Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.erfreute sich hier des Umganges mit den literarischen Größen der Weltstadt. Eine tief empfundene Lücke hinterläßt Rüttimann, der Züricher Pro¬ Mit Werner Munzinger vollends ist ein Schweizer geschieden, dessen erfreute sich hier des Umganges mit den literarischen Größen der Weltstadt. Eine tief empfundene Lücke hinterläßt Rüttimann, der Züricher Pro¬ Mit Werner Munzinger vollends ist ein Schweizer geschieden, dessen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0399" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135452"/> <p xml:id="ID_1170" prev="#ID_1169"> erfreute sich hier des Umganges mit den literarischen Größen der Weltstadt.<lb/> Hochbetagt kehrte er wieder in das Land seiner Jugend zurück, um endlich in<lb/> Gens bei seinem Sohne sein Leben zu beschließen (7. Januar 1876).</p><lb/> <p xml:id="ID_1171"> Eine tief empfundene Lücke hinterläßt Rüttimann, der Züricher Pro¬<lb/> fessor, Nachfolger Bluntschli's an der Hochschule, als Schriftsteller allen<lb/> wissenschaftlichen Juristen rühmlich bekannt durch seine beiden Hauptwerke,<lb/> der „englische Civilproceß" und die „Begleichung des schweizerischen mit dem<lb/> nordamerikanischen Bundesstaatsrechts", in seinem Wissen ein Autodtdakt von<lb/> der gediegensten Sorte, mit Erfolg thätig und mitwirkend an allen rechtlichen<lb/> und gerichtlichen Reformen und Neubildungen seines Heimatheantons, ein<lb/> Förderer der neuen eidgenössischen Bundesgestaltung von 1848, eine Zeit lang<lb/> Präsident des Ständeraths und des Bundesgerichts; ein treuer Rathgeber der<lb/> Studirenden und einer der gediegensten Kenner des schweizerischen Privat¬<lb/> rechts (geb. 1813, geht. im Jan. 1876). — Und nun Lang, Heinrich Lang,<lb/> die Seele der religiösen Reformbewegung in der Schweiz, dessen Rednergabe<lb/> auch den Gegnern seiner Richtung Bewunderung entlockte. Noch drei Tage<lb/> vor seinem jählings eintretenden Ende hatte er in Basel, der Stadt der aus¬<lb/> geprägtesten religiösen Gegensätze, einen rednerischen Triumph gefeiert. Noch<lb/> nicht fünfzig Jahre alt wurde er seinen zahlreichen, begeisterten Freunden und<lb/> Glaubensgenossen entrissen. Er war zu Anfang der fünfziger Jahre (ein<lb/> geborener Würtenberger) aus Tübingen in die Schweiz gekommen und erhielt<lb/> eine Pfarrstelle in Wartau, einem Dorfe des Se. gallischen Rheinthales. Schon<lb/> hier zog er durch seine Kanzelberedsamkett und durch die Begründung der<lb/> „Zeitstimmen" die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sich. An die Stelle<lb/> dieser „Zeitstimmen" trat später, als Lang schon in Zürich als Prediger zu<lb/> Se. Peter wirkte, als Organ seiner in rascher Verbreitung begriffenen Richtung,<lb/> die von ihm und Bitzius in Twann gemeinsam redigirte Zeitschrift für kirch¬<lb/> lichen Fortschritt „die Reform". Mehrfache sehr ehrenwerthe Berufungen<lb/> ins Ausland lehnte er ab, um sich den ihm liebgewordenen schönen Wirkungs¬<lb/> kreis zu erhalten. Allerdings zeigte sich bei diesem Anlasse der Opfersinn<lb/> wohlhabender Züricher in schönem Lichte. Lang hat durch seine „Religiösen<lb/> Reden und Vorträge" auch als Schriftsteller gewirkt und durch jene Sammlung<lb/> dem denkenden Publikum ein erhebendes Erbauungsmittel in die Hand ge¬<lb/> geben. Die Reformprediger der Schweiz haben in Lang übereinstimmend und<lb/> neidlos ihren Meister anerkannt, und es will das um so mehr heißen, als sie<lb/> eine Anzahl ebenso rüstiger als überzeugungsvoller Kämpfer zählen. Lang<lb/> war geboren d. 14. Nov. 1826 und starb d. 13. Jan. 1876.</p><lb/> <p xml:id="ID_1172" next="#ID_1173"> Mit Werner Munzinger vollends ist ein Schweizer geschieden, dessen<lb/> Todesgeschick in allen gebildeten Kreisen (und nicht bloß unseres Welttheils)<lb/> die tiefste Theilnahme wachgerufen hat. Auch die Wissenschaft, die Civilisation</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0399]
erfreute sich hier des Umganges mit den literarischen Größen der Weltstadt.
Hochbetagt kehrte er wieder in das Land seiner Jugend zurück, um endlich in
Gens bei seinem Sohne sein Leben zu beschließen (7. Januar 1876).
Eine tief empfundene Lücke hinterläßt Rüttimann, der Züricher Pro¬
fessor, Nachfolger Bluntschli's an der Hochschule, als Schriftsteller allen
wissenschaftlichen Juristen rühmlich bekannt durch seine beiden Hauptwerke,
der „englische Civilproceß" und die „Begleichung des schweizerischen mit dem
nordamerikanischen Bundesstaatsrechts", in seinem Wissen ein Autodtdakt von
der gediegensten Sorte, mit Erfolg thätig und mitwirkend an allen rechtlichen
und gerichtlichen Reformen und Neubildungen seines Heimatheantons, ein
Förderer der neuen eidgenössischen Bundesgestaltung von 1848, eine Zeit lang
Präsident des Ständeraths und des Bundesgerichts; ein treuer Rathgeber der
Studirenden und einer der gediegensten Kenner des schweizerischen Privat¬
rechts (geb. 1813, geht. im Jan. 1876). — Und nun Lang, Heinrich Lang,
die Seele der religiösen Reformbewegung in der Schweiz, dessen Rednergabe
auch den Gegnern seiner Richtung Bewunderung entlockte. Noch drei Tage
vor seinem jählings eintretenden Ende hatte er in Basel, der Stadt der aus¬
geprägtesten religiösen Gegensätze, einen rednerischen Triumph gefeiert. Noch
nicht fünfzig Jahre alt wurde er seinen zahlreichen, begeisterten Freunden und
Glaubensgenossen entrissen. Er war zu Anfang der fünfziger Jahre (ein
geborener Würtenberger) aus Tübingen in die Schweiz gekommen und erhielt
eine Pfarrstelle in Wartau, einem Dorfe des Se. gallischen Rheinthales. Schon
hier zog er durch seine Kanzelberedsamkett und durch die Begründung der
„Zeitstimmen" die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sich. An die Stelle
dieser „Zeitstimmen" trat später, als Lang schon in Zürich als Prediger zu
Se. Peter wirkte, als Organ seiner in rascher Verbreitung begriffenen Richtung,
die von ihm und Bitzius in Twann gemeinsam redigirte Zeitschrift für kirch¬
lichen Fortschritt „die Reform". Mehrfache sehr ehrenwerthe Berufungen
ins Ausland lehnte er ab, um sich den ihm liebgewordenen schönen Wirkungs¬
kreis zu erhalten. Allerdings zeigte sich bei diesem Anlasse der Opfersinn
wohlhabender Züricher in schönem Lichte. Lang hat durch seine „Religiösen
Reden und Vorträge" auch als Schriftsteller gewirkt und durch jene Sammlung
dem denkenden Publikum ein erhebendes Erbauungsmittel in die Hand ge¬
geben. Die Reformprediger der Schweiz haben in Lang übereinstimmend und
neidlos ihren Meister anerkannt, und es will das um so mehr heißen, als sie
eine Anzahl ebenso rüstiger als überzeugungsvoller Kämpfer zählen. Lang
war geboren d. 14. Nov. 1826 und starb d. 13. Jan. 1876.
Mit Werner Munzinger vollends ist ein Schweizer geschieden, dessen
Todesgeschick in allen gebildeten Kreisen (und nicht bloß unseres Welttheils)
die tiefste Theilnahme wachgerufen hat. Auch die Wissenschaft, die Civilisation
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