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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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nöthig habe". Widrigenfalls würde sie, bemerkte er bei der Entziehung seiner
fürstlichen Vorsorge wenig Profit haben, und auch das verlieren, was sie jetzt
zu besitzen glaube. "Ich muß Ew. Hoheit mit dero "erhoffenden gnädigen
Erlaubniß anbey eröffnen, daß ich eben der dumme Fürst nicht bin, als
man vielleicht an dero ganzen Hofe von mir ein Portrait gemacht hat". Er
gestattete ihr zwar die Anstellung eines Oberhofmeisters in der Person des
Amtshauptmanns von Geusau, der aber ihm verpflichtet, für das künftige
Entriren von Schulden stehen mußte und den Personalstand von 46 Personen
und 36 Pferden, die innerhalb der gegebenen Grenzen, welche die Schatulle
gestatteten, verpflegen durfte. Freie Religionsübung war der Herzogin, die
reformirt war, nur in den Apartements gestattet, Fremde hatten keinen Zu¬
tritt zum Gottesdienste, Taus- und Trauacte durften nicht vorgenommen
werden, und am wenigsten konnte sich die Wittwe herausnehmen, etwa gar
jemanden zum reformirten Bekenntnisse zu persuadiren. Nach Ablauf des
30. Tages seit des Herzogs Tode wurde die alte Hofhaltung, die allein einen
Marstall von 147 Pferden aufzuweisen hatte, aufgelöst, die Auctton des über¬
flüssigen Materials angeordnet, um die Erträge der Regierung ins Depositum
zu geben, der brauchbare Theil nach Schwansee überzuführen befohlen, jedoch
unter der fürstlichen Protestation, daß Ernst August hierdurch keineswegs
sich als Allodialerbe geriren oder gar zur Uebernahme der Schulden, anheischig
machen wolle.

Sowohl die Vorstellung der Wittwe als die des Berliner Ordensrathes
Richter fruchteten nichts. Ernst August ließ ihm ein Rescript vorlesen, daß er
in Eisenach eintreffen werde, um den Ordensrath zu zeigen, wer Herr im Lande
sei. "Ich werde, so lautet das Rescript, vielleicht solchen Schnupftaback mit¬
bringen, den er im thüringischen Kreise noch nicht gerochen, wie ich denn auch
in meinem Lande kein Conventicula oder Winkel-Discourse gestatte." Vor
Zeugen und Notaren wurde dies Rescript verlesen, welches Richter mit der
größten Ehrerbietung aufnahm, ohne Miene zur Abreise zu machen, die auch
nach Gärtner's Ansicht nicht zwangsweise zu erlangen sei, da der König
von Preußen leicht waredes und äsmaredss befehlen könnte. Gefährlich
blieb nach Gärtner's Ansicht immer, daß wer sich des Alioth, das in seiner
Qualität noch nicht einmal festgestellt war, annimmt, unzweifelhaft auch die
Schulden bezahlen müsse.

Die projectirte Auction ging natürlich sehr schlecht von Statten. Der
Schloßhauptmann von Reineck hatte ja die Thore besetzt; hinaus ließ er auf
Befehl Ernst August's Niemanden, weil ja von der Allodialverlassenschaft etwas
fortgeschleppt werden könnte und ein Besuch Eisenachs war erschwert. Für
24stündigen Aufenthalt in Gasthöfen und sonst mußten schon MiWsM^te
Gründe vorliegen. Katholiken gestattete der Herzog keinen^Rae^lau^meh^


nöthig habe". Widrigenfalls würde sie, bemerkte er bei der Entziehung seiner
fürstlichen Vorsorge wenig Profit haben, und auch das verlieren, was sie jetzt
zu besitzen glaube. „Ich muß Ew. Hoheit mit dero »erhoffenden gnädigen
Erlaubniß anbey eröffnen, daß ich eben der dumme Fürst nicht bin, als
man vielleicht an dero ganzen Hofe von mir ein Portrait gemacht hat". Er
gestattete ihr zwar die Anstellung eines Oberhofmeisters in der Person des
Amtshauptmanns von Geusau, der aber ihm verpflichtet, für das künftige
Entriren von Schulden stehen mußte und den Personalstand von 46 Personen
und 36 Pferden, die innerhalb der gegebenen Grenzen, welche die Schatulle
gestatteten, verpflegen durfte. Freie Religionsübung war der Herzogin, die
reformirt war, nur in den Apartements gestattet, Fremde hatten keinen Zu¬
tritt zum Gottesdienste, Taus- und Trauacte durften nicht vorgenommen
werden, und am wenigsten konnte sich die Wittwe herausnehmen, etwa gar
jemanden zum reformirten Bekenntnisse zu persuadiren. Nach Ablauf des
30. Tages seit des Herzogs Tode wurde die alte Hofhaltung, die allein einen
Marstall von 147 Pferden aufzuweisen hatte, aufgelöst, die Auctton des über¬
flüssigen Materials angeordnet, um die Erträge der Regierung ins Depositum
zu geben, der brauchbare Theil nach Schwansee überzuführen befohlen, jedoch
unter der fürstlichen Protestation, daß Ernst August hierdurch keineswegs
sich als Allodialerbe geriren oder gar zur Uebernahme der Schulden, anheischig
machen wolle.

Sowohl die Vorstellung der Wittwe als die des Berliner Ordensrathes
Richter fruchteten nichts. Ernst August ließ ihm ein Rescript vorlesen, daß er
in Eisenach eintreffen werde, um den Ordensrath zu zeigen, wer Herr im Lande
sei. „Ich werde, so lautet das Rescript, vielleicht solchen Schnupftaback mit¬
bringen, den er im thüringischen Kreise noch nicht gerochen, wie ich denn auch
in meinem Lande kein Conventicula oder Winkel-Discourse gestatte." Vor
Zeugen und Notaren wurde dies Rescript verlesen, welches Richter mit der
größten Ehrerbietung aufnahm, ohne Miene zur Abreise zu machen, die auch
nach Gärtner's Ansicht nicht zwangsweise zu erlangen sei, da der König
von Preußen leicht waredes und äsmaredss befehlen könnte. Gefährlich
blieb nach Gärtner's Ansicht immer, daß wer sich des Alioth, das in seiner
Qualität noch nicht einmal festgestellt war, annimmt, unzweifelhaft auch die
Schulden bezahlen müsse.

Die projectirte Auction ging natürlich sehr schlecht von Statten. Der
Schloßhauptmann von Reineck hatte ja die Thore besetzt; hinaus ließ er auf
Befehl Ernst August's Niemanden, weil ja von der Allodialverlassenschaft etwas
fortgeschleppt werden könnte und ein Besuch Eisenachs war erschwert. Für
24stündigen Aufenthalt in Gasthöfen und sonst mußten schon MiWsM^te
Gründe vorliegen. Katholiken gestattete der Herzog keinen^Rae^lau^meh^


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/499>, abgerufen am 02.10.2024.