lb/> gegenseitig mit Artigkeiten überschütteten und sichtbar Anknüpfungspunkte für<lb/> die Zukunft suchten. Namentlich der Reichstagsabgeordnete Schmid (solange<lb/> er Anwalt war, Mitglied der nationalliberalen Fraction, nachdem er aber<lb/> s. Hirth's Almanach: „in Folge seiner Thätigkeit in der II. Kammer" zum<lb/> Oberfinanzrath ernannt worden, zu der particularistischen Section der deut¬<lb/> schen Reichspartei übergetreten!) entledigte sich über alles Erwarten trefflich<lb/> der ihm zugedachten Aufgabe. Mit einer Heftigkeit, welche, wie der Beobachter<lb/> bemerkte, „nichts zu wünschen übrig ließ", und gegen welche die Redner der<lb/> Volkspartei und der Klerikalen höchst maßvoll erschienen, fiel er über die<lb/> Reichspolitik her und erinnerte dabei unwillkürlich an einen früheren Vorgang,<lb/> wo er in gleicher Weise gegen die Thatenlosigkeit der Reichstagsabgeordneten<lb/> donnerte. Um so mehr stach lhiergegen Elben's sachliche und gemäßigte<lb/> Rede zu Gunsten des Reichseisenbahnprojects ab. Ist doch Elben die erste<lb/> Autorität in Eisenbahnsachen im würde. Landtag und ebenso hochgeschätzt im<lb/> Reichstag: Niemand traut ihm Ueberstürzung oder einseitigen Parteifanatis¬<lb/> mus zu. Daß es nicht gelang, diesen Mann zu gewinnen, war allein schon eine<lb/> Niederlage für die Regierung, da das gewöhnliche Stimm — personal kleinstaat¬<lb/> licher Kammern nimmermehr durch seine Zahl in Berlin Eindruck zu machen<lb/> im Stande ist. Dazu kommt, daß auch der hervorragendste Etsenbahnfach-<lb/> mann der Regierung, der Generaldirector der Verkehrsanstalten das Vorgehen<lb/> der Reichsregierung mit ganz andern Augen betrachtet, als unsere Fanatiker</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0116]
die Mehrheit verfügte: wußte doch der Hauptredner zu Gunsten des Schmid-
Sarwey'schen Antrags nichts als den Inhalt der Varnbüler'schen Brochüre
in die Welt hinauszurufen! — Um so unverantwortlicher war die Verblen¬
dung bei den übergetretenen Mitgliedern der deutschen Partei. Sie hätten
um jeden Preis — schon mit Rücksicht auf ihr künftiges politisches Verhalten
— die Verhandlung dieser Frage bis zu dem Votum des preußischen Land-
tags vertagen — oder wenn dieß nicht gelang, sich zur Zeit der Abstimmung
für einen der gestellten Anträge enthalten müssen (wie dieß von Seiten der
Herrn von Ow und von Beck geschah), um sich nicht in einer gänzlich un¬
klaren Situation zum voraus jede Rückzugslinie abzuschneiden.
Und in der That, der Erfolg hat gelehrt, welche Demüthigung ihnen
zugedacht war. Es ist ein bekanntes Streben aller Regierungen, bekehrte
Gegner sofort auf eine möglichst exponirte Position zu stellen, damit sie in
ihrer neuen Stellung sich möglichst festrennen und in der Hitze des Kampfes
sich eine spätere Rückkehr zu ihren bisherigen Parteigenossen unmöglich machen.
So auch hier. Während von der Regierungspartet sich kein einziger Redner
zum Wort meldete, war die ganze Bekämpfung der Reichsregierung aus¬
schließlich jenen bisherigen Mitgliedern der deutschen Partei im Bunde mit
den Klerikalen und Demokraten überlassen, welche sich bei dieser Gelegenheit
gegenseitig mit Artigkeiten überschütteten und sichtbar Anknüpfungspunkte für
die Zukunft suchten. Namentlich der Reichstagsabgeordnete Schmid (solange
er Anwalt war, Mitglied der nationalliberalen Fraction, nachdem er aber
s. Hirth's Almanach: „in Folge seiner Thätigkeit in der II. Kammer" zum
Oberfinanzrath ernannt worden, zu der particularistischen Section der deut¬
schen Reichspartei übergetreten!) entledigte sich über alles Erwarten trefflich
der ihm zugedachten Aufgabe. Mit einer Heftigkeit, welche, wie der Beobachter
bemerkte, „nichts zu wünschen übrig ließ", und gegen welche die Redner der
Volkspartei und der Klerikalen höchst maßvoll erschienen, fiel er über die
Reichspolitik her und erinnerte dabei unwillkürlich an einen früheren Vorgang,
wo er in gleicher Weise gegen die Thatenlosigkeit der Reichstagsabgeordneten
donnerte. Um so mehr stach lhiergegen Elben's sachliche und gemäßigte
Rede zu Gunsten des Reichseisenbahnprojects ab. Ist doch Elben die erste
Autorität in Eisenbahnsachen im würde. Landtag und ebenso hochgeschätzt im
Reichstag: Niemand traut ihm Ueberstürzung oder einseitigen Parteifanatis¬
mus zu. Daß es nicht gelang, diesen Mann zu gewinnen, war allein schon eine
Niederlage für die Regierung, da das gewöhnliche Stimm — personal kleinstaat¬
licher Kammern nimmermehr durch seine Zahl in Berlin Eindruck zu machen
im Stande ist. Dazu kommt, daß auch der hervorragendste Etsenbahnfach-
mann der Regierung, der Generaldirector der Verkehrsanstalten das Vorgehen
der Reichsregierung mit ganz andern Augen betrachtet, als unsere Fanatiker
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