Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

so wird sich die andere der Nothwendigkeit, ihrerseits ihr Bestes zu thun,
glücklich enthoben sehen. Wirft man ihr dann den unbefriedigender Charakter
ihrer eigenen Leistungen vor, so wird sie mit Triumph darauf hinweisen, daß
die andere Partei noch schlechter ist. Und das bedeutet die alte Wirthschaft
in voller Blüthe."

So lautet das Urtheil von Karl Schurz über die Stellung der Unab¬
hängigen zu den Republikanern und Demokraten, und wir glauben, daß er
die Lage der Dinge ziemlich richtig erkannt habe. Beruhigen sich demnach
die Unabhängigen bei der angeblichen Nothwendigkeit, sich unter allen Um¬
ständen von den alten Parteien ihre Wahl vorschreiben zu lassen, so beruhigen
sie diese Parteien ebenfalls und haben damit den größten Theil ihres Ein¬
flusses bei der diesjährigen Präsidentenwahl eingebüßt; denn die Wahrschein¬
lichkett, daß sich die republikanischen und demokratischen Parteimaschinisten
großen Zwang anthun werden, um den Unabhängigen zu Gefallen zu sein,
wird dadurch immer geringer. Es muß also Karl Schurz und seinen zahl¬
reichen Freunden und Gesinnungsgenossen als eine unglückliche Politik er¬
scheinen, wenn von ihrer Seite den Parteien von vornherein die Versicherung
gegeben wurde, daß sich die Unabhängigen schließlich mit Geduld in die Noth,
zwischen zwei Uebeln zu wählen, fügen werden, sobald es den Parteimaschi¬
nisten gefällt, sie darauf zu beschränken. Es wird deshalb auch von den
Unabhängigen wenigstens jedes erlaubte und passende Mittel angewandt
werden, um rechtzeitig die Bedingungen bekannt werden zu lassen, von welchen
sie ihre Unterstützung der betreffenden Candidaten abhängig machen können;
und dies muß in so klarer und nachdrücklicher Weise geschehen, daß die
Führer der alten Parteien die Nothwendigkeit erkennen, sich danach einzu¬
zurichten. Das kann und wird zum Theil durch eine entschiedene Haltung
der unabhängigen Presse geschehen, besonders durch diejenigen Blätter, die
bisher mit der einen oder der andern Partei zusammengewirkt haben, ohne
jedoch ihre eigene, selbständige Ueberzeugung und ihre höheren Pflichten gegen
die Union dem einseitigen Parteidienste zu opfern. Viel wirksamer würde
es jedoch sein, wenn die leitenden Grundsätze der Fraction der Unabhängigen
durch eine Versammlung von Männern offen und bestimmt hingestellt würden,
die durch ihre Fähigkeiten und ihren untadelhafter Charakter hoch in der
öffentlichen Achtung stehen und auf die öffentliche Meinung einen nachhaltigen
Einfluß ausüben können. Wir müßten uns aber sehr irren, wenn nicht
bereits nach dieser Richtung hin in verschiedenen Unionsstaaten gewirkt wird;
Andeutungen in der unabhängigen Presse und Privatnachrichten haben uns
zu dieser Ueberzeugung gelangen lassen. Man wird zunächst versuchen, von
den alten Parteien feste und bündige Zusagen hinsichtlich der Finanzfrage
und der Aemterresorm zu erlangen; wenn dies Bemühen aber scheiteln


so wird sich die andere der Nothwendigkeit, ihrerseits ihr Bestes zu thun,
glücklich enthoben sehen. Wirft man ihr dann den unbefriedigender Charakter
ihrer eigenen Leistungen vor, so wird sie mit Triumph darauf hinweisen, daß
die andere Partei noch schlechter ist. Und das bedeutet die alte Wirthschaft
in voller Blüthe."

So lautet das Urtheil von Karl Schurz über die Stellung der Unab¬
hängigen zu den Republikanern und Demokraten, und wir glauben, daß er
die Lage der Dinge ziemlich richtig erkannt habe. Beruhigen sich demnach
die Unabhängigen bei der angeblichen Nothwendigkeit, sich unter allen Um¬
ständen von den alten Parteien ihre Wahl vorschreiben zu lassen, so beruhigen
sie diese Parteien ebenfalls und haben damit den größten Theil ihres Ein¬
flusses bei der diesjährigen Präsidentenwahl eingebüßt; denn die Wahrschein¬
lichkett, daß sich die republikanischen und demokratischen Parteimaschinisten
großen Zwang anthun werden, um den Unabhängigen zu Gefallen zu sein,
wird dadurch immer geringer. Es muß also Karl Schurz und seinen zahl¬
reichen Freunden und Gesinnungsgenossen als eine unglückliche Politik er¬
scheinen, wenn von ihrer Seite den Parteien von vornherein die Versicherung
gegeben wurde, daß sich die Unabhängigen schließlich mit Geduld in die Noth,
zwischen zwei Uebeln zu wählen, fügen werden, sobald es den Parteimaschi¬
nisten gefällt, sie darauf zu beschränken. Es wird deshalb auch von den
Unabhängigen wenigstens jedes erlaubte und passende Mittel angewandt
werden, um rechtzeitig die Bedingungen bekannt werden zu lassen, von welchen
sie ihre Unterstützung der betreffenden Candidaten abhängig machen können;
und dies muß in so klarer und nachdrücklicher Weise geschehen, daß die
Führer der alten Parteien die Nothwendigkeit erkennen, sich danach einzu¬
zurichten. Das kann und wird zum Theil durch eine entschiedene Haltung
der unabhängigen Presse geschehen, besonders durch diejenigen Blätter, die
bisher mit der einen oder der andern Partei zusammengewirkt haben, ohne
jedoch ihre eigene, selbständige Ueberzeugung und ihre höheren Pflichten gegen
die Union dem einseitigen Parteidienste zu opfern. Viel wirksamer würde
es jedoch sein, wenn die leitenden Grundsätze der Fraction der Unabhängigen
durch eine Versammlung von Männern offen und bestimmt hingestellt würden,
die durch ihre Fähigkeiten und ihren untadelhafter Charakter hoch in der
öffentlichen Achtung stehen und auf die öffentliche Meinung einen nachhaltigen
Einfluß ausüben können. Wir müßten uns aber sehr irren, wenn nicht
bereits nach dieser Richtung hin in verschiedenen Unionsstaaten gewirkt wird;
Andeutungen in der unabhängigen Presse und Privatnachrichten haben uns
zu dieser Ueberzeugung gelangen lassen. Man wird zunächst versuchen, von
den alten Parteien feste und bündige Zusagen hinsichtlich der Finanzfrage
und der Aemterresorm zu erlangen; wenn dies Bemühen aber scheiteln


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135529"/>
          <p xml:id="ID_1455" prev="#ID_1454"> so wird sich die andere der Nothwendigkeit, ihrerseits ihr Bestes zu thun,<lb/>
glücklich enthoben sehen. Wirft man ihr dann den unbefriedigender Charakter<lb/>
ihrer eigenen Leistungen vor, so wird sie mit Triumph darauf hinweisen, daß<lb/>
die andere Partei noch schlechter ist. Und das bedeutet die alte Wirthschaft<lb/>
in voller Blüthe."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1456" next="#ID_1457"> So lautet das Urtheil von Karl Schurz über die Stellung der Unab¬<lb/>
hängigen zu den Republikanern und Demokraten, und wir glauben, daß er<lb/>
die Lage der Dinge ziemlich richtig erkannt habe. Beruhigen sich demnach<lb/>
die Unabhängigen bei der angeblichen Nothwendigkeit, sich unter allen Um¬<lb/>
ständen von den alten Parteien ihre Wahl vorschreiben zu lassen, so beruhigen<lb/>
sie diese Parteien ebenfalls und haben damit den größten Theil ihres Ein¬<lb/>
flusses bei der diesjährigen Präsidentenwahl eingebüßt; denn die Wahrschein¬<lb/>
lichkett, daß sich die republikanischen und demokratischen Parteimaschinisten<lb/>
großen Zwang anthun werden, um den Unabhängigen zu Gefallen zu sein,<lb/>
wird dadurch immer geringer. Es muß also Karl Schurz und seinen zahl¬<lb/>
reichen Freunden und Gesinnungsgenossen als eine unglückliche Politik er¬<lb/>
scheinen, wenn von ihrer Seite den Parteien von vornherein die Versicherung<lb/>
gegeben wurde, daß sich die Unabhängigen schließlich mit Geduld in die Noth,<lb/>
zwischen zwei Uebeln zu wählen, fügen werden, sobald es den Parteimaschi¬<lb/>
nisten gefällt, sie darauf zu beschränken. Es wird deshalb auch von den<lb/>
Unabhängigen wenigstens jedes erlaubte und passende Mittel angewandt<lb/>
werden, um rechtzeitig die Bedingungen bekannt werden zu lassen, von welchen<lb/>
sie ihre Unterstützung der betreffenden Candidaten abhängig machen können;<lb/>
und dies muß in so klarer und nachdrücklicher Weise geschehen, daß die<lb/>
Führer der alten Parteien die Nothwendigkeit erkennen, sich danach einzu¬<lb/>
zurichten. Das kann und wird zum Theil durch eine entschiedene Haltung<lb/>
der unabhängigen Presse geschehen, besonders durch diejenigen Blätter, die<lb/>
bisher mit der einen oder der andern Partei zusammengewirkt haben, ohne<lb/>
jedoch ihre eigene, selbständige Ueberzeugung und ihre höheren Pflichten gegen<lb/>
die Union dem einseitigen Parteidienste zu opfern. Viel wirksamer würde<lb/>
es jedoch sein, wenn die leitenden Grundsätze der Fraction der Unabhängigen<lb/>
durch eine Versammlung von Männern offen und bestimmt hingestellt würden,<lb/>
die durch ihre Fähigkeiten und ihren untadelhafter Charakter hoch in der<lb/>
öffentlichen Achtung stehen und auf die öffentliche Meinung einen nachhaltigen<lb/>
Einfluß ausüben können. Wir müßten uns aber sehr irren, wenn nicht<lb/>
bereits nach dieser Richtung hin in verschiedenen Unionsstaaten gewirkt wird;<lb/>
Andeutungen in der unabhängigen Presse und Privatnachrichten haben uns<lb/>
zu dieser Ueberzeugung gelangen lassen. Man wird zunächst versuchen, von<lb/>
den alten Parteien feste und bündige Zusagen hinsichtlich der Finanzfrage<lb/>
und der Aemterresorm zu erlangen; wenn dies Bemühen aber scheiteln</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0476] so wird sich die andere der Nothwendigkeit, ihrerseits ihr Bestes zu thun, glücklich enthoben sehen. Wirft man ihr dann den unbefriedigender Charakter ihrer eigenen Leistungen vor, so wird sie mit Triumph darauf hinweisen, daß die andere Partei noch schlechter ist. Und das bedeutet die alte Wirthschaft in voller Blüthe." So lautet das Urtheil von Karl Schurz über die Stellung der Unab¬ hängigen zu den Republikanern und Demokraten, und wir glauben, daß er die Lage der Dinge ziemlich richtig erkannt habe. Beruhigen sich demnach die Unabhängigen bei der angeblichen Nothwendigkeit, sich unter allen Um¬ ständen von den alten Parteien ihre Wahl vorschreiben zu lassen, so beruhigen sie diese Parteien ebenfalls und haben damit den größten Theil ihres Ein¬ flusses bei der diesjährigen Präsidentenwahl eingebüßt; denn die Wahrschein¬ lichkett, daß sich die republikanischen und demokratischen Parteimaschinisten großen Zwang anthun werden, um den Unabhängigen zu Gefallen zu sein, wird dadurch immer geringer. Es muß also Karl Schurz und seinen zahl¬ reichen Freunden und Gesinnungsgenossen als eine unglückliche Politik er¬ scheinen, wenn von ihrer Seite den Parteien von vornherein die Versicherung gegeben wurde, daß sich die Unabhängigen schließlich mit Geduld in die Noth, zwischen zwei Uebeln zu wählen, fügen werden, sobald es den Parteimaschi¬ nisten gefällt, sie darauf zu beschränken. Es wird deshalb auch von den Unabhängigen wenigstens jedes erlaubte und passende Mittel angewandt werden, um rechtzeitig die Bedingungen bekannt werden zu lassen, von welchen sie ihre Unterstützung der betreffenden Candidaten abhängig machen können; und dies muß in so klarer und nachdrücklicher Weise geschehen, daß die Führer der alten Parteien die Nothwendigkeit erkennen, sich danach einzu¬ zurichten. Das kann und wird zum Theil durch eine entschiedene Haltung der unabhängigen Presse geschehen, besonders durch diejenigen Blätter, die bisher mit der einen oder der andern Partei zusammengewirkt haben, ohne jedoch ihre eigene, selbständige Ueberzeugung und ihre höheren Pflichten gegen die Union dem einseitigen Parteidienste zu opfern. Viel wirksamer würde es jedoch sein, wenn die leitenden Grundsätze der Fraction der Unabhängigen durch eine Versammlung von Männern offen und bestimmt hingestellt würden, die durch ihre Fähigkeiten und ihren untadelhafter Charakter hoch in der öffentlichen Achtung stehen und auf die öffentliche Meinung einen nachhaltigen Einfluß ausüben können. Wir müßten uns aber sehr irren, wenn nicht bereits nach dieser Richtung hin in verschiedenen Unionsstaaten gewirkt wird; Andeutungen in der unabhängigen Presse und Privatnachrichten haben uns zu dieser Ueberzeugung gelangen lassen. Man wird zunächst versuchen, von den alten Parteien feste und bündige Zusagen hinsichtlich der Finanzfrage und der Aemterresorm zu erlangen; wenn dies Bemühen aber scheiteln

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/476
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/476>, abgerufen am 01.07.2024.