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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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nur gering. Unermeßlich war dagegen die Beute. Denn der Reichthum
und die üppige Pracht der burgundischen Feldausrüstung übersteigt jeden
Begriff. Der reiche Fugger hatte Recht, als er in Bezug auf Grandson
sagte: "Nicht der schöne Aermel, sondern der starke Arm schlägt den Feind!"--
Louis XI. konnte sich nicht satt hören an den Schilderungen, mit welch
dummem Staunen die wilden Bauern jene kostbaren ,,ba^usf", alle die
Schätze des herzoglichen Lagers begafft und verschleudert. Die Schweizer
maßen das Geld in Hüten und hatten die barbarische Laune, die edelsten
Stoffe zu zerschneiden, um sie unter sich zu theilen. Unglaublichen Werth
hatten die Zierrathen der fürstlichen Feldkapelle; doch noch reicher erschien
das silberne Tafelgeräth, das mehr als 4 Ctr. wog; Karl's goldener Stuhl
wurde allein auf 11,000 Gulden geschätzt; sein goldenes Jnsiegel wog ein
Pfund ; sein Prachtschwert war mit den auserlesensten Steinen und Is Niesen¬
perlen besetzt; seine wunderbare Bibliothek hatte ihres Gleichen nicht; seinen
juwelenbedeckten Hut kaufte später ein Fugger um 47,000 Gulden, und euro¬
päische Berühmtheit erhielten die hier erbeuteten herrlichen Diamanten, an
Größe und Reinheit damals einzig in Europa. Den schönsten von ihnen
verkaufte ein Schweizer für einen Thaler; zuletzt sind sie durch Kauf und
Verkauf in die päpstliche und die französische Krone gekommen. Kostbar
waren auch die Gobelins, mit denen die Zelte nicht nur des Herzogs, sondern
auch sehr vieler anderer Herren innen bekleidet gewesen; fanden sich doch
allein 400 Zelte mit Seidenausschlag vor, zu deren nächtlicher Beleuchtung
schön gearbeitete Glas-Kugeln dienten. Und doch wurde alle diese Beute
fast noch überboten durch diejenige an Waffen. Allein 419 Feuerschlünde
wurden genommen, darunter auch Orgelgeschütze, Kunstwerke neuester Er¬
findung; dazu kamen 1000 Pferde und 800 Wagen, 800 Hakenbüchsen,
300 Tonnen Pulver, 4000 große bleiausgegossene Streitkolben, wie sie die
Bogenschützen zu brauchen pflegten, um den Pfeilverwundeten Eisenhut und
Schädel zugleich zu zertrümmern -- endlich 27 Banner und 600 Fähnlein *),
welche später in den hündischen Kirchen aufgehängt wurden. Auch ein Buch,
"des burgundischen Heeres Ordnung" enthaltend, soll in die Hände der
Sieger gefallen sein.

Die Freude an dieser ungeheueren Beute und die nicht geringe Schwierig¬
kett ihrer Vertheilung trug übrigens nicht wenig dazu bei, daß die Eid¬
genossen ihren Sieg sehr mangelhaft ausbeuteten. Sie waren so anauf¬
merksam, daß ihnen sogar die burgundische Besatzung von Vauxmareus
entrinnen konnte. Zu deren Heil! Denn vor Grandson fanden die Eid-
genossen die Leichen ihrer Landsleute noch frisch an den Bäumen vor dem



') v. Note n. a. O.

nur gering. Unermeßlich war dagegen die Beute. Denn der Reichthum
und die üppige Pracht der burgundischen Feldausrüstung übersteigt jeden
Begriff. Der reiche Fugger hatte Recht, als er in Bezug auf Grandson
sagte: „Nicht der schöne Aermel, sondern der starke Arm schlägt den Feind!"—
Louis XI. konnte sich nicht satt hören an den Schilderungen, mit welch
dummem Staunen die wilden Bauern jene kostbaren ,,ba^usf", alle die
Schätze des herzoglichen Lagers begafft und verschleudert. Die Schweizer
maßen das Geld in Hüten und hatten die barbarische Laune, die edelsten
Stoffe zu zerschneiden, um sie unter sich zu theilen. Unglaublichen Werth
hatten die Zierrathen der fürstlichen Feldkapelle; doch noch reicher erschien
das silberne Tafelgeräth, das mehr als 4 Ctr. wog; Karl's goldener Stuhl
wurde allein auf 11,000 Gulden geschätzt; sein goldenes Jnsiegel wog ein
Pfund ; sein Prachtschwert war mit den auserlesensten Steinen und Is Niesen¬
perlen besetzt; seine wunderbare Bibliothek hatte ihres Gleichen nicht; seinen
juwelenbedeckten Hut kaufte später ein Fugger um 47,000 Gulden, und euro¬
päische Berühmtheit erhielten die hier erbeuteten herrlichen Diamanten, an
Größe und Reinheit damals einzig in Europa. Den schönsten von ihnen
verkaufte ein Schweizer für einen Thaler; zuletzt sind sie durch Kauf und
Verkauf in die päpstliche und die französische Krone gekommen. Kostbar
waren auch die Gobelins, mit denen die Zelte nicht nur des Herzogs, sondern
auch sehr vieler anderer Herren innen bekleidet gewesen; fanden sich doch
allein 400 Zelte mit Seidenausschlag vor, zu deren nächtlicher Beleuchtung
schön gearbeitete Glas-Kugeln dienten. Und doch wurde alle diese Beute
fast noch überboten durch diejenige an Waffen. Allein 419 Feuerschlünde
wurden genommen, darunter auch Orgelgeschütze, Kunstwerke neuester Er¬
findung; dazu kamen 1000 Pferde und 800 Wagen, 800 Hakenbüchsen,
300 Tonnen Pulver, 4000 große bleiausgegossene Streitkolben, wie sie die
Bogenschützen zu brauchen pflegten, um den Pfeilverwundeten Eisenhut und
Schädel zugleich zu zertrümmern — endlich 27 Banner und 600 Fähnlein *),
welche später in den hündischen Kirchen aufgehängt wurden. Auch ein Buch,
„des burgundischen Heeres Ordnung" enthaltend, soll in die Hände der
Sieger gefallen sein.

Die Freude an dieser ungeheueren Beute und die nicht geringe Schwierig¬
kett ihrer Vertheilung trug übrigens nicht wenig dazu bei, daß die Eid¬
genossen ihren Sieg sehr mangelhaft ausbeuteten. Sie waren so anauf¬
merksam, daß ihnen sogar die burgundische Besatzung von Vauxmareus
entrinnen konnte. Zu deren Heil! Denn vor Grandson fanden die Eid-
genossen die Leichen ihrer Landsleute noch frisch an den Bäumen vor dem



') v. Note n. a. O.
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[0061] nur gering. Unermeßlich war dagegen die Beute. Denn der Reichthum und die üppige Pracht der burgundischen Feldausrüstung übersteigt jeden Begriff. Der reiche Fugger hatte Recht, als er in Bezug auf Grandson sagte: „Nicht der schöne Aermel, sondern der starke Arm schlägt den Feind!"— Louis XI. konnte sich nicht satt hören an den Schilderungen, mit welch dummem Staunen die wilden Bauern jene kostbaren ,,ba^usf", alle die Schätze des herzoglichen Lagers begafft und verschleudert. Die Schweizer maßen das Geld in Hüten und hatten die barbarische Laune, die edelsten Stoffe zu zerschneiden, um sie unter sich zu theilen. Unglaublichen Werth hatten die Zierrathen der fürstlichen Feldkapelle; doch noch reicher erschien das silberne Tafelgeräth, das mehr als 4 Ctr. wog; Karl's goldener Stuhl wurde allein auf 11,000 Gulden geschätzt; sein goldenes Jnsiegel wog ein Pfund ; sein Prachtschwert war mit den auserlesensten Steinen und Is Niesen¬ perlen besetzt; seine wunderbare Bibliothek hatte ihres Gleichen nicht; seinen juwelenbedeckten Hut kaufte später ein Fugger um 47,000 Gulden, und euro¬ päische Berühmtheit erhielten die hier erbeuteten herrlichen Diamanten, an Größe und Reinheit damals einzig in Europa. Den schönsten von ihnen verkaufte ein Schweizer für einen Thaler; zuletzt sind sie durch Kauf und Verkauf in die päpstliche und die französische Krone gekommen. Kostbar waren auch die Gobelins, mit denen die Zelte nicht nur des Herzogs, sondern auch sehr vieler anderer Herren innen bekleidet gewesen; fanden sich doch allein 400 Zelte mit Seidenausschlag vor, zu deren nächtlicher Beleuchtung schön gearbeitete Glas-Kugeln dienten. Und doch wurde alle diese Beute fast noch überboten durch diejenige an Waffen. Allein 419 Feuerschlünde wurden genommen, darunter auch Orgelgeschütze, Kunstwerke neuester Er¬ findung; dazu kamen 1000 Pferde und 800 Wagen, 800 Hakenbüchsen, 300 Tonnen Pulver, 4000 große bleiausgegossene Streitkolben, wie sie die Bogenschützen zu brauchen pflegten, um den Pfeilverwundeten Eisenhut und Schädel zugleich zu zertrümmern — endlich 27 Banner und 600 Fähnlein *), welche später in den hündischen Kirchen aufgehängt wurden. Auch ein Buch, „des burgundischen Heeres Ordnung" enthaltend, soll in die Hände der Sieger gefallen sein. Die Freude an dieser ungeheueren Beute und die nicht geringe Schwierig¬ kett ihrer Vertheilung trug übrigens nicht wenig dazu bei, daß die Eid¬ genossen ihren Sieg sehr mangelhaft ausbeuteten. Sie waren so anauf¬ merksam, daß ihnen sogar die burgundische Besatzung von Vauxmareus entrinnen konnte. Zu deren Heil! Denn vor Grandson fanden die Eid- genossen die Leichen ihrer Landsleute noch frisch an den Bäumen vor dem ') v. Note n. a. O.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/61>, abgerufen am 22.07.2024.