Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.erfreulich vor allem wegen eines Umstandes. An der letzten Ostermesse nämlich Es war zu wünschen und zu hoffen, daß diese doppelte Anregung nicht erfreulich vor allem wegen eines Umstandes. An der letzten Ostermesse nämlich Es war zu wünschen und zu hoffen, daß diese doppelte Anregung nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135385"/> <p xml:id="ID_936" prev="#ID_935"> erfreulich vor allem wegen eines Umstandes. An der letzten Ostermesse nämlich<lb/> fand bei Gelegenheit des SO jährigen Jubiläums des Buchhändlerbörsenver¬<lb/> eins auf der Leipziger Stadtbibliothek eine buchhändlerische Ausstellung statt,<lb/> die einerseits aus einer historischen Abtheilung bestand, welche in instructiver<lb/> Weise die Geschichte der Herstellung und des Vertriebes literarischer Erzeug'<lb/> nisse vergegenwärtigte, anderseits aus einer modernen Abtheilung, welche,<lb/> der festlichen Veranlassung zu Ehren, auch vom Auslande, namentlich von<lb/> Frankreich und England, reich beschickt worden war. Es konnte nicht fehlen,<lb/> daß bei dieser Gelegenheit dieselben Erfahrungen gemacht wurden wie in<lb/> Wien: die deutschen Erzeugnisse konnten sich in ästhetischer Beziehung in<lb/> keiner Weise mit den ausländischen messen. Aber eine zweite Erfahrung kam<lb/> hinzu: angesichts der charaktervoller und geschmackvollen Erzeugnisse des<lb/> deutschen Buchhandels aus dem 15. und 16. Jahrhundert mußte jeder sich<lb/> sagen, daß es gar nicht einer Nachahmung des Auslandes, sondern nur der<lb/> Rückkehr zur Vergangenheit des eignen Volkes bedürfe, um dem gesunkenen<lb/> Geschmack unsrer heutigen Produktion aufzuhelfen. Was war dies aber<lb/> anderes, als die Erfahrung, die wir in den letzten Jahren — namentlich<lb/> belehrt durch die aller Orten veranstalteten kunstgewerblichen Ausstellungen —<lb/> in allen übrigen Zweigen unsres Kunstgewerbes gemacht haben?</p><lb/> <p xml:id="ID_937" next="#ID_938"> Es war zu wünschen und zu hoffen, daß diese doppelte Anregung nicht<lb/> fruchtlos bleiben möchte. Daß aber noch vor Ablauf eines Jahres die Folgen<lb/> davon schon in die Augen springen würden, das hätte sich wohl niemand<lb/> träumen lassen. Und doch ist es so. In die Büchereinbände vor allem<lb/> scheint eine förmliche Revolution gefahren zu sein. Was jedem zunächst auf<lb/> der Leipziger Probeausstellung auffallen mußte, war das, daß die ausgestellten<lb/> Bücher zum größten Theile überhaupt — gebunden waren, ein gewaltiger<lb/> Fortschritt! Weniges nur war cartonnirt, ganz weniges bloß broschirt<lb/> ausgelegt. Die Frage, ob gebunden oder nicht, läßt sich freilich von zwei<lb/> Gesichtspunkten aus beantworten, von dem der Ehrlichkeit und dem des guten<lb/> Geschmacks. Der deutsche Buchhandel vertreibt, durchaus abweichend z. B.<lb/> vom englischen, den weitaus größten Theil seiner Erzeugnisse broschirt. Be¬<lb/> zweckt man also lediglich, auf der Ausstellung unsre Bücher genau in der<lb/> Gestalt vorzuführen, wie sie an das Publikum abgegeben zu werden Pflegen,<lb/> so läßt es sich rechtfertigen, daß z. B. die Firma B. Tauchnitz ihre sämmtliche<lb/> Waare geheftet hingestellt hatte; gegen den uniformen Halbfranzband dagegen,<lb/> und wenn er auch noch so schön war, in welchen die Firma F. C. W. Vogel<lb/> ihre sämmtlichen Verlagsartikel gekleidet hatte, ließe sich am Ende gar Ein¬<lb/> spruch erheben, denn nie ist es dieser Firma eingefallen und wird ihr auch<lb/> vielleicht nicht so bald einfallen, Exemplare ihrer Berlagswerke in so herrlichen<lb/> Bänden für das Publikum vorräthig zu halten. Indessen darf doch, wo es</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0332]
erfreulich vor allem wegen eines Umstandes. An der letzten Ostermesse nämlich
fand bei Gelegenheit des SO jährigen Jubiläums des Buchhändlerbörsenver¬
eins auf der Leipziger Stadtbibliothek eine buchhändlerische Ausstellung statt,
die einerseits aus einer historischen Abtheilung bestand, welche in instructiver
Weise die Geschichte der Herstellung und des Vertriebes literarischer Erzeug'
nisse vergegenwärtigte, anderseits aus einer modernen Abtheilung, welche,
der festlichen Veranlassung zu Ehren, auch vom Auslande, namentlich von
Frankreich und England, reich beschickt worden war. Es konnte nicht fehlen,
daß bei dieser Gelegenheit dieselben Erfahrungen gemacht wurden wie in
Wien: die deutschen Erzeugnisse konnten sich in ästhetischer Beziehung in
keiner Weise mit den ausländischen messen. Aber eine zweite Erfahrung kam
hinzu: angesichts der charaktervoller und geschmackvollen Erzeugnisse des
deutschen Buchhandels aus dem 15. und 16. Jahrhundert mußte jeder sich
sagen, daß es gar nicht einer Nachahmung des Auslandes, sondern nur der
Rückkehr zur Vergangenheit des eignen Volkes bedürfe, um dem gesunkenen
Geschmack unsrer heutigen Produktion aufzuhelfen. Was war dies aber
anderes, als die Erfahrung, die wir in den letzten Jahren — namentlich
belehrt durch die aller Orten veranstalteten kunstgewerblichen Ausstellungen —
in allen übrigen Zweigen unsres Kunstgewerbes gemacht haben?
Es war zu wünschen und zu hoffen, daß diese doppelte Anregung nicht
fruchtlos bleiben möchte. Daß aber noch vor Ablauf eines Jahres die Folgen
davon schon in die Augen springen würden, das hätte sich wohl niemand
träumen lassen. Und doch ist es so. In die Büchereinbände vor allem
scheint eine förmliche Revolution gefahren zu sein. Was jedem zunächst auf
der Leipziger Probeausstellung auffallen mußte, war das, daß die ausgestellten
Bücher zum größten Theile überhaupt — gebunden waren, ein gewaltiger
Fortschritt! Weniges nur war cartonnirt, ganz weniges bloß broschirt
ausgelegt. Die Frage, ob gebunden oder nicht, läßt sich freilich von zwei
Gesichtspunkten aus beantworten, von dem der Ehrlichkeit und dem des guten
Geschmacks. Der deutsche Buchhandel vertreibt, durchaus abweichend z. B.
vom englischen, den weitaus größten Theil seiner Erzeugnisse broschirt. Be¬
zweckt man also lediglich, auf der Ausstellung unsre Bücher genau in der
Gestalt vorzuführen, wie sie an das Publikum abgegeben zu werden Pflegen,
so läßt es sich rechtfertigen, daß z. B. die Firma B. Tauchnitz ihre sämmtliche
Waare geheftet hingestellt hatte; gegen den uniformen Halbfranzband dagegen,
und wenn er auch noch so schön war, in welchen die Firma F. C. W. Vogel
ihre sämmtlichen Verlagsartikel gekleidet hatte, ließe sich am Ende gar Ein¬
spruch erheben, denn nie ist es dieser Firma eingefallen und wird ihr auch
vielleicht nicht so bald einfallen, Exemplare ihrer Berlagswerke in so herrlichen
Bänden für das Publikum vorräthig zu halten. Indessen darf doch, wo es
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