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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Arbeit, die schwerlich so- bald zu auszuführen wäre und schließlich nicht ent¬
scheidet. Wie man im Jahre 1834 nach den Bedürfnissen von damals frug,
wie man nach ihnen sich richtete, soll man es auch heute thun. Gestatteten
die Verhältnisse der Gegenwart nicht an die Bildung eines Verwaltungsge¬
richtshofes zu denken, müßte sie natürlich ebenso wie vor vierzig Jahren unter-
bleiben. Inzwischen ist zu beachten, wie durchaus verschieden die Dinge gegen¬
wärtig liegen. Damals wäre Sachsen das erste deutsche Land gewesen, das
einen Verwaltungsgerichtshof schuf: heute sind die öffentlichen Gerichtshöfe
eine Forderung des Tages. Nachdem Baden schon vor Jahren voran ge¬
gangen, ist Preußen gefolgt; Hessen hatte kurz vorher seinen Administrativ¬
justizhof in einen Verwaltungsgerichtshof umgewandelt. Von den kleinen
Ländern besitzt Meiningen schon einen Verwaltungsgerichtshof, Anhalt ist im
Begriffe die Bildung desselben vorzubereiten. Elsaß-Lothringen hat noch im
Jahre 1871 den kaiserlichen Rath als Ersatz für den Staatsrath erhalten.
In Bayern war der Abschluß der Verwaltungsgerichtsordnung Ende der
sechsziger Jahre so gut wie erreicht, als im letzten Augenblicke Hindernisse
dazwischentraten, die bet der allgemeinen Lage der Dinge in Bayern die Sache
des Verwaltungsgerichtshofes bis zur Stunde hintangehalten haben. In
Württemberg wird seit Jahren von der Errichtung eines Verwaltungsgerichts¬
hofes gesprochen, sie dürfte von der nächsten Zukunft zu erwarten sein. Der
Reichsverwaltungsgerichtshof endlich, die Fortentwickelung des Bundesheimaths-
amtes, gehört zu den zahlreichen Wünschen, die das Reich erst erfüllen
soll; doch wird die Erfüllung dieses Wunsches nach dem Jnslebentreten des
Reichsgerichtes schwerlich lange ausbleiben. Ueberzeugen sich die Länder,
deren Widerstreben das bisherige Nichtzustandekommen eines Reichsver-
waltungsgertchtes hauptsächlich zuzuschreiben ist, nur erst, welchen Halt ihnen
gerade der Gerichtshof zu gewähren vermag, so werden sie rasch aus Gegnern
zu lebhaften Vertretern der Neubildung werden.

Ein Verwaltungsgerichtshof ist in sehr verschiedener Weise zu denken.
Für Sachsen ist außer Frage, daß der Gerichtshof die Oberinstanz, aber auch
die wirkliche Oberinstanz bildet. Die Hauptneuerung, vom Namen abgesehen,
werden die Zusammensetzung des Gerichtshofes und sein Verfahren betreffen.
Es ist nicht wahrscheinlich, daß von der Betheiligung der bürgerlichen Richter
abgegangen wird, die beim Bundesheimathsamt und bei den preußischen Ver¬
waltungsgerichten vorbildlich gedient zu haben scheint. Wesentlich ist zunächst
auch nur die Ablösung des Verwaltungsgerichtshofes vom Ministerium oder
vielmehr vom Minister des Innern, der wie sein Amtsgenosse in Berlin sich
freuen dürfte eines und eines besonders mißlichen Theiles seiner Verantwort¬
lichkeit ledig zu werden. Die nebenamtliche Besetzung aller oder der Mehrzahl
der Richterstellen wird sich von selbst ergeben, wenn namentlich, worüber wohl


Arbeit, die schwerlich so- bald zu auszuführen wäre und schließlich nicht ent¬
scheidet. Wie man im Jahre 1834 nach den Bedürfnissen von damals frug,
wie man nach ihnen sich richtete, soll man es auch heute thun. Gestatteten
die Verhältnisse der Gegenwart nicht an die Bildung eines Verwaltungsge¬
richtshofes zu denken, müßte sie natürlich ebenso wie vor vierzig Jahren unter-
bleiben. Inzwischen ist zu beachten, wie durchaus verschieden die Dinge gegen¬
wärtig liegen. Damals wäre Sachsen das erste deutsche Land gewesen, das
einen Verwaltungsgerichtshof schuf: heute sind die öffentlichen Gerichtshöfe
eine Forderung des Tages. Nachdem Baden schon vor Jahren voran ge¬
gangen, ist Preußen gefolgt; Hessen hatte kurz vorher seinen Administrativ¬
justizhof in einen Verwaltungsgerichtshof umgewandelt. Von den kleinen
Ländern besitzt Meiningen schon einen Verwaltungsgerichtshof, Anhalt ist im
Begriffe die Bildung desselben vorzubereiten. Elsaß-Lothringen hat noch im
Jahre 1871 den kaiserlichen Rath als Ersatz für den Staatsrath erhalten.
In Bayern war der Abschluß der Verwaltungsgerichtsordnung Ende der
sechsziger Jahre so gut wie erreicht, als im letzten Augenblicke Hindernisse
dazwischentraten, die bet der allgemeinen Lage der Dinge in Bayern die Sache
des Verwaltungsgerichtshofes bis zur Stunde hintangehalten haben. In
Württemberg wird seit Jahren von der Errichtung eines Verwaltungsgerichts¬
hofes gesprochen, sie dürfte von der nächsten Zukunft zu erwarten sein. Der
Reichsverwaltungsgerichtshof endlich, die Fortentwickelung des Bundesheimaths-
amtes, gehört zu den zahlreichen Wünschen, die das Reich erst erfüllen
soll; doch wird die Erfüllung dieses Wunsches nach dem Jnslebentreten des
Reichsgerichtes schwerlich lange ausbleiben. Ueberzeugen sich die Länder,
deren Widerstreben das bisherige Nichtzustandekommen eines Reichsver-
waltungsgertchtes hauptsächlich zuzuschreiben ist, nur erst, welchen Halt ihnen
gerade der Gerichtshof zu gewähren vermag, so werden sie rasch aus Gegnern
zu lebhaften Vertretern der Neubildung werden.

Ein Verwaltungsgerichtshof ist in sehr verschiedener Weise zu denken.
Für Sachsen ist außer Frage, daß der Gerichtshof die Oberinstanz, aber auch
die wirkliche Oberinstanz bildet. Die Hauptneuerung, vom Namen abgesehen,
werden die Zusammensetzung des Gerichtshofes und sein Verfahren betreffen.
Es ist nicht wahrscheinlich, daß von der Betheiligung der bürgerlichen Richter
abgegangen wird, die beim Bundesheimathsamt und bei den preußischen Ver¬
waltungsgerichten vorbildlich gedient zu haben scheint. Wesentlich ist zunächst
auch nur die Ablösung des Verwaltungsgerichtshofes vom Ministerium oder
vielmehr vom Minister des Innern, der wie sein Amtsgenosse in Berlin sich
freuen dürfte eines und eines besonders mißlichen Theiles seiner Verantwort¬
lichkeit ledig zu werden. Die nebenamtliche Besetzung aller oder der Mehrzahl
der Richterstellen wird sich von selbst ergeben, wenn namentlich, worüber wohl


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/511>, abgerufen am 03.07.2024.