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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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demnächst geht er an dem nördlichen Seeufer entlang und ist hier zwischen
Ufer und Felsen eingeengt. -- Erst gegen 3 Uhr Nachmittags debouschirte
die Avantgarde des Fürsten Bagration in das Klönthal.

Seit dem Morgen dieses Tages war die östreichische Brigade mit der
das Defilee vertheidigenden französischen Abtheilung in einem heftigen Kampf
verwickelt. Der General Molitor, der persönlich hierher geeilt, hatte nur vier
Bataillone zu seiner Verfügung. Die geringe Stärke des Gegners bemerkend,
schritt er zum Angriff und trieb ihn gegen die Paßhöhe zurück. In der
Ueberzeugung, daß Suworow von Massena im Muottathal völlig vernichtet
werde, schickte Molitor einen Parlamentair an Auffenberg, mit der Aufforde¬
rung, das Gewehr zu strecken. Letzterer hatte sich schon in Unterhandlungen
eingelassen. Noch zu rechter Zeit erscheint Bagration; mit Ungestüm und
mit großem Geschick greift er in das Gefecht ein und wirft die Franzosen
in sluchtähnlicher Eile zurück. Auf dem schmalen Wege längs des Sees zu¬
sammengedrängt, finden viele ihren Tod im See.

Molitor erhält neue Verstärkungen aus Glarus und besetzt eine äußerst
starke Stellung am östlichen Ende des Sees. Die Felsen fallen dort ganz
steil und in einer bedeutenden Höhe ab. Die enge Passage zwischen User
und Felsen war durch die steinerne Umfassungsmauer einer kleinen Kirche,
die jetzt nicht mehr existirt, gesperrt. Die Kirche selbst, die in den See vor¬
sprang, war zur Vertheidigung eingerichtet, und ihre Lage so günstig, daß
sie den Weg auch in der Flanke bestrich.

Der Angriff auf diese Stellung erfolgte noch gegen Abend, doch trotz
der größten Tapferkeit gelang er nicht. Die Annäherungsfront nicht breiter
wie 3^/2 Fuß. wurde so unter Feuer gehalten, daß ein näheres Herankommen
ganz unmöglich war. -- Die einbrechende Dunkelheit und die Erschöpfung der
Truppen veranlaßten Bagration den weiteren Angriff bis zum folgenden
Morgen aufzuschieben.

Unterdessen zogen die übrigen Truppen der russischen Colonne immer
noch in langer Reihe auf dem schmalen Saumwege dahin; erst spät in der
Nacht sammelte sich die ganze Division Schweikowsky allmälig am Klönthal-
See. Die russischen Truppen hatten an diesem Tage wiederum 3 Meilen
zurückgelegt. Ihre Lage war immer noch eine überaus mißliche. Der Feind
hatte ihnen den Ausgang aus dem Klönthale durch eine fast unangreifbare
Stellung versperrt. --

Rosenberg bivouakirte inzwischen mit einer vorgeschobenen Avantgarde bei
dem Dorfe Muotta. Die äußerste Arriöregarde der Armee hatte am 30.
September früh den Kinzig-Kulm-Paß noch nicht überschritten. Der fran¬
zösische Oberfeldherr, welcher am 30. von Altdorf in Schwyz eingetroffen,
hatte dort bereits 8000 Mann concentrirt und griff mit ihnen 2 Uhr Nach-


demnächst geht er an dem nördlichen Seeufer entlang und ist hier zwischen
Ufer und Felsen eingeengt. — Erst gegen 3 Uhr Nachmittags debouschirte
die Avantgarde des Fürsten Bagration in das Klönthal.

Seit dem Morgen dieses Tages war die östreichische Brigade mit der
das Defilee vertheidigenden französischen Abtheilung in einem heftigen Kampf
verwickelt. Der General Molitor, der persönlich hierher geeilt, hatte nur vier
Bataillone zu seiner Verfügung. Die geringe Stärke des Gegners bemerkend,
schritt er zum Angriff und trieb ihn gegen die Paßhöhe zurück. In der
Ueberzeugung, daß Suworow von Massena im Muottathal völlig vernichtet
werde, schickte Molitor einen Parlamentair an Auffenberg, mit der Aufforde¬
rung, das Gewehr zu strecken. Letzterer hatte sich schon in Unterhandlungen
eingelassen. Noch zu rechter Zeit erscheint Bagration; mit Ungestüm und
mit großem Geschick greift er in das Gefecht ein und wirft die Franzosen
in sluchtähnlicher Eile zurück. Auf dem schmalen Wege längs des Sees zu¬
sammengedrängt, finden viele ihren Tod im See.

Molitor erhält neue Verstärkungen aus Glarus und besetzt eine äußerst
starke Stellung am östlichen Ende des Sees. Die Felsen fallen dort ganz
steil und in einer bedeutenden Höhe ab. Die enge Passage zwischen User
und Felsen war durch die steinerne Umfassungsmauer einer kleinen Kirche,
die jetzt nicht mehr existirt, gesperrt. Die Kirche selbst, die in den See vor¬
sprang, war zur Vertheidigung eingerichtet, und ihre Lage so günstig, daß
sie den Weg auch in der Flanke bestrich.

Der Angriff auf diese Stellung erfolgte noch gegen Abend, doch trotz
der größten Tapferkeit gelang er nicht. Die Annäherungsfront nicht breiter
wie 3^/2 Fuß. wurde so unter Feuer gehalten, daß ein näheres Herankommen
ganz unmöglich war. — Die einbrechende Dunkelheit und die Erschöpfung der
Truppen veranlaßten Bagration den weiteren Angriff bis zum folgenden
Morgen aufzuschieben.

Unterdessen zogen die übrigen Truppen der russischen Colonne immer
noch in langer Reihe auf dem schmalen Saumwege dahin; erst spät in der
Nacht sammelte sich die ganze Division Schweikowsky allmälig am Klönthal-
See. Die russischen Truppen hatten an diesem Tage wiederum 3 Meilen
zurückgelegt. Ihre Lage war immer noch eine überaus mißliche. Der Feind
hatte ihnen den Ausgang aus dem Klönthale durch eine fast unangreifbare
Stellung versperrt. —

Rosenberg bivouakirte inzwischen mit einer vorgeschobenen Avantgarde bei
dem Dorfe Muotta. Die äußerste Arriöregarde der Armee hatte am 30.
September früh den Kinzig-Kulm-Paß noch nicht überschritten. Der fran¬
zösische Oberfeldherr, welcher am 30. von Altdorf in Schwyz eingetroffen,
hatte dort bereits 8000 Mann concentrirt und griff mit ihnen 2 Uhr Nach-


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[0418] demnächst geht er an dem nördlichen Seeufer entlang und ist hier zwischen Ufer und Felsen eingeengt. — Erst gegen 3 Uhr Nachmittags debouschirte die Avantgarde des Fürsten Bagration in das Klönthal. Seit dem Morgen dieses Tages war die östreichische Brigade mit der das Defilee vertheidigenden französischen Abtheilung in einem heftigen Kampf verwickelt. Der General Molitor, der persönlich hierher geeilt, hatte nur vier Bataillone zu seiner Verfügung. Die geringe Stärke des Gegners bemerkend, schritt er zum Angriff und trieb ihn gegen die Paßhöhe zurück. In der Ueberzeugung, daß Suworow von Massena im Muottathal völlig vernichtet werde, schickte Molitor einen Parlamentair an Auffenberg, mit der Aufforde¬ rung, das Gewehr zu strecken. Letzterer hatte sich schon in Unterhandlungen eingelassen. Noch zu rechter Zeit erscheint Bagration; mit Ungestüm und mit großem Geschick greift er in das Gefecht ein und wirft die Franzosen in sluchtähnlicher Eile zurück. Auf dem schmalen Wege längs des Sees zu¬ sammengedrängt, finden viele ihren Tod im See. Molitor erhält neue Verstärkungen aus Glarus und besetzt eine äußerst starke Stellung am östlichen Ende des Sees. Die Felsen fallen dort ganz steil und in einer bedeutenden Höhe ab. Die enge Passage zwischen User und Felsen war durch die steinerne Umfassungsmauer einer kleinen Kirche, die jetzt nicht mehr existirt, gesperrt. Die Kirche selbst, die in den See vor¬ sprang, war zur Vertheidigung eingerichtet, und ihre Lage so günstig, daß sie den Weg auch in der Flanke bestrich. Der Angriff auf diese Stellung erfolgte noch gegen Abend, doch trotz der größten Tapferkeit gelang er nicht. Die Annäherungsfront nicht breiter wie 3^/2 Fuß. wurde so unter Feuer gehalten, daß ein näheres Herankommen ganz unmöglich war. — Die einbrechende Dunkelheit und die Erschöpfung der Truppen veranlaßten Bagration den weiteren Angriff bis zum folgenden Morgen aufzuschieben. Unterdessen zogen die übrigen Truppen der russischen Colonne immer noch in langer Reihe auf dem schmalen Saumwege dahin; erst spät in der Nacht sammelte sich die ganze Division Schweikowsky allmälig am Klönthal- See. Die russischen Truppen hatten an diesem Tage wiederum 3 Meilen zurückgelegt. Ihre Lage war immer noch eine überaus mißliche. Der Feind hatte ihnen den Ausgang aus dem Klönthale durch eine fast unangreifbare Stellung versperrt. — Rosenberg bivouakirte inzwischen mit einer vorgeschobenen Avantgarde bei dem Dorfe Muotta. Die äußerste Arriöregarde der Armee hatte am 30. September früh den Kinzig-Kulm-Paß noch nicht überschritten. Der fran¬ zösische Oberfeldherr, welcher am 30. von Altdorf in Schwyz eingetroffen, hatte dort bereits 8000 Mann concentrirt und griff mit ihnen 2 Uhr Nach-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/418>, abgerufen am 19.10.2024.