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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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in der Kreuzzeitung noch aufspielt. Manche dieser Kleinigkeiten sind recht
hübsch, z. B. gleich das erste Bildchen, welches uns die Gründung und den
Erfolg eines der vielen Schwindelbäder zeigt, die in den letzten Jahrzehnten
entstanden. Ebenfalls hübsch sind das in die Hauspädagogie einschlagende
Kapitel, welches "den Müttern" gewidmet ist und in recht drastischer Weise
zeigt, wie man seine Jungen nicht erziehen soll, das "Neue Jahreseintheilung"
überschriebene, wofern es ironisch gemeint ist, wenn es den Reformen unsrer
Geld-, Münz- und Maßverhältntsse nach dem Decimalsystem "ach das Jahr bei¬
zugesellen vorschlägt, das mit Beseitigung von Februar und Juni auf zehn Mo¬
nate, jeden zu ungefähr fünf Wochen, reducirt werden würde; ferner "Soireen",
"Deutsche Damen beim Festmahle", "Die Schleppe der reichen Frau", "Un¬
passende Schulaufgaben", "Der Cotillonvater" und verschiedene andere Ab¬
schnitte. Interessant endlich ist die Notiz in Ur. 46 "Deutsche Volkshymne
der Zukunft", nach welcher die Melodie der Marseillaise "Note für Note aus
einer deutschen Messe von Holtzmann in Merseburg abgeschrieben", das "?g,r-
tant pour 1a L^rie" von der Herzogin von Se. Leu (Hortense) "mit Hülfe
ihres deutschen Musiklehrers componirt" und auch die englische Nationalhymne
,.(Foci 8S.VK Zreat, OeorZ" tds Xing" von einem Deutschen und zwar nie¬
mand Geringerem als Haendel herrührt. Das letztere war uns bekannt, und
wir können hinzufügen, daß nicht nur die Weise eines dritten französischen
Nationalliedes, die der sogenannten Parisienne, sondern auch der Uankee-
Doodle deutschen Ursprungs ist. Der Refrain jenes Liedes von Delavigne,
der Hymne der Revolution von 1830, stammt aus einem militärischen Gassen¬
hauer der Freiheitskriege, und die prächtigen Worte


"IZn Avant, marobons
Oontrs leurs elavus,
^ ti'Avers le ter, lo den ach Kataillong,
Naiolrons 5, la vivtoire."

umkleiden als neuer Körper die musikalische Seele der derben deutschen Reime:


"Schlag ihn todt, o Patriot,
Mit der Krücke,
Ins Genicke,
Den Coujon Napoleon."

Die Melodie des Uankee-Doodle aber, die trotz ihrer Trivialität dem
echten Amerikaner weit über allen andern Nationalliedern, über dem "Ug.it,
Lolumbiu," und dem "Lear-spkmgleö vkmner" steht, ist das Product eines
Musikmeisters jener Hessen, die während des Unabhängigkeitskrieges von ihrem
Landesvater zur Bekämpfung der aufständischen Colonien an England ver¬
kauft wurden.




Verantwortlicher Redakteur: or. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbin in Leipzig. -- Druck von Hüthcl H Hcrrmaim in Leipzig.

in der Kreuzzeitung noch aufspielt. Manche dieser Kleinigkeiten sind recht
hübsch, z. B. gleich das erste Bildchen, welches uns die Gründung und den
Erfolg eines der vielen Schwindelbäder zeigt, die in den letzten Jahrzehnten
entstanden. Ebenfalls hübsch sind das in die Hauspädagogie einschlagende
Kapitel, welches „den Müttern" gewidmet ist und in recht drastischer Weise
zeigt, wie man seine Jungen nicht erziehen soll, das „Neue Jahreseintheilung"
überschriebene, wofern es ironisch gemeint ist, wenn es den Reformen unsrer
Geld-, Münz- und Maßverhältntsse nach dem Decimalsystem «ach das Jahr bei¬
zugesellen vorschlägt, das mit Beseitigung von Februar und Juni auf zehn Mo¬
nate, jeden zu ungefähr fünf Wochen, reducirt werden würde; ferner „Soireen",
„Deutsche Damen beim Festmahle", „Die Schleppe der reichen Frau", „Un¬
passende Schulaufgaben", „Der Cotillonvater" und verschiedene andere Ab¬
schnitte. Interessant endlich ist die Notiz in Ur. 46 „Deutsche Volkshymne
der Zukunft", nach welcher die Melodie der Marseillaise „Note für Note aus
einer deutschen Messe von Holtzmann in Merseburg abgeschrieben", das „?g,r-
tant pour 1a L^rie" von der Herzogin von Se. Leu (Hortense) „mit Hülfe
ihres deutschen Musiklehrers componirt" und auch die englische Nationalhymne
,.(Foci 8S.VK Zreat, OeorZ« tds Xing" von einem Deutschen und zwar nie¬
mand Geringerem als Haendel herrührt. Das letztere war uns bekannt, und
wir können hinzufügen, daß nicht nur die Weise eines dritten französischen
Nationalliedes, die der sogenannten Parisienne, sondern auch der Uankee-
Doodle deutschen Ursprungs ist. Der Refrain jenes Liedes von Delavigne,
der Hymne der Revolution von 1830, stammt aus einem militärischen Gassen¬
hauer der Freiheitskriege, und die prächtigen Worte


„IZn Avant, marobons
Oontrs leurs elavus,
^ ti'Avers le ter, lo den ach Kataillong,
Naiolrons 5, la vivtoire."

umkleiden als neuer Körper die musikalische Seele der derben deutschen Reime:


„Schlag ihn todt, o Patriot,
Mit der Krücke,
Ins Genicke,
Den Coujon Napoleon."

Die Melodie des Uankee-Doodle aber, die trotz ihrer Trivialität dem
echten Amerikaner weit über allen andern Nationalliedern, über dem „Ug.it,
Lolumbiu," und dem „Lear-spkmgleö vkmner" steht, ist das Product eines
Musikmeisters jener Hessen, die während des Unabhängigkeitskrieges von ihrem
Landesvater zur Bekämpfung der aufständischen Colonien an England ver¬
kauft wurden.




Verantwortlicher Redakteur: or. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbin in Leipzig. — Druck von Hüthcl H Hcrrmaim in Leipzig.
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[0488] in der Kreuzzeitung noch aufspielt. Manche dieser Kleinigkeiten sind recht hübsch, z. B. gleich das erste Bildchen, welches uns die Gründung und den Erfolg eines der vielen Schwindelbäder zeigt, die in den letzten Jahrzehnten entstanden. Ebenfalls hübsch sind das in die Hauspädagogie einschlagende Kapitel, welches „den Müttern" gewidmet ist und in recht drastischer Weise zeigt, wie man seine Jungen nicht erziehen soll, das „Neue Jahreseintheilung" überschriebene, wofern es ironisch gemeint ist, wenn es den Reformen unsrer Geld-, Münz- und Maßverhältntsse nach dem Decimalsystem «ach das Jahr bei¬ zugesellen vorschlägt, das mit Beseitigung von Februar und Juni auf zehn Mo¬ nate, jeden zu ungefähr fünf Wochen, reducirt werden würde; ferner „Soireen", „Deutsche Damen beim Festmahle", „Die Schleppe der reichen Frau", „Un¬ passende Schulaufgaben", „Der Cotillonvater" und verschiedene andere Ab¬ schnitte. Interessant endlich ist die Notiz in Ur. 46 „Deutsche Volkshymne der Zukunft", nach welcher die Melodie der Marseillaise „Note für Note aus einer deutschen Messe von Holtzmann in Merseburg abgeschrieben", das „?g,r- tant pour 1a L^rie" von der Herzogin von Se. Leu (Hortense) „mit Hülfe ihres deutschen Musiklehrers componirt" und auch die englische Nationalhymne ,.(Foci 8S.VK Zreat, OeorZ« tds Xing" von einem Deutschen und zwar nie¬ mand Geringerem als Haendel herrührt. Das letztere war uns bekannt, und wir können hinzufügen, daß nicht nur die Weise eines dritten französischen Nationalliedes, die der sogenannten Parisienne, sondern auch der Uankee- Doodle deutschen Ursprungs ist. Der Refrain jenes Liedes von Delavigne, der Hymne der Revolution von 1830, stammt aus einem militärischen Gassen¬ hauer der Freiheitskriege, und die prächtigen Worte „IZn Avant, marobons Oontrs leurs elavus, ^ ti'Avers le ter, lo den ach Kataillong, Naiolrons 5, la vivtoire." umkleiden als neuer Körper die musikalische Seele der derben deutschen Reime: „Schlag ihn todt, o Patriot, Mit der Krücke, Ins Genicke, Den Coujon Napoleon." Die Melodie des Uankee-Doodle aber, die trotz ihrer Trivialität dem echten Amerikaner weit über allen andern Nationalliedern, über dem „Ug.it, Lolumbiu," und dem „Lear-spkmgleö vkmner" steht, ist das Product eines Musikmeisters jener Hessen, die während des Unabhängigkeitskrieges von ihrem Landesvater zur Bekämpfung der aufständischen Colonien an England ver¬ kauft wurden. Verantwortlicher Redakteur: or. Hans Blum in Leipzig. Verlag von F. L. Herbin in Leipzig. — Druck von Hüthcl H Hcrrmaim in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/488>, abgerufen am 02.10.2024.