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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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in Eile nach dem Dorfe Hospenthal angetreten. Die Russen besetzten die
Paßhöhe. Nachdem sie sich gesammelt und formirt, wurde sofort, im Däm¬
merlicht der Weitermarsch angetreten. Die Franzosen nahmen in Hospenthal
wiederum Stellung.

In diesem Moment traf Lecourbe mit den übrigen Truppen der Brigade
Loison zur Unterstützung Gudin's daselbst ein. Eine kleine Reserve bei dem
Dorfe Andermatt zurücklassend, rückte er sofort dem Feldmarschall entgegen,
erhielt jedoch in Hospenthal die Nachricht, daß er in seinem Rücken, von einer
andern russischen Colonne, welche vom Oberalp-See heranziehe, bedroht werde.

Das Corps Rosenberg war am 24. bei Tagesanbruch von Tavetsch auf¬
gebrochen, es traf am Oberalp-See auf zwei dort aufgestellte Bataillone. Letz¬
tere, den Anmarsch der Russen nicht ahnend, wurden halb und halb überrascht
und mußten sich, von ihnen immer scharf verfolgt, in größter Eile nach dem
Dorfe Andermatt zurückziehen. Hier vereinigten sie sich mit der von Lecourbe
dort zurückgelassenen Reserve. Unter Benutzung eines dichten Nebels und der
hereingebrochenen Abenddämmerung, gelang es Rosenberg, diese französische
Abtheilung zu umgehen und zu überfallen. Nach kurzem Kampfe, von ihrer
Rückzugslinie nach Altdorf abgeschnitten, floh sie in vollständiger Auflösung,
in der Richtung gegen die Furka. Der Nebel und die eintretende Dunkel¬
heit retteten dieselbe vor weiterer Verfolgung. Rosenberg besetzte Ander¬
matt und bezog in der Nähe des Dorfes ein Bivouak.

Unterdessen suchte Lecourbe. welcher vorwärts Hospenthal Stellung ge¬
nommen , das Vordringen Suworow's bis zum Einbruch der Nacht aufzu¬
halten. Dies gelang ihm auch und es war bereits völlig dunkel, als die
Russen endlich das Dorf nahmen. -- Der Rückzug gegen Andermatt und
das bedeutende Defilee der Teufelsbrücke war den Franzosen momentan ab¬
geschnitten. -- Die Russen blieben bei Hospenthal, denn selbst Suworow
mochte sich nicht entschließen, die Operationen zur Nachtzeit und in dem auf
allen Seiten von.unübersteigbaren Bergrücken umschlossenen Hochthals fort¬
zusetzen. Die Truppen waren auch der Erschöpfung nahe. Sie hatten an
diesem Tage 4'/-" Meile zurückgelegt.

Die Nacht vom 24. zum 25. September brachte die russische Armee in
zwei getrennten, nur eine Stunde von einander entfernten, Bivouaks zu; eine
Verbindung wurde unbegreiflicher Weise nicht hergestellt. -- Bon dem einen
Lagerplatz konnte man deutlich hinter den Bivouaks des Feindes die Wacht¬
feuer des andern erblicken. Die Nacht war eisig kalt und stürmisch. --

Lecourbe konnte sich' immer noch über die Furka nach Wallis zurück¬
ziehen, doch hätte er in diesem Falle die Straße durch die DefMen der Reuß
Preis gegeben. Der entschlossene, kühne General zog es daher vor, seine
sämmtlichen Geschütze und Bagagewagen in die Reuß zu werfen und was-


in Eile nach dem Dorfe Hospenthal angetreten. Die Russen besetzten die
Paßhöhe. Nachdem sie sich gesammelt und formirt, wurde sofort, im Däm¬
merlicht der Weitermarsch angetreten. Die Franzosen nahmen in Hospenthal
wiederum Stellung.

In diesem Moment traf Lecourbe mit den übrigen Truppen der Brigade
Loison zur Unterstützung Gudin's daselbst ein. Eine kleine Reserve bei dem
Dorfe Andermatt zurücklassend, rückte er sofort dem Feldmarschall entgegen,
erhielt jedoch in Hospenthal die Nachricht, daß er in seinem Rücken, von einer
andern russischen Colonne, welche vom Oberalp-See heranziehe, bedroht werde.

Das Corps Rosenberg war am 24. bei Tagesanbruch von Tavetsch auf¬
gebrochen, es traf am Oberalp-See auf zwei dort aufgestellte Bataillone. Letz¬
tere, den Anmarsch der Russen nicht ahnend, wurden halb und halb überrascht
und mußten sich, von ihnen immer scharf verfolgt, in größter Eile nach dem
Dorfe Andermatt zurückziehen. Hier vereinigten sie sich mit der von Lecourbe
dort zurückgelassenen Reserve. Unter Benutzung eines dichten Nebels und der
hereingebrochenen Abenddämmerung, gelang es Rosenberg, diese französische
Abtheilung zu umgehen und zu überfallen. Nach kurzem Kampfe, von ihrer
Rückzugslinie nach Altdorf abgeschnitten, floh sie in vollständiger Auflösung,
in der Richtung gegen die Furka. Der Nebel und die eintretende Dunkel¬
heit retteten dieselbe vor weiterer Verfolgung. Rosenberg besetzte Ander¬
matt und bezog in der Nähe des Dorfes ein Bivouak.

Unterdessen suchte Lecourbe. welcher vorwärts Hospenthal Stellung ge¬
nommen , das Vordringen Suworow's bis zum Einbruch der Nacht aufzu¬
halten. Dies gelang ihm auch und es war bereits völlig dunkel, als die
Russen endlich das Dorf nahmen. — Der Rückzug gegen Andermatt und
das bedeutende Defilee der Teufelsbrücke war den Franzosen momentan ab¬
geschnitten. — Die Russen blieben bei Hospenthal, denn selbst Suworow
mochte sich nicht entschließen, die Operationen zur Nachtzeit und in dem auf
allen Seiten von.unübersteigbaren Bergrücken umschlossenen Hochthals fort¬
zusetzen. Die Truppen waren auch der Erschöpfung nahe. Sie hatten an
diesem Tage 4'/-» Meile zurückgelegt.

Die Nacht vom 24. zum 25. September brachte die russische Armee in
zwei getrennten, nur eine Stunde von einander entfernten, Bivouaks zu; eine
Verbindung wurde unbegreiflicher Weise nicht hergestellt. — Bon dem einen
Lagerplatz konnte man deutlich hinter den Bivouaks des Feindes die Wacht¬
feuer des andern erblicken. Die Nacht war eisig kalt und stürmisch. —

Lecourbe konnte sich' immer noch über die Furka nach Wallis zurück¬
ziehen, doch hätte er in diesem Falle die Straße durch die DefMen der Reuß
Preis gegeben. Der entschlossene, kühne General zog es daher vor, seine
sämmtlichen Geschütze und Bagagewagen in die Reuß zu werfen und was-


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[0383] in Eile nach dem Dorfe Hospenthal angetreten. Die Russen besetzten die Paßhöhe. Nachdem sie sich gesammelt und formirt, wurde sofort, im Däm¬ merlicht der Weitermarsch angetreten. Die Franzosen nahmen in Hospenthal wiederum Stellung. In diesem Moment traf Lecourbe mit den übrigen Truppen der Brigade Loison zur Unterstützung Gudin's daselbst ein. Eine kleine Reserve bei dem Dorfe Andermatt zurücklassend, rückte er sofort dem Feldmarschall entgegen, erhielt jedoch in Hospenthal die Nachricht, daß er in seinem Rücken, von einer andern russischen Colonne, welche vom Oberalp-See heranziehe, bedroht werde. Das Corps Rosenberg war am 24. bei Tagesanbruch von Tavetsch auf¬ gebrochen, es traf am Oberalp-See auf zwei dort aufgestellte Bataillone. Letz¬ tere, den Anmarsch der Russen nicht ahnend, wurden halb und halb überrascht und mußten sich, von ihnen immer scharf verfolgt, in größter Eile nach dem Dorfe Andermatt zurückziehen. Hier vereinigten sie sich mit der von Lecourbe dort zurückgelassenen Reserve. Unter Benutzung eines dichten Nebels und der hereingebrochenen Abenddämmerung, gelang es Rosenberg, diese französische Abtheilung zu umgehen und zu überfallen. Nach kurzem Kampfe, von ihrer Rückzugslinie nach Altdorf abgeschnitten, floh sie in vollständiger Auflösung, in der Richtung gegen die Furka. Der Nebel und die eintretende Dunkel¬ heit retteten dieselbe vor weiterer Verfolgung. Rosenberg besetzte Ander¬ matt und bezog in der Nähe des Dorfes ein Bivouak. Unterdessen suchte Lecourbe. welcher vorwärts Hospenthal Stellung ge¬ nommen , das Vordringen Suworow's bis zum Einbruch der Nacht aufzu¬ halten. Dies gelang ihm auch und es war bereits völlig dunkel, als die Russen endlich das Dorf nahmen. — Der Rückzug gegen Andermatt und das bedeutende Defilee der Teufelsbrücke war den Franzosen momentan ab¬ geschnitten. — Die Russen blieben bei Hospenthal, denn selbst Suworow mochte sich nicht entschließen, die Operationen zur Nachtzeit und in dem auf allen Seiten von.unübersteigbaren Bergrücken umschlossenen Hochthals fort¬ zusetzen. Die Truppen waren auch der Erschöpfung nahe. Sie hatten an diesem Tage 4'/-» Meile zurückgelegt. Die Nacht vom 24. zum 25. September brachte die russische Armee in zwei getrennten, nur eine Stunde von einander entfernten, Bivouaks zu; eine Verbindung wurde unbegreiflicher Weise nicht hergestellt. — Bon dem einen Lagerplatz konnte man deutlich hinter den Bivouaks des Feindes die Wacht¬ feuer des andern erblicken. Die Nacht war eisig kalt und stürmisch. — Lecourbe konnte sich' immer noch über die Furka nach Wallis zurück¬ ziehen, doch hätte er in diesem Falle die Straße durch die DefMen der Reuß Preis gegeben. Der entschlossene, kühne General zog es daher vor, seine sämmtlichen Geschütze und Bagagewagen in die Reuß zu werfen und was-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/383>, abgerufen am 03.07.2024.