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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Haupt seltener zu werden; die Führer lernen offenbar mehr und mehr ihre
Leute behandeln und zusammenhalten, nach der bekannten Regel des Mannes,
der in der Kunst der rücksichtslosen Ausnutzung der Menschen sür seine
Zwecke der unerreichte Meister war: eiserne Hand in seidenem Handschuh.
Ueber Vieles, was in den intimsten Kreisen vorgeht, verlautet natürlich nichts
in der Presse, und schwerlich erfährt davon die Masse der Parteigenossen
Alles, geschweige wir Anderen. Aus den Erfolgen lassen sich jedoch Schlüsse
ziehen auf das Talent, die Menschenkenntniß, Unermüdlichkeit und Energie,
mit denen die Leiter zu Werke gehen. Im Königreiche Sachsen allein sollen
monatlich 1800 Mark für diese Zwecke verausgabt werden.

Die nächsten Wahlen werden das nur zu bündig bewei¬
sen! --

Fürst Bismarck betonte in seiner Rede vom 9. Februar, daß er es
für unrichtig halte, in Passivität zu verharren, und forderte auf, mehr da¬
gegen zu thun. Zum Ausgangspunkte diente ihm die sehr üble Lage, in der
sich seit drei Jahren Handel und Industrie befinden, welche er theilweise der
socialdemokratischen Aufwiegelung schuldgiebt. Deren Presse wirke im Dun¬
keln, nur beim Lichte einer Blendlaterne, habe ihre Verbreitung vorzugsweise
unter Leuten von wenig Bildung und Urtheil, die außer Stande sind, Irr¬
thümer und Lügen, welche man ihnen aufbindet, als solche zu erkennen.
Diese Presse habe beim gemeinen Manne, der mit Recht seine Lage für un¬
angenehm halte, leichtes Spiel, indem sie ihn glauben mache, daß er durch
weniger Arbeit und eine Anweisung auf das Vermögen seiner Mitbürger
dieser Lage dauernd abhelfen könne. "Diese Umtriebe haben wesentlich mit
dazu beigetragen, den geschäftlichen Druck zu schaffen. . . . Sie haben die deut¬
sche Arbeit vertheuert und vermindert, denn der deutsche Arbeiter leistet bet
gleichem Lohn weniger als der englische und französische, dieser arbeitet mehr
und geschickter. Dadurch sind wir zurückgekommen und concurrenzunfähig ge¬
worden. . . . Deshalb klage ich die Führer an, daß sie an der Noth des Ar¬
beiterstandes wesentlich mit schuld sind. . . . Dauern diese Zustände fort, so
gehen wir der Verarmung entgegen. ...Einstweilen würde es
vielleicht schon etwas helfen, wenn wir den Uebeln mit Mitteln, die vom
Strafrichter unabhängig sind, fest entgegentreten. Mit Tadel und Belehrung
von der Schule ab und von Verbesserung der Schuleinrichtungen verspreche
ich mir eine Reaction gegen diese Umtriebe, und namentlich von einer
Verbesserung der Provinzialpresse, die auf die kleinen Leute
wirkt". .. . Es sei unrichtig, daß wir die socialdemokratischen Lehren schon
an den Schuhen abgetreten haben. Im Socialismus sei viel Neues hervor¬
getreten, das zu wenig beobachtet, studirt, nur vom Hörensagen beurtheilt
werde. "Ich bekenne sür mich selbst gern,... mir kann noch viel Aufklärung


Haupt seltener zu werden; die Führer lernen offenbar mehr und mehr ihre
Leute behandeln und zusammenhalten, nach der bekannten Regel des Mannes,
der in der Kunst der rücksichtslosen Ausnutzung der Menschen sür seine
Zwecke der unerreichte Meister war: eiserne Hand in seidenem Handschuh.
Ueber Vieles, was in den intimsten Kreisen vorgeht, verlautet natürlich nichts
in der Presse, und schwerlich erfährt davon die Masse der Parteigenossen
Alles, geschweige wir Anderen. Aus den Erfolgen lassen sich jedoch Schlüsse
ziehen auf das Talent, die Menschenkenntniß, Unermüdlichkeit und Energie,
mit denen die Leiter zu Werke gehen. Im Königreiche Sachsen allein sollen
monatlich 1800 Mark für diese Zwecke verausgabt werden.

Die nächsten Wahlen werden das nur zu bündig bewei¬
sen! —

Fürst Bismarck betonte in seiner Rede vom 9. Februar, daß er es
für unrichtig halte, in Passivität zu verharren, und forderte auf, mehr da¬
gegen zu thun. Zum Ausgangspunkte diente ihm die sehr üble Lage, in der
sich seit drei Jahren Handel und Industrie befinden, welche er theilweise der
socialdemokratischen Aufwiegelung schuldgiebt. Deren Presse wirke im Dun¬
keln, nur beim Lichte einer Blendlaterne, habe ihre Verbreitung vorzugsweise
unter Leuten von wenig Bildung und Urtheil, die außer Stande sind, Irr¬
thümer und Lügen, welche man ihnen aufbindet, als solche zu erkennen.
Diese Presse habe beim gemeinen Manne, der mit Recht seine Lage für un¬
angenehm halte, leichtes Spiel, indem sie ihn glauben mache, daß er durch
weniger Arbeit und eine Anweisung auf das Vermögen seiner Mitbürger
dieser Lage dauernd abhelfen könne. „Diese Umtriebe haben wesentlich mit
dazu beigetragen, den geschäftlichen Druck zu schaffen. . . . Sie haben die deut¬
sche Arbeit vertheuert und vermindert, denn der deutsche Arbeiter leistet bet
gleichem Lohn weniger als der englische und französische, dieser arbeitet mehr
und geschickter. Dadurch sind wir zurückgekommen und concurrenzunfähig ge¬
worden. . . . Deshalb klage ich die Führer an, daß sie an der Noth des Ar¬
beiterstandes wesentlich mit schuld sind. . . . Dauern diese Zustände fort, so
gehen wir der Verarmung entgegen. ...Einstweilen würde es
vielleicht schon etwas helfen, wenn wir den Uebeln mit Mitteln, die vom
Strafrichter unabhängig sind, fest entgegentreten. Mit Tadel und Belehrung
von der Schule ab und von Verbesserung der Schuleinrichtungen verspreche
ich mir eine Reaction gegen diese Umtriebe, und namentlich von einer
Verbesserung der Provinzialpresse, die auf die kleinen Leute
wirkt". .. . Es sei unrichtig, daß wir die socialdemokratischen Lehren schon
an den Schuhen abgetreten haben. Im Socialismus sei viel Neues hervor¬
getreten, das zu wenig beobachtet, studirt, nur vom Hörensagen beurtheilt
werde. „Ich bekenne sür mich selbst gern,... mir kann noch viel Aufklärung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/100>, abgerufen am 27.11.2024.