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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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sich um eine Schaustellung handelt, bei welcher ästhetische Fragen stark ins
Gewicht fallen, auch der andere Gesichtspunkt nicht vernachlässigt werden, und
darum hätte man es lieber gesehen, wenn z. B. auch der Verlag von A. Dürr
seine zahlreichen eartonnirten Bände diesmal mit schönen Halbfranzbänden
vertauscht hätte. Welch ein merkwürdiges Bild aber boten nun die Einbände
selbst dar! Etwa die Hälfte aller Bücher zeigte allerdings noch die aus den
letzten zehn Jahren zur Genüge bekannten Bände in Leinwand oder Callico,
in allen möglichen Modefarben, mit und ohne Relief, in mehr oder minder
schwächlicher, heilloser Zeichnung; vereinzelt auch noch jene kläglichen sogenannten
Halbfranzbände mit bockledernem Rücken, wie man sie z. B. an Wörterbüchern,
Conversationslericis und "Klassikern", wenn man sie gebunden kauft, so oft zu
sehen bekommt. Die Firma F. A. Brockhaus hatte sogar ihre bekannten
"Galerieen", die Schiller-, Goethe-, Lessing- und Shakespearegalerie, in
goldstrotzendem Einbänden hingelegt, die in ihrer Ornamentik geradezu einen
vormärzlichen Geschmack bekundeten. Die andere Hälfte jedoch war mit echten
Halbfranzbänden geschmückt, mit gediegenem Lederrücken in Juchten, Saffian
und selbst Kalbleder, roth, grün, grau oder hellgelb gefärbt und durch einfache
goldne Linien verziert, die Deckel mit Leinwand oder marmorirten Papier,
sogenanntem Steinmarmor oder Türktschmarmor, überzogen, auch das Vorsatz¬
papier stets farbig gehalten, kurz, es waren wirkliche Einbände, so schön und
solid, wie man sie sich nur wünschen konnte, ein Anblick, den wir im deutschen
Buchhandel seit Menschengedenken nicht gehabt haben. Daneben machten sich
noch einige Curiosa bemerklich, Büchereinbände in einer Art von imitirtem
Schweinsleder, mit reicher Goldprägung im Stil der Renaissance; über diese
letzteren kann ich jedoch nicht urtheilen, ohne zugleich der typographischen
Leistungen zu gedenken, die sich darunter bargen.

Der Geschmacksverbesserung unserer Buchbinderei sind vereinzelte Reform¬
bestrebungen auf dem Gebiete der Typographie vorausgegangen. Eine An¬
zahl Leipziger und Stuttgarter Druckereien -- ich nenne namentlich aus Leipzig
Bär und Hermann, Grumbach, Drugulin, Hundertstund und Pries, aus Stutt¬
gart Gebrüder Mäntler haben in den letzten Jahren sich bemüht, die sogenannte
Antiqua- oder Mediävelschrift -- als "Mediavell" bezeichnete sie mir neulich
ein Setzer -- jene schöne, breit und vornehm auslaufende lateinische Type,
mit welcher die Franzosen und Engländer jederzeit gedruckt haben, die uns
aber in Deutschland schon seit dem Verfall unserer Druckeret im 16. Jahr¬
hundert abhanden gekommen ist, nebst der dazu gehörigen Cursivschrift auch
bei uns wieder zu Ehren zu bringen. Eine Anzahl namentlich von E. A. See¬
mann und Duncker und Humblot verlegter Bücher -- z. B. die neueste Auflage
von Lübke's Geschichte der Plastik, der erste Band von Lemcke's deutscher Literatur¬
geschichte, Lützow's Meisterwerke der Kirchenbaukunst, die zweite Auflage von


sich um eine Schaustellung handelt, bei welcher ästhetische Fragen stark ins
Gewicht fallen, auch der andere Gesichtspunkt nicht vernachlässigt werden, und
darum hätte man es lieber gesehen, wenn z. B. auch der Verlag von A. Dürr
seine zahlreichen eartonnirten Bände diesmal mit schönen Halbfranzbänden
vertauscht hätte. Welch ein merkwürdiges Bild aber boten nun die Einbände
selbst dar! Etwa die Hälfte aller Bücher zeigte allerdings noch die aus den
letzten zehn Jahren zur Genüge bekannten Bände in Leinwand oder Callico,
in allen möglichen Modefarben, mit und ohne Relief, in mehr oder minder
schwächlicher, heilloser Zeichnung; vereinzelt auch noch jene kläglichen sogenannten
Halbfranzbände mit bockledernem Rücken, wie man sie z. B. an Wörterbüchern,
Conversationslericis und „Klassikern", wenn man sie gebunden kauft, so oft zu
sehen bekommt. Die Firma F. A. Brockhaus hatte sogar ihre bekannten
„Galerieen", die Schiller-, Goethe-, Lessing- und Shakespearegalerie, in
goldstrotzendem Einbänden hingelegt, die in ihrer Ornamentik geradezu einen
vormärzlichen Geschmack bekundeten. Die andere Hälfte jedoch war mit echten
Halbfranzbänden geschmückt, mit gediegenem Lederrücken in Juchten, Saffian
und selbst Kalbleder, roth, grün, grau oder hellgelb gefärbt und durch einfache
goldne Linien verziert, die Deckel mit Leinwand oder marmorirten Papier,
sogenanntem Steinmarmor oder Türktschmarmor, überzogen, auch das Vorsatz¬
papier stets farbig gehalten, kurz, es waren wirkliche Einbände, so schön und
solid, wie man sie sich nur wünschen konnte, ein Anblick, den wir im deutschen
Buchhandel seit Menschengedenken nicht gehabt haben. Daneben machten sich
noch einige Curiosa bemerklich, Büchereinbände in einer Art von imitirtem
Schweinsleder, mit reicher Goldprägung im Stil der Renaissance; über diese
letzteren kann ich jedoch nicht urtheilen, ohne zugleich der typographischen
Leistungen zu gedenken, die sich darunter bargen.

Der Geschmacksverbesserung unserer Buchbinderei sind vereinzelte Reform¬
bestrebungen auf dem Gebiete der Typographie vorausgegangen. Eine An¬
zahl Leipziger und Stuttgarter Druckereien — ich nenne namentlich aus Leipzig
Bär und Hermann, Grumbach, Drugulin, Hundertstund und Pries, aus Stutt¬
gart Gebrüder Mäntler haben in den letzten Jahren sich bemüht, die sogenannte
Antiqua- oder Mediävelschrift — als „Mediavell" bezeichnete sie mir neulich
ein Setzer — jene schöne, breit und vornehm auslaufende lateinische Type,
mit welcher die Franzosen und Engländer jederzeit gedruckt haben, die uns
aber in Deutschland schon seit dem Verfall unserer Druckeret im 16. Jahr¬
hundert abhanden gekommen ist, nebst der dazu gehörigen Cursivschrift auch
bei uns wieder zu Ehren zu bringen. Eine Anzahl namentlich von E. A. See¬
mann und Duncker und Humblot verlegter Bücher — z. B. die neueste Auflage
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/333>, abgerufen am 27.09.2024.