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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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arbeitete, daß er sich kaum zum Essen Zeit nahm'), begannen bereits in der
Waal die Feindseligkeiten. Der Herr des Waatlandes nämlich, Graf Jacob
von Romont, der in burgundischen Diensten stand, hatte sich Gewaltthätig¬
keiten gegen die eidgenössischen Besatzungen in Orbe und Grandson erlaubt,
welche die Schweizer rächen wollten. 6000 Berner unter Petermann von
Wabern eroberten im October 16 Städte und 43 Schlösser, darunter Murren,
Stäffis, Romont und Mouton, die damalige Hauptstadt der Waal. Lau¬
sanne bot seine Unterwerfung an. und Genf kaufte sich mit einer großen
Summe Geldes von der Plünderung los. Um dieselbe Zeit hatten die
Walliser einen von der Herzogin von Savoyen gegen die Schweiz angeordneten
Einfall von 12,000 Mann zurückgewiesen. Der entscheidende Schlag in diesem
Kampfe geschah bei Sitten, und in Folge desselben wurde die Strecke Landes
zwischen dem Genfer See und den penninischen und walliser Alpen, von den
Wallisern eingenommen. Einen Ueberfall von Jfferten, den der Graf von
Romont versuchte, wies die eidgenössische Besatzung nach hartem Kampfe ab.
-- So waren denn überall die vorbereitenden Kriegsbegebenheiten zum Heile
der Verbündeten ausgeschlagen, und sie vermochten den bevorstehenden Haupt¬
schlägen mit einer gewissen ernsten Freudigkeit entgegenzusehri.

Inzwischen waren Karl's Kriegsrüstungen beendet und er hielt bei der
herbsten Winterkälte eine Heerschau in der Meurthe-Ebene von Nancy. Es
waren 30,000 Mann, von denen jedoch nur ein Theil, nämlich 2300 Lanzen
mit 10,000 Bogenschützen zum Zuge gegen die Elsässer und Schweizer, die
Uebrigen dagegen zur Besetzung Lothringens und der Beobachtung Frank¬
reichs bestimmt waren. Die Operationsarmee sollte durch Zuzüge aus Hoch¬
burgund, Mailand und Savoyen verstärkt werden.

Von den beiden Wegen, welche ihn in die Schweiz führen konnten, den
durch das Elsaß und den durch Hochburgund, wählte der Herzog nämlich den
letzteren. Vorwiegend mochten dabei politische Gründe leitend sein: möglichst
geringe Berührung mit den unbetheiligten Ständen des deutschen Reichs,
möglichst baldiger Schutz seiner so hart heimgesuchten Hochburgundischen Lande
und derer seiner savoyischen Verbündeten. Aber auch strategische Gründe
sprachen, trotz des Umwegs, für die südliche Anmarschlinie. Denn die
elsässischen Plätze, deren man sich andernfalls doch zuerst zu versichern gehabt
hätte, waren in trefflichem Vertheidigungszustande; ferner wäre es nothwendig
gewesen, den Marsch durch die Engthäler und Pässe des nördlichen Jura im
Rücken durch die Einnahme von Basel zu decken, die voraussichtlich eine
längere Belagerung nothwendig gemacht hätte. Im Süden lag dagegen die



') Bericht des mailündlschcn Botschafters Pnmchnwla an seinen Herr" -- bei Rode
a. a. O.

arbeitete, daß er sich kaum zum Essen Zeit nahm'), begannen bereits in der
Waal die Feindseligkeiten. Der Herr des Waatlandes nämlich, Graf Jacob
von Romont, der in burgundischen Diensten stand, hatte sich Gewaltthätig¬
keiten gegen die eidgenössischen Besatzungen in Orbe und Grandson erlaubt,
welche die Schweizer rächen wollten. 6000 Berner unter Petermann von
Wabern eroberten im October 16 Städte und 43 Schlösser, darunter Murren,
Stäffis, Romont und Mouton, die damalige Hauptstadt der Waal. Lau¬
sanne bot seine Unterwerfung an. und Genf kaufte sich mit einer großen
Summe Geldes von der Plünderung los. Um dieselbe Zeit hatten die
Walliser einen von der Herzogin von Savoyen gegen die Schweiz angeordneten
Einfall von 12,000 Mann zurückgewiesen. Der entscheidende Schlag in diesem
Kampfe geschah bei Sitten, und in Folge desselben wurde die Strecke Landes
zwischen dem Genfer See und den penninischen und walliser Alpen, von den
Wallisern eingenommen. Einen Ueberfall von Jfferten, den der Graf von
Romont versuchte, wies die eidgenössische Besatzung nach hartem Kampfe ab.
— So waren denn überall die vorbereitenden Kriegsbegebenheiten zum Heile
der Verbündeten ausgeschlagen, und sie vermochten den bevorstehenden Haupt¬
schlägen mit einer gewissen ernsten Freudigkeit entgegenzusehri.

Inzwischen waren Karl's Kriegsrüstungen beendet und er hielt bei der
herbsten Winterkälte eine Heerschau in der Meurthe-Ebene von Nancy. Es
waren 30,000 Mann, von denen jedoch nur ein Theil, nämlich 2300 Lanzen
mit 10,000 Bogenschützen zum Zuge gegen die Elsässer und Schweizer, die
Uebrigen dagegen zur Besetzung Lothringens und der Beobachtung Frank¬
reichs bestimmt waren. Die Operationsarmee sollte durch Zuzüge aus Hoch¬
burgund, Mailand und Savoyen verstärkt werden.

Von den beiden Wegen, welche ihn in die Schweiz führen konnten, den
durch das Elsaß und den durch Hochburgund, wählte der Herzog nämlich den
letzteren. Vorwiegend mochten dabei politische Gründe leitend sein: möglichst
geringe Berührung mit den unbetheiligten Ständen des deutschen Reichs,
möglichst baldiger Schutz seiner so hart heimgesuchten Hochburgundischen Lande
und derer seiner savoyischen Verbündeten. Aber auch strategische Gründe
sprachen, trotz des Umwegs, für die südliche Anmarschlinie. Denn die
elsässischen Plätze, deren man sich andernfalls doch zuerst zu versichern gehabt
hätte, waren in trefflichem Vertheidigungszustande; ferner wäre es nothwendig
gewesen, den Marsch durch die Engthäler und Pässe des nördlichen Jura im
Rücken durch die Einnahme von Basel zu decken, die voraussichtlich eine
längere Belagerung nothwendig gemacht hätte. Im Süden lag dagegen die



') Bericht des mailündlschcn Botschafters Pnmchnwla an seinen Herr» — bei Rode
a. a. O.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/50>, abgerufen am 01.07.2024.