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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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einem Namen. der sich nicht merken ließe. Die Zunge des Obersten war der
Zauberstab eines Magiers, der gedörrte Aepfel in Feigen und Wasser in
Wein verwandelte, und zwar mit derselben Leichtigkeit, mit derIer aus einer
Hütte einen Palast machte und Armuth als nahe bevorstehenden zukünftigen
Reichthum darstellte."

Das Frühstück ist nicht besser als das Abendessen, aber der Oberst ver¬
wandelt es durch seine Reden in ein orientalisches Festgelage. Nach einem
Weilchen sagt er: "Ich beabsichtige, mich Deinetwegen umzusehen, Was¬
hington, mein Junge. Ich habe gestern eine Stelle für Dich aufgespürt, aber
ich komme jetzt nicht daraus zurück -- das ist nur ein Butterbrot. Wenn ich
sage, ich werde mich Deinetwegen umsehen, so meine ich etwas ganz Ande¬
res ... Ich werde Dich auf einen Weg bringen, wo Du soviel Geld ver¬
dienen sollst, daß Du nicht wissen wirst, was damit anzufangen ist. Ich
habe etliche ganz wunderbare Operationen vor, aber ich halte mich still.
Mund halten ist die Parole. Dein alter Freund geht nicht herum und
gackert und läßt alle Welt sich in die Karten gucken ... Nun haben wir da
eine Speculation in Mais, die sich gut anläßt. Etliche Leute in Neuyork
versuchen mich dafür zu gewinnen -- wollen alle Saaten auf dem Halm auf¬
kaufen und dann, wenn sie reif sind, den Markt beherrschen -- ha, ich sage
Dir's, ein großartiger Gedanke. Und es kostet nur eine Kleinigkeit -- mit
dritthalb Millionen ist's gethan. Ich habe noch nicht gerade zugesagt --
's hat keine Eile -- weißt Du, je gleichgültiger ich scheine, desto hitziger wer¬
den die Kerle. Und dann ist da diese Schweine-Speculation -- die ist noch
großartiger. Wir haben hier stille Leute an der Arbeit -- die schleichen her¬
um wie die Katze nach Mäusen, um von den Farmern ringsum im ganzen
Westen und Nordwesten Angebote für die Aufzucht ihrer Schweine zu sammeln,
und andere Agenten, die in der Stille Angebote und Preise von den Pökel¬
fleisch-Fabrikanten einholen -- und siehst Du nicht, daß, wenn wir alle diese
Schweine und alle diese Schlachthäuser in aller Stille in die Hände kriegen
-- hui, drei Schiffe brauchten wir dann, um all das Geld fortzuschaffen,
das dabei verdient würde. Ich habe mir die Sache angesehen -- habe mir
alle Chancen für und alle Chancen gegen sie ausgerechnet, und obwohl ich
den Kopf schüttele und zögere und anscheinend weiter nachdenke, so bin ich
doch überzeugt, daß, wenn das Ding sich mit einem Kapital von sechs Milli¬
onen machen läßt, dies das Pferd ist, auf das ich mein Geld setze. Jeder
Mensch kann sehen, daß ganze atlantische Oceane voll Geld drin stecken, die
Golfe und Buchten mitgerechnet. Aber es giebt noch 'was größeres als das
-- ein größeres --

Was, Oberst, Sie können doch nicht noch 'was Größeres haben wollen,
sagte Washington mit blitzenden Augen. O, ich wollte doch, ich könnte


einem Namen. der sich nicht merken ließe. Die Zunge des Obersten war der
Zauberstab eines Magiers, der gedörrte Aepfel in Feigen und Wasser in
Wein verwandelte, und zwar mit derselben Leichtigkeit, mit derIer aus einer
Hütte einen Palast machte und Armuth als nahe bevorstehenden zukünftigen
Reichthum darstellte."

Das Frühstück ist nicht besser als das Abendessen, aber der Oberst ver¬
wandelt es durch seine Reden in ein orientalisches Festgelage. Nach einem
Weilchen sagt er: „Ich beabsichtige, mich Deinetwegen umzusehen, Was¬
hington, mein Junge. Ich habe gestern eine Stelle für Dich aufgespürt, aber
ich komme jetzt nicht daraus zurück — das ist nur ein Butterbrot. Wenn ich
sage, ich werde mich Deinetwegen umsehen, so meine ich etwas ganz Ande¬
res ... Ich werde Dich auf einen Weg bringen, wo Du soviel Geld ver¬
dienen sollst, daß Du nicht wissen wirst, was damit anzufangen ist. Ich
habe etliche ganz wunderbare Operationen vor, aber ich halte mich still.
Mund halten ist die Parole. Dein alter Freund geht nicht herum und
gackert und läßt alle Welt sich in die Karten gucken ... Nun haben wir da
eine Speculation in Mais, die sich gut anläßt. Etliche Leute in Neuyork
versuchen mich dafür zu gewinnen — wollen alle Saaten auf dem Halm auf¬
kaufen und dann, wenn sie reif sind, den Markt beherrschen — ha, ich sage
Dir's, ein großartiger Gedanke. Und es kostet nur eine Kleinigkeit — mit
dritthalb Millionen ist's gethan. Ich habe noch nicht gerade zugesagt —
's hat keine Eile — weißt Du, je gleichgültiger ich scheine, desto hitziger wer¬
den die Kerle. Und dann ist da diese Schweine-Speculation — die ist noch
großartiger. Wir haben hier stille Leute an der Arbeit — die schleichen her¬
um wie die Katze nach Mäusen, um von den Farmern ringsum im ganzen
Westen und Nordwesten Angebote für die Aufzucht ihrer Schweine zu sammeln,
und andere Agenten, die in der Stille Angebote und Preise von den Pökel¬
fleisch-Fabrikanten einholen — und siehst Du nicht, daß, wenn wir alle diese
Schweine und alle diese Schlachthäuser in aller Stille in die Hände kriegen
— hui, drei Schiffe brauchten wir dann, um all das Geld fortzuschaffen,
das dabei verdient würde. Ich habe mir die Sache angesehen — habe mir
alle Chancen für und alle Chancen gegen sie ausgerechnet, und obwohl ich
den Kopf schüttele und zögere und anscheinend weiter nachdenke, so bin ich
doch überzeugt, daß, wenn das Ding sich mit einem Kapital von sechs Milli¬
onen machen läßt, dies das Pferd ist, auf das ich mein Geld setze. Jeder
Mensch kann sehen, daß ganze atlantische Oceane voll Geld drin stecken, die
Golfe und Buchten mitgerechnet. Aber es giebt noch 'was größeres als das
— ein größeres —

Was, Oberst, Sie können doch nicht noch 'was Größeres haben wollen,
sagte Washington mit blitzenden Augen. O, ich wollte doch, ich könnte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/344>, abgerufen am 25.08.2024.