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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Schlösser in Spanien. In Valencia ist nach einem spanischen Sprichworte:
"das Fleisch Kraut, das Kraut Wasser, die Männer sind Weiber, die Weiber
gar nichts".

In Italien standen früher besonders die Bewohner von Bergamo im
Gerüche der Dummpsiffigkeit, weshalb die beiden stehenden Figuren der
italienischen Volkskomödie, der tölpische Arlechino und der schlaue Briggella,
als Bergamasken auftreten. In der Lombardei hat aber überhaupt fast jeder
Ort seinen spöttischen Beinamen bekommen. Die Trienter heißen ihre Nach¬
barn in Roveredo "Fasolini", weil sie im Fisolenessen Außerordentliches leisten
sollen. Die Mezzolombarden werden "Forcolotti" von tvrek (Gabel) genannt,
die Einwohner von Mezzotedeseo "Brusachristi" (Christusverbrenner), die von
Cartagne' "Prahlhänse", die von Carano "Butterkübel", die von Verena
"Katzen". Von den Cavalesen singt ein Spottlied, daß sie Wölfe seien, die
"zwölf Mal im Jahre Fleisch fressen, Hundefleisch und Katzenfleisch und
Faules vom Esel". Gilt im Süden die Bezeichnung Lombarde etwa so viel
wie Tropf, so spricht man in der Lombardei wieder respeciswidrig von "anco-
nischen Eseln". In Genua ist nach einem Sprichworte der Venetianer "das
Meer ohne Fisch, das Gebirg ohne Wald, der Mann ohne Treue und Glau¬
ben, das Weib ohne Scham". Bekannt ist der Spottspruch von Rom:


"Koma veAuta
Z?eZe xeräuta".

Andere Sprüche sagen: "Rom ist heilig, aber das Volk dort ist böse" -
"Wer nach Rom geht, hat drei T nöthig: Tempo (Zeit). Testa (Verstand) und
Testone" (Geld) -- ..Neapel ist ein Paradies, aber von Teufeln bewohnt".
Die Genuesen führen bei den Neapolitanern den Spitznamen der "Feigenesser."
Italienische Gelehrte urtheilten ehedem über ihre Landsleute außerhalb des
Festlandes: "Die auf den Inseln sind die Schlimmsten, und unter den Insel¬
bewohnern sind die Sicilianer, unter den Sicilianern die Messinesen, unter
den Messinesen die auf der Langen Straße, unter denen aber auf der Langen
Straße die im Goldenen Löwen die Allerschlimmsten."

Von dem Mischvolke auf der Insel Malta geht in den östlichen
Mittelmeerhäfen die Rede: "Ein Grieche haut neun Juden, ein Armenier
neun Griechen, ein Malteser neun Armenier übers Ohr." Die in Anatolien
lebenden Neuhellenen behaupten, daß man eher ein grasgrünes Pferd als
einen Seioten zu sehen bekommen kann, der kein Possenreißer wäre -- nach
einer andern Version: der es ehrlich meinte.

Die Ungarn gelten in Wien für komisch naiv wie in Paris die Gas-
cogner, ihr Land heißt "der Kirchhof der Deutschen", Polen aber ist "der
Bauern Hölle, der Juden Paradies, der Bürger Fegefeuer, der Edelleute und
Fremden Goldgrube".


Schlösser in Spanien. In Valencia ist nach einem spanischen Sprichworte:
„das Fleisch Kraut, das Kraut Wasser, die Männer sind Weiber, die Weiber
gar nichts".

In Italien standen früher besonders die Bewohner von Bergamo im
Gerüche der Dummpsiffigkeit, weshalb die beiden stehenden Figuren der
italienischen Volkskomödie, der tölpische Arlechino und der schlaue Briggella,
als Bergamasken auftreten. In der Lombardei hat aber überhaupt fast jeder
Ort seinen spöttischen Beinamen bekommen. Die Trienter heißen ihre Nach¬
barn in Roveredo „Fasolini", weil sie im Fisolenessen Außerordentliches leisten
sollen. Die Mezzolombarden werden „Forcolotti" von tvrek (Gabel) genannt,
die Einwohner von Mezzotedeseo „Brusachristi" (Christusverbrenner), die von
Cartagne' „Prahlhänse", die von Carano „Butterkübel", die von Verena
„Katzen". Von den Cavalesen singt ein Spottlied, daß sie Wölfe seien, die
„zwölf Mal im Jahre Fleisch fressen, Hundefleisch und Katzenfleisch und
Faules vom Esel". Gilt im Süden die Bezeichnung Lombarde etwa so viel
wie Tropf, so spricht man in der Lombardei wieder respeciswidrig von „anco-
nischen Eseln". In Genua ist nach einem Sprichworte der Venetianer „das
Meer ohne Fisch, das Gebirg ohne Wald, der Mann ohne Treue und Glau¬
ben, das Weib ohne Scham". Bekannt ist der Spottspruch von Rom:


„Koma veAuta
Z?eZe xeräuta".

Andere Sprüche sagen: „Rom ist heilig, aber das Volk dort ist böse" -
„Wer nach Rom geht, hat drei T nöthig: Tempo (Zeit). Testa (Verstand) und
Testone" (Geld) — ..Neapel ist ein Paradies, aber von Teufeln bewohnt".
Die Genuesen führen bei den Neapolitanern den Spitznamen der „Feigenesser."
Italienische Gelehrte urtheilten ehedem über ihre Landsleute außerhalb des
Festlandes: „Die auf den Inseln sind die Schlimmsten, und unter den Insel¬
bewohnern sind die Sicilianer, unter den Sicilianern die Messinesen, unter
den Messinesen die auf der Langen Straße, unter denen aber auf der Langen
Straße die im Goldenen Löwen die Allerschlimmsten."

Von dem Mischvolke auf der Insel Malta geht in den östlichen
Mittelmeerhäfen die Rede: „Ein Grieche haut neun Juden, ein Armenier
neun Griechen, ein Malteser neun Armenier übers Ohr." Die in Anatolien
lebenden Neuhellenen behaupten, daß man eher ein grasgrünes Pferd als
einen Seioten zu sehen bekommen kann, der kein Possenreißer wäre — nach
einer andern Version: der es ehrlich meinte.

Die Ungarn gelten in Wien für komisch naiv wie in Paris die Gas-
cogner, ihr Land heißt „der Kirchhof der Deutschen", Polen aber ist „der
Bauern Hölle, der Juden Paradies, der Bürger Fegefeuer, der Edelleute und
Fremden Goldgrube".


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[0389] Schlösser in Spanien. In Valencia ist nach einem spanischen Sprichworte: „das Fleisch Kraut, das Kraut Wasser, die Männer sind Weiber, die Weiber gar nichts". In Italien standen früher besonders die Bewohner von Bergamo im Gerüche der Dummpsiffigkeit, weshalb die beiden stehenden Figuren der italienischen Volkskomödie, der tölpische Arlechino und der schlaue Briggella, als Bergamasken auftreten. In der Lombardei hat aber überhaupt fast jeder Ort seinen spöttischen Beinamen bekommen. Die Trienter heißen ihre Nach¬ barn in Roveredo „Fasolini", weil sie im Fisolenessen Außerordentliches leisten sollen. Die Mezzolombarden werden „Forcolotti" von tvrek (Gabel) genannt, die Einwohner von Mezzotedeseo „Brusachristi" (Christusverbrenner), die von Cartagne' „Prahlhänse", die von Carano „Butterkübel", die von Verena „Katzen". Von den Cavalesen singt ein Spottlied, daß sie Wölfe seien, die „zwölf Mal im Jahre Fleisch fressen, Hundefleisch und Katzenfleisch und Faules vom Esel". Gilt im Süden die Bezeichnung Lombarde etwa so viel wie Tropf, so spricht man in der Lombardei wieder respeciswidrig von „anco- nischen Eseln". In Genua ist nach einem Sprichworte der Venetianer „das Meer ohne Fisch, das Gebirg ohne Wald, der Mann ohne Treue und Glau¬ ben, das Weib ohne Scham". Bekannt ist der Spottspruch von Rom: „Koma veAuta Z?eZe xeräuta". Andere Sprüche sagen: „Rom ist heilig, aber das Volk dort ist böse" - „Wer nach Rom geht, hat drei T nöthig: Tempo (Zeit). Testa (Verstand) und Testone" (Geld) — ..Neapel ist ein Paradies, aber von Teufeln bewohnt". Die Genuesen führen bei den Neapolitanern den Spitznamen der „Feigenesser." Italienische Gelehrte urtheilten ehedem über ihre Landsleute außerhalb des Festlandes: „Die auf den Inseln sind die Schlimmsten, und unter den Insel¬ bewohnern sind die Sicilianer, unter den Sicilianern die Messinesen, unter den Messinesen die auf der Langen Straße, unter denen aber auf der Langen Straße die im Goldenen Löwen die Allerschlimmsten." Von dem Mischvolke auf der Insel Malta geht in den östlichen Mittelmeerhäfen die Rede: „Ein Grieche haut neun Juden, ein Armenier neun Griechen, ein Malteser neun Armenier übers Ohr." Die in Anatolien lebenden Neuhellenen behaupten, daß man eher ein grasgrünes Pferd als einen Seioten zu sehen bekommen kann, der kein Possenreißer wäre — nach einer andern Version: der es ehrlich meinte. Die Ungarn gelten in Wien für komisch naiv wie in Paris die Gas- cogner, ihr Land heißt „der Kirchhof der Deutschen", Polen aber ist „der Bauern Hölle, der Juden Paradies, der Bürger Fegefeuer, der Edelleute und Fremden Goldgrube".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/389>, abgerufen am 03.07.2024.