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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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nur die Juden konnten die Erlaubniß für 2 Thaler pro Tag und Nacht,
ganz wie in Weimar erhalten. -- Für 13 prachtvolle Hofschlitten auf 110
Thaler 12 Groschen taxirt, wurden mehr als 80 Thaler nicht geboten; es war
also schwerlich an die Erzielung einer leidlichen Summe zu denken, wenn Ernst
August auf dem betretnen Wege fortfahren wollte. Dazu kam, daß er ver¬
traute Diener der Herzogin in nächtlicher Weile arretiren und sie mit ver¬
bundenem Munde nach Weimar transportiren ließ, während man die Anträge
der Berliner Abgeordneten einfach g,ä s,ela, nahm, und sie nicht mit der
Aufmerksamkeit behandelte, welche der König von Preußen als Testaments¬
vollstrecker verlangte. Besonders der Schloßhauptmann hatte stets die ange¬
nehme Aufgabe, im Sinne Ernst August's an die nicht in Gnaden Stehenden
scharfe Aufträge auszurichten. Dabei schrieb Ernst August: Gebräuchen
Sie überhaupt mehr narciissse, gehen Sie lieber etwas zu weit, verfahren sie
nicht zu gelinde, weil ich alsdann alle Mal wieder nachgeben kann. Ernst
August beharrte darauf, daß die Wittwe das stipulirte Heirathsgut nicht ein¬
gebracht, also auch die Garantie für die Gewährung eines Witthums nicht
gegeben werden könne. Im Gegentheil, er verhinderte die Abfuhr ihrer eignen
Effecten, als sie Miene machte, das Schloß Altstedt gegen Eisenach zu
vertauschen. -- "Wir sagen Euch dem Geh. Rath Präsidenten und Euch
Dienern allseits die ihr noch einen redlichen Blutstropfen habt, wacht, daß
wir den Vogel nicht aus dem Bauer lassen, er kommt gewiß nicht wieder
hinein. Derowegen streckt eure Köpfe daran, daß es zu Ende komme, denn
wir Schackern am Ende nicht, zumal wir nun ohne dem bei acht Tagen uns
nicht wohl befinden. Wir sind der Advocatenstreiche satt, bringt zur Execu-
tion, was wir befehlen, sonsten wir trotz Eurer Excurse, daß dies und jenes
in einem andern Lande nicht practicabel sei, dem nächstens selbst abhelfen
werden. Uns kommts vor, als wenn ein gedienter General ein uraltes Phi¬
lister-Regiment erbte und wollte es zu einem tüchtigen Feldregimente machen.
Ich habe diese verdrießliche Affaire von Herzen satt, ich wollte lieber auf einer
Feldmeisterei wohnen, als mich mit einem aufgehängten wüsten Lande und
mit allerhand verderbten Gemüthern Plagen, die den Schlendrian sich zu ihrem
eignen Schaden angewöhnt haben. -- Lassen Sie doch die beiden Herrn
Preußen in einem Lande nicht so nach eigenem Gefallen schalten, denn ich
brauche keine Puzemänner; ich kann gar nicht leugnen, daß man sich in Gotha
und andern Orts*), wo man die spsemlig, genau kennt, damit schon recht¬
schaffen gekitzelt, ich bin aber bereits in den Jahren, daß ich weder Lsguestkr
noch Obervormünder brauche".

Die Geduld Friedrich's II. war erschöpft; er versicherte in einem gemessnen
Handschreiben, der Herzogin ihr Recht und sich zugleich für die von seiner



") Wahrscheinlich auch in Meiningen, auf das Ernst August noch weniger gut zu sprechen war.

nur die Juden konnten die Erlaubniß für 2 Thaler pro Tag und Nacht,
ganz wie in Weimar erhalten. — Für 13 prachtvolle Hofschlitten auf 110
Thaler 12 Groschen taxirt, wurden mehr als 80 Thaler nicht geboten; es war
also schwerlich an die Erzielung einer leidlichen Summe zu denken, wenn Ernst
August auf dem betretnen Wege fortfahren wollte. Dazu kam, daß er ver¬
traute Diener der Herzogin in nächtlicher Weile arretiren und sie mit ver¬
bundenem Munde nach Weimar transportiren ließ, während man die Anträge
der Berliner Abgeordneten einfach g,ä s,ela, nahm, und sie nicht mit der
Aufmerksamkeit behandelte, welche der König von Preußen als Testaments¬
vollstrecker verlangte. Besonders der Schloßhauptmann hatte stets die ange¬
nehme Aufgabe, im Sinne Ernst August's an die nicht in Gnaden Stehenden
scharfe Aufträge auszurichten. Dabei schrieb Ernst August: Gebräuchen
Sie überhaupt mehr narciissse, gehen Sie lieber etwas zu weit, verfahren sie
nicht zu gelinde, weil ich alsdann alle Mal wieder nachgeben kann. Ernst
August beharrte darauf, daß die Wittwe das stipulirte Heirathsgut nicht ein¬
gebracht, also auch die Garantie für die Gewährung eines Witthums nicht
gegeben werden könne. Im Gegentheil, er verhinderte die Abfuhr ihrer eignen
Effecten, als sie Miene machte, das Schloß Altstedt gegen Eisenach zu
vertauschen. — „Wir sagen Euch dem Geh. Rath Präsidenten und Euch
Dienern allseits die ihr noch einen redlichen Blutstropfen habt, wacht, daß
wir den Vogel nicht aus dem Bauer lassen, er kommt gewiß nicht wieder
hinein. Derowegen streckt eure Köpfe daran, daß es zu Ende komme, denn
wir Schackern am Ende nicht, zumal wir nun ohne dem bei acht Tagen uns
nicht wohl befinden. Wir sind der Advocatenstreiche satt, bringt zur Execu-
tion, was wir befehlen, sonsten wir trotz Eurer Excurse, daß dies und jenes
in einem andern Lande nicht practicabel sei, dem nächstens selbst abhelfen
werden. Uns kommts vor, als wenn ein gedienter General ein uraltes Phi¬
lister-Regiment erbte und wollte es zu einem tüchtigen Feldregimente machen.
Ich habe diese verdrießliche Affaire von Herzen satt, ich wollte lieber auf einer
Feldmeisterei wohnen, als mich mit einem aufgehängten wüsten Lande und
mit allerhand verderbten Gemüthern Plagen, die den Schlendrian sich zu ihrem
eignen Schaden angewöhnt haben. — Lassen Sie doch die beiden Herrn
Preußen in einem Lande nicht so nach eigenem Gefallen schalten, denn ich
brauche keine Puzemänner; ich kann gar nicht leugnen, daß man sich in Gotha
und andern Orts*), wo man die spsemlig, genau kennt, damit schon recht¬
schaffen gekitzelt, ich bin aber bereits in den Jahren, daß ich weder Lsguestkr
noch Obervormünder brauche".

Die Geduld Friedrich's II. war erschöpft; er versicherte in einem gemessnen
Handschreiben, der Herzogin ihr Recht und sich zugleich für die von seiner



") Wahrscheinlich auch in Meiningen, auf das Ernst August noch weniger gut zu sprechen war.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/500>, abgerufen am 22.07.2024.