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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Theil erklettert werden. In der Nacht vom 22. zum 23. bivouakirte das Corps
in der Nähe des Luckmanier, auf einem schneebedeckten Bergrücken. 8000' über
dem Meere. Am 23. nahm es bei Tavetsch Stellung. Die Truppen Rosen-
berg's hatten innerhalb dreier Tagen gegen 14 deutsche Meilen zurückgelegt,
gewiß eine außerordentliche Leistung, zumal bei mangelhafter Verpflegung.

Der Se. Gotthardt und die Abhänge desselben nach Italien zu waren
von der französischen Brigade Gudin vertheidigt (4300 Mann). Drei Batail¬
lone hielten die Paßhöhe besetzt und waren theilweise bis Airolo vorgeschoben.
Ein Bataillon stand auf der Straße nach Wallis, zwei als Reserve zwischen
Tavetsch und Andermatt. Eine zweite französische Brigade (Loison) von fast
gleicher Stärke war längs des ganzen oberen Reusthals von Andermatt bis
Altdorf aufgestellt. Einzelne Posten derselben hielten die kleineren Seiten¬
thäler, wie Maderaner und Schächenthal, besetzt. Den Oberbefehl führte der
talentvolle und äußerst energische General Lecourbe. Der Zahl nach waren
die Suworow hier entgegenstehenden Strettkräfte demnach nicht zu bedeutend,
das Terrain jedoch erhöhte die Stärke des Vertheidigers mindestens um das
dreifache.

Ein directer Angriff der Stellung des Se. Gotthardt von Süden her,
ist kaum ausführbar, wenn nicht auf die Flanke des Gegners gewirkt werden
kann. Der schmale Saumpfad, der auch heute noch zum großen Theil zu
verfolgen ist, führt bald hinter Airolo unter unzähligen Krümmungen und
sehr bedeutender Steigung fast 3^2 Stunde bis zur Paßhöhe. -- Nach
zweistündigem Steigen senkt sich die Straße zu dem wilden und reißenden
Gebirgsbache Sorecla hinab in das sogenannte Tremolathal, um von da
von Neuem, wenn auch allmäliger zu steigen. Das Terrain links und rechts
des Saumpfades ist eigentlich als vollständig ungangbar für Truppenbe¬
wegungen zu bezeichnen; entweder fällt es steil, oft viele Hunderte von Fuß,
ab, oder es ist mit Trümmergeschieben und Felsblöcken bedeckt, wo selbst ein
Emporklettern nur mit Todesgefahr verbunden ist.

Das Corps Derselben zählte mit der Brigade Strauch nicht über 13000
Mann. Die Umgehungsbewegung Rosenberg's konnte der Hauptcolonne nur
sicher den Weg bahnen. Der Feldmarschall beschloß jedoch, um den Feind
zu verhindern, sich mit seinen gesammten Streitkräften gegen Rosenberg zu
wenden, zu gleicher Zeit auch die Stellung in der Front anzugreifen. -- Am
24. September Morgens 4 Uhr setzten sich die Truppen der Hauptcolonne
von Dazio gegen Airolo in Bewegung. Hinter Piotta theilten sich dieselben,
die Avantgarde Bagration's und die Division Schweikowsky gingen auf das
linke Ufer des Flusses über Madrano gegen Airolo vor, die zweite Colonne
blieb auf der Hauptstraße. -- Nach einer stürmischen und regnerischen Nacht
hörte gegen 8 Uhr der Regen aus, das Wetter blieb jedoch feucht und nebelig,


Theil erklettert werden. In der Nacht vom 22. zum 23. bivouakirte das Corps
in der Nähe des Luckmanier, auf einem schneebedeckten Bergrücken. 8000' über
dem Meere. Am 23. nahm es bei Tavetsch Stellung. Die Truppen Rosen-
berg's hatten innerhalb dreier Tagen gegen 14 deutsche Meilen zurückgelegt,
gewiß eine außerordentliche Leistung, zumal bei mangelhafter Verpflegung.

Der Se. Gotthardt und die Abhänge desselben nach Italien zu waren
von der französischen Brigade Gudin vertheidigt (4300 Mann). Drei Batail¬
lone hielten die Paßhöhe besetzt und waren theilweise bis Airolo vorgeschoben.
Ein Bataillon stand auf der Straße nach Wallis, zwei als Reserve zwischen
Tavetsch und Andermatt. Eine zweite französische Brigade (Loison) von fast
gleicher Stärke war längs des ganzen oberen Reusthals von Andermatt bis
Altdorf aufgestellt. Einzelne Posten derselben hielten die kleineren Seiten¬
thäler, wie Maderaner und Schächenthal, besetzt. Den Oberbefehl führte der
talentvolle und äußerst energische General Lecourbe. Der Zahl nach waren
die Suworow hier entgegenstehenden Strettkräfte demnach nicht zu bedeutend,
das Terrain jedoch erhöhte die Stärke des Vertheidigers mindestens um das
dreifache.

Ein directer Angriff der Stellung des Se. Gotthardt von Süden her,
ist kaum ausführbar, wenn nicht auf die Flanke des Gegners gewirkt werden
kann. Der schmale Saumpfad, der auch heute noch zum großen Theil zu
verfolgen ist, führt bald hinter Airolo unter unzähligen Krümmungen und
sehr bedeutender Steigung fast 3^2 Stunde bis zur Paßhöhe. — Nach
zweistündigem Steigen senkt sich die Straße zu dem wilden und reißenden
Gebirgsbache Sorecla hinab in das sogenannte Tremolathal, um von da
von Neuem, wenn auch allmäliger zu steigen. Das Terrain links und rechts
des Saumpfades ist eigentlich als vollständig ungangbar für Truppenbe¬
wegungen zu bezeichnen; entweder fällt es steil, oft viele Hunderte von Fuß,
ab, oder es ist mit Trümmergeschieben und Felsblöcken bedeckt, wo selbst ein
Emporklettern nur mit Todesgefahr verbunden ist.

Das Corps Derselben zählte mit der Brigade Strauch nicht über 13000
Mann. Die Umgehungsbewegung Rosenberg's konnte der Hauptcolonne nur
sicher den Weg bahnen. Der Feldmarschall beschloß jedoch, um den Feind
zu verhindern, sich mit seinen gesammten Streitkräften gegen Rosenberg zu
wenden, zu gleicher Zeit auch die Stellung in der Front anzugreifen. — Am
24. September Morgens 4 Uhr setzten sich die Truppen der Hauptcolonne
von Dazio gegen Airolo in Bewegung. Hinter Piotta theilten sich dieselben,
die Avantgarde Bagration's und die Division Schweikowsky gingen auf das
linke Ufer des Flusses über Madrano gegen Airolo vor, die zweite Colonne
blieb auf der Hauptstraße. — Nach einer stürmischen und regnerischen Nacht
hörte gegen 8 Uhr der Regen aus, das Wetter blieb jedoch feucht und nebelig,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/381>, abgerufen am 19.10.2024.