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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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vorgegangen. Die schwache Besatzung des dortigen thalsperrenden Schlößchens,
welche Jean de NeuchiUel befehligte, hatte eapitulirt, und der Herzog hatte den
Platz mit 4 bis 5 Hundert Mann seiner Leibgarde besetzt. Als die Ver¬
bündeten dies durch die entlassene Besatzung erfuhren, schlug der Luzerner
Hauptmann Haßfurter vor, man solle am nächsten Tage bis Vauxmarcus
vorgehen und dies angreifen; dadurch werde man aller Wahrscheinlichkeit
nach Karl bewegen, das Lager zu verlassen und sich so seines Vortheils zu
begeben, um das Detachement seiner Garde zu entsetzen. Der Vorschlag wurde
angenommen*); er war. wohl ersonnen; doch noch bevor er zur Ausführung
kam, verließ Herzog Karl bereits sein festes Lager ohne irgend eine erkennbare
Nöthigung ganz von selbst.

Nachdem der Herzog nämlich erfahren, daß die Eidgenossen bei NeuchKtel
ihr Heer sammelten, hatte er mit den Seinen Raths gepflogen, ob die Unter¬
werfung der Schweiz leichter durch Verheerung des offenen Landes oder durch
Zerstörung von Bern und Freiburg zu erlangen sei, und hatte sich endlich
für das Letztere entschieden. Er gedachte über NeuckMel und Aarberg auf
Bern zu marschieren, und dabei erschien dann eine Hauptschlacht unvermeidlich.
Vergeblich hatten einige der der kundigsten und erfahrensten Kriegsobersten
dem Herzoge von einem Vormarsche abgerathen, der ihn möglicherweise mit
seinem schwergerüsteten, wenig beweglichen Heere im Defilee in die Schlacht
verwickelte. Man hatte ihn an Morgarten erinnert und darauf hingewiesen,
daß die Schweizer zu arm seien, um lange beisammen bleiben zu können, daß
sie deshalb, wenn er nicht vorginge, gezwungen wären, ihn in seiner formi-
dablen Position anzugreifen -- "olos Ah so" Artillerie et partie ä'un lac,
et u'^ avoit nulle axxarence, "M'ils lui eussent s^en porter äowmage."^)
Im höchsten Unwillen hatte Karl diesen vorsichtigen Rath verworfen und
seinen festen Entschluß erklärt, durch das neuenburgische nach Bern vorzu¬
dringen; wann und wo die Schweizer ihm entgegentreten wollten, das sei
ihre Sache. Uebrigens werde er am 2. März selbst nur bis Vauxmarcus
vorgehen, ja das Heer nicht einmal so weit; vielmehr solle für dies auf einer
Hügelebene noch diesseits des Engpasses ein Lager abgesteckt werden. Was
Karl sich dabei dachte, so nah am Feinde ein wohlbefestigtes Lager aufzu¬
geben und ein neues unbefestigtes, kaum eine Meile weit vorwärts gelegenes
zu beziehen, das ist allerdings unerfindlich.^*)

So setzten sich also am Morgen des 2. März beide Heere in Bewegung.





Schilling u. Etterlin, sowie Freiburger Chronik bei Rott.
"
) PH. de Commes.
Die Insinuation du Bois', daß es den Burgundern bei Grandson an Lebensmitteln
gefehlt habe, wird durch seinen Chronisten bestätigt, und was sollte dem gegenüber auch ein
Weitermarsch von einer Meile nützen? David Baillot sagt allerdings "I.s ctuv M pro- "

vorgegangen. Die schwache Besatzung des dortigen thalsperrenden Schlößchens,
welche Jean de NeuchiUel befehligte, hatte eapitulirt, und der Herzog hatte den
Platz mit 4 bis 5 Hundert Mann seiner Leibgarde besetzt. Als die Ver¬
bündeten dies durch die entlassene Besatzung erfuhren, schlug der Luzerner
Hauptmann Haßfurter vor, man solle am nächsten Tage bis Vauxmarcus
vorgehen und dies angreifen; dadurch werde man aller Wahrscheinlichkeit
nach Karl bewegen, das Lager zu verlassen und sich so seines Vortheils zu
begeben, um das Detachement seiner Garde zu entsetzen. Der Vorschlag wurde
angenommen*); er war. wohl ersonnen; doch noch bevor er zur Ausführung
kam, verließ Herzog Karl bereits sein festes Lager ohne irgend eine erkennbare
Nöthigung ganz von selbst.

Nachdem der Herzog nämlich erfahren, daß die Eidgenossen bei NeuchKtel
ihr Heer sammelten, hatte er mit den Seinen Raths gepflogen, ob die Unter¬
werfung der Schweiz leichter durch Verheerung des offenen Landes oder durch
Zerstörung von Bern und Freiburg zu erlangen sei, und hatte sich endlich
für das Letztere entschieden. Er gedachte über NeuckMel und Aarberg auf
Bern zu marschieren, und dabei erschien dann eine Hauptschlacht unvermeidlich.
Vergeblich hatten einige der der kundigsten und erfahrensten Kriegsobersten
dem Herzoge von einem Vormarsche abgerathen, der ihn möglicherweise mit
seinem schwergerüsteten, wenig beweglichen Heere im Defilee in die Schlacht
verwickelte. Man hatte ihn an Morgarten erinnert und darauf hingewiesen,
daß die Schweizer zu arm seien, um lange beisammen bleiben zu können, daß
sie deshalb, wenn er nicht vorginge, gezwungen wären, ihn in seiner formi-
dablen Position anzugreifen — „olos Ah so» Artillerie et partie ä'un lac,
et u'^ avoit nulle axxarence, «M'ils lui eussent s^en porter äowmage."^)
Im höchsten Unwillen hatte Karl diesen vorsichtigen Rath verworfen und
seinen festen Entschluß erklärt, durch das neuenburgische nach Bern vorzu¬
dringen; wann und wo die Schweizer ihm entgegentreten wollten, das sei
ihre Sache. Uebrigens werde er am 2. März selbst nur bis Vauxmarcus
vorgehen, ja das Heer nicht einmal so weit; vielmehr solle für dies auf einer
Hügelebene noch diesseits des Engpasses ein Lager abgesteckt werden. Was
Karl sich dabei dachte, so nah am Feinde ein wohlbefestigtes Lager aufzu¬
geben und ein neues unbefestigtes, kaum eine Meile weit vorwärts gelegenes
zu beziehen, das ist allerdings unerfindlich.^*)

So setzten sich also am Morgen des 2. März beide Heere in Bewegung.





Schilling u. Etterlin, sowie Freiburger Chronik bei Rott.
"
) PH. de Commes.
Die Insinuation du Bois', daß es den Burgundern bei Grandson an Lebensmitteln
gefehlt habe, wird durch seinen Chronisten bestätigt, und was sollte dem gegenüber auch ein
Weitermarsch von einer Meile nützen? David Baillot sagt allerdings „I.s ctuv M pro- »
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/55>, abgerufen am 25.08.2024.