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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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land acceptirt wurde. Der Erzherzog sollte hiernach zuerst die Franzosen
aus der Schweiz vertreiben und dann mit der ganzen östreichischen Schweizer
und Tyroler Armee gegen den Rhein ziehen. Suworow sollte mit dem russi¬
schen Corps aus Italien nach der Schweiz marschiren, sich mit Korsakow
vereinigen und dort den Oberbefehl übernehmen, Melas als Höchstcomman-
dirender in Italien bleiben.

Die Gründe, welche Oestreich zu diesem neuen Feldzugsplan bewogen,
waren im Allgemeinen folgende. Den Kaiser Paul leiteten bei diesem Kriege
nur edle Motive; ihm war Zweck des Krieges, die vertriebenen Dynastien
wieder auf ihren Thron zurückzuführen, Frankreich zu züchtigen und dem Un¬
wesen daselbst durch Wiedereinsetzung des Königthums ein Ende zu machen.
In diesem Sinne verfuhr auch Suworow als Oberfeldherr in Italien, setzte
die Behörden wieder ein, organisirte die aufgelösten Armeen und rief die
flüchtigen Fürsten zurück. Dieß lag aber nicht in dem Willen Oestreichs.
Oestreich wollte vielmehr grade das Gegentheil und streckte, bevor schon der
Krieg beendet, seine habgierigen Hände nach allen Seiten aus. Der größte
Theil von Piemont, die mittelitalienischen Herzogthümer, sogar Theile des
Kirchenstaates, Neapels. Baierns und der Schweiz, sollten ihm zur Abrundung
seiner Grenzen dienen. -- Alles was Suworow im Sinne Kaiser Paul's in
Italien angeordnet, befahl Oestreich unter nichtigen Gründen wieder rück¬
gängig zu machen. Da Suworow sich dem auf das Entschiedenste widersetzte,
so sann der allvermögende Minister Thugut auf Mittel, ihn möglichst aus
Italien zu entfernen. Vielleicht hat auch Erzherzog Karl zu diesem Entschluß
mit beigetragen. Ihm war es offenbar unangenehm, mit den Russen gemein¬
sam zu kämpfen, auch sah er ungern Suworow als Rivalen auf der Höhe
seines Ruhmes neben sich. Da persönliche Kränkungen, oft der niedrigsten
Art und die mannichfaltigsten Intriguen des Hofkriegsraths bei dem Feld¬
marschall Nichts fruchteten, so sollte ihm nun durch den veränderten Feld¬
zugsplan eine andre Thätigkeit angewiesen werden und man hoffte so, endlich
freies Spiel in Italien zu bekommen. Im Geheimen wurden sogar seitens
Oestreichs Verhandlungen mit Frankreich zur Abschließung eines Separat¬
friedens angeknüpft, in der Hoffnung auf diese Weise möglichst viel und sicher
zu erlangen; dieselben zerschlugen sich jedoch. Kaiser Paul, obwohl durch
vielfache Andeutungen Suworow's mißtrauisch gemacht, willigte doch endlich,
auf wiederholtes Drängen Oestreichs, in die Veränderungen des Feldzugsplans.
Suworow erhielt die Ordre, mit den Russen Italien zu verlassen.

Was geschah nun aber? Der Hofkriegsrath hielt es plötzlich nicht mehr
für nöthig, daß der Erzherzog erst die französische Armee aus der Schweiz
vertreiben und die Ankunft Suworow's demnächst abzuwarten habe, wie genau
festgesetzt, -- sondern in dem Moment, als Suworow seine Bewegungen


land acceptirt wurde. Der Erzherzog sollte hiernach zuerst die Franzosen
aus der Schweiz vertreiben und dann mit der ganzen östreichischen Schweizer
und Tyroler Armee gegen den Rhein ziehen. Suworow sollte mit dem russi¬
schen Corps aus Italien nach der Schweiz marschiren, sich mit Korsakow
vereinigen und dort den Oberbefehl übernehmen, Melas als Höchstcomman-
dirender in Italien bleiben.

Die Gründe, welche Oestreich zu diesem neuen Feldzugsplan bewogen,
waren im Allgemeinen folgende. Den Kaiser Paul leiteten bei diesem Kriege
nur edle Motive; ihm war Zweck des Krieges, die vertriebenen Dynastien
wieder auf ihren Thron zurückzuführen, Frankreich zu züchtigen und dem Un¬
wesen daselbst durch Wiedereinsetzung des Königthums ein Ende zu machen.
In diesem Sinne verfuhr auch Suworow als Oberfeldherr in Italien, setzte
die Behörden wieder ein, organisirte die aufgelösten Armeen und rief die
flüchtigen Fürsten zurück. Dieß lag aber nicht in dem Willen Oestreichs.
Oestreich wollte vielmehr grade das Gegentheil und streckte, bevor schon der
Krieg beendet, seine habgierigen Hände nach allen Seiten aus. Der größte
Theil von Piemont, die mittelitalienischen Herzogthümer, sogar Theile des
Kirchenstaates, Neapels. Baierns und der Schweiz, sollten ihm zur Abrundung
seiner Grenzen dienen. — Alles was Suworow im Sinne Kaiser Paul's in
Italien angeordnet, befahl Oestreich unter nichtigen Gründen wieder rück¬
gängig zu machen. Da Suworow sich dem auf das Entschiedenste widersetzte,
so sann der allvermögende Minister Thugut auf Mittel, ihn möglichst aus
Italien zu entfernen. Vielleicht hat auch Erzherzog Karl zu diesem Entschluß
mit beigetragen. Ihm war es offenbar unangenehm, mit den Russen gemein¬
sam zu kämpfen, auch sah er ungern Suworow als Rivalen auf der Höhe
seines Ruhmes neben sich. Da persönliche Kränkungen, oft der niedrigsten
Art und die mannichfaltigsten Intriguen des Hofkriegsraths bei dem Feld¬
marschall Nichts fruchteten, so sollte ihm nun durch den veränderten Feld¬
zugsplan eine andre Thätigkeit angewiesen werden und man hoffte so, endlich
freies Spiel in Italien zu bekommen. Im Geheimen wurden sogar seitens
Oestreichs Verhandlungen mit Frankreich zur Abschließung eines Separat¬
friedens angeknüpft, in der Hoffnung auf diese Weise möglichst viel und sicher
zu erlangen; dieselben zerschlugen sich jedoch. Kaiser Paul, obwohl durch
vielfache Andeutungen Suworow's mißtrauisch gemacht, willigte doch endlich,
auf wiederholtes Drängen Oestreichs, in die Veränderungen des Feldzugsplans.
Suworow erhielt die Ordre, mit den Russen Italien zu verlassen.

Was geschah nun aber? Der Hofkriegsrath hielt es plötzlich nicht mehr
für nöthig, daß der Erzherzog erst die französische Armee aus der Schweiz
vertreiben und die Ankunft Suworow's demnächst abzuwarten habe, wie genau
festgesetzt, — sondern in dem Moment, als Suworow seine Bewegungen


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[0375] land acceptirt wurde. Der Erzherzog sollte hiernach zuerst die Franzosen aus der Schweiz vertreiben und dann mit der ganzen östreichischen Schweizer und Tyroler Armee gegen den Rhein ziehen. Suworow sollte mit dem russi¬ schen Corps aus Italien nach der Schweiz marschiren, sich mit Korsakow vereinigen und dort den Oberbefehl übernehmen, Melas als Höchstcomman- dirender in Italien bleiben. Die Gründe, welche Oestreich zu diesem neuen Feldzugsplan bewogen, waren im Allgemeinen folgende. Den Kaiser Paul leiteten bei diesem Kriege nur edle Motive; ihm war Zweck des Krieges, die vertriebenen Dynastien wieder auf ihren Thron zurückzuführen, Frankreich zu züchtigen und dem Un¬ wesen daselbst durch Wiedereinsetzung des Königthums ein Ende zu machen. In diesem Sinne verfuhr auch Suworow als Oberfeldherr in Italien, setzte die Behörden wieder ein, organisirte die aufgelösten Armeen und rief die flüchtigen Fürsten zurück. Dieß lag aber nicht in dem Willen Oestreichs. Oestreich wollte vielmehr grade das Gegentheil und streckte, bevor schon der Krieg beendet, seine habgierigen Hände nach allen Seiten aus. Der größte Theil von Piemont, die mittelitalienischen Herzogthümer, sogar Theile des Kirchenstaates, Neapels. Baierns und der Schweiz, sollten ihm zur Abrundung seiner Grenzen dienen. — Alles was Suworow im Sinne Kaiser Paul's in Italien angeordnet, befahl Oestreich unter nichtigen Gründen wieder rück¬ gängig zu machen. Da Suworow sich dem auf das Entschiedenste widersetzte, so sann der allvermögende Minister Thugut auf Mittel, ihn möglichst aus Italien zu entfernen. Vielleicht hat auch Erzherzog Karl zu diesem Entschluß mit beigetragen. Ihm war es offenbar unangenehm, mit den Russen gemein¬ sam zu kämpfen, auch sah er ungern Suworow als Rivalen auf der Höhe seines Ruhmes neben sich. Da persönliche Kränkungen, oft der niedrigsten Art und die mannichfaltigsten Intriguen des Hofkriegsraths bei dem Feld¬ marschall Nichts fruchteten, so sollte ihm nun durch den veränderten Feld¬ zugsplan eine andre Thätigkeit angewiesen werden und man hoffte so, endlich freies Spiel in Italien zu bekommen. Im Geheimen wurden sogar seitens Oestreichs Verhandlungen mit Frankreich zur Abschließung eines Separat¬ friedens angeknüpft, in der Hoffnung auf diese Weise möglichst viel und sicher zu erlangen; dieselben zerschlugen sich jedoch. Kaiser Paul, obwohl durch vielfache Andeutungen Suworow's mißtrauisch gemacht, willigte doch endlich, auf wiederholtes Drängen Oestreichs, in die Veränderungen des Feldzugsplans. Suworow erhielt die Ordre, mit den Russen Italien zu verlassen. Was geschah nun aber? Der Hofkriegsrath hielt es plötzlich nicht mehr für nöthig, daß der Erzherzog erst die französische Armee aus der Schweiz vertreiben und die Ankunft Suworow's demnächst abzuwarten habe, wie genau festgesetzt, — sondern in dem Moment, als Suworow seine Bewegungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/375>, abgerufen am 19.10.2024.