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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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lassen. Hier bewog sie Mazzini, der damals noch der im vorigen Abschnitt
erwähnten odarbollverie Zömocratiquk angehörte, zu einer engeren Verbin¬
dung zusammenzutreten, welche die Befreiung Italiens vom Systeme der
Restauration, die Vertreibung der dortigen Fürsten und die Ausrüstung der
Republik von den Alpen bis zur Südspitze Siciliens im Auge hatte. Dieser
Geheimbund verzweigte sich bald von der Schweiz in die apeninnische Halb¬
insel hinein, und eine Verschwörung in Piemont sowie eine Conspiration
unter den Truppen in Neapel, die kurz nachher entdeckt wurden, waren ver¬
muthlich von ihm, der sich Ziovme IWIia" nannte und in Genf seinen
Mittelpunkt hatte, in Scene gesetzt.

Im Folgenden geben wir einige Artikel aus der "Organisation Jung¬
italiens". Es heißt da: § 1. Die Gesellschaft ist zum Zwecke der unumgäng¬
lichen Vernichtung aller Regierungen der Halbinsel und zur Umbildung der¬
selben in einen einzigen Staat mit republikanischen Einrichtungen gegründet.
K. 2. Im vollen Bewußtsein der schrecklichen Uebel absoluter Macht und der
sogar noch schlimmeren Folgen verfassungsmäßig beschränkter Monarchien,
müssen wir nach Errichtung einer einzigen und untheilbaren Republik streben.
§ 30. Die, welche den Befehlen dieser geheimen Gesellschaft den Gehorsam
verweigern oder sie verrathen, sollen ohne Gnade durch den Dolch sterben.
§ 31. Der geheime Gerichtshof fällt das Todesurtheil und bestimmt ein oder
zwei Mitglieder des Bundes zur Vollziehung desselben. § 32. Wer diese Pflicht
zu erfüllen Anstand nimmt, stirbt auf der Stelle. § 33. Wenn das Opfer
entflieht, soll es verfolgt werden, bis es von der rächenden Hand getroffen
wird, wäre es auch am Busen seiner Mutter oder im Tempel Christi. § 34.
Jedes geheime Tribunal ist befugt, nicht nur schuldige Bundesangehörige
zu richten, sondern auch jeden umzubringen, die es zu verurtheilen nöthig
findet."

Diese Satzungen sind von Mazzini unterzeichnet. Dagegen ist nicht er¬
wiesen, daß die im October 1832 zu Rhodez im südlichen Frankreich erfolgte
Ermordung der Italiener Emiliani und Sturiatti durch einige Landsleute von
Mazzini selbst oder andern Häuptern der Gesellschaft anbefohlen worden ist.
Die letztere, bisher wohl nur ein Zwetgverein der genannten demokratischen
Carbonari, trennte sich bald nach ihrem Entstehen von diesen aus den im
dritten Kapitel dieser Darstellung angegebnen Gründen und nahm fortan eine
unabhängige, zugleich aber feindselige Stellung zu ihnen ein. Sie entwickelte
1833 namentlich in Bezug auf Savoyen eine außerordentliche Thätigkeit, die
in dem bekannten von dem polnischen General Romarino geführten Savoyer-
zuge gipfelte. Derselbe, im Februar 1834 mit beispiellosem Leichtsinn von
schweizerischem Gebiete aus unternommen, mißlang vollständig und bewies


lassen. Hier bewog sie Mazzini, der damals noch der im vorigen Abschnitt
erwähnten odarbollverie Zömocratiquk angehörte, zu einer engeren Verbin¬
dung zusammenzutreten, welche die Befreiung Italiens vom Systeme der
Restauration, die Vertreibung der dortigen Fürsten und die Ausrüstung der
Republik von den Alpen bis zur Südspitze Siciliens im Auge hatte. Dieser
Geheimbund verzweigte sich bald von der Schweiz in die apeninnische Halb¬
insel hinein, und eine Verschwörung in Piemont sowie eine Conspiration
unter den Truppen in Neapel, die kurz nachher entdeckt wurden, waren ver¬
muthlich von ihm, der sich Ziovme IWIia" nannte und in Genf seinen
Mittelpunkt hatte, in Scene gesetzt.

Im Folgenden geben wir einige Artikel aus der „Organisation Jung¬
italiens". Es heißt da: § 1. Die Gesellschaft ist zum Zwecke der unumgäng¬
lichen Vernichtung aller Regierungen der Halbinsel und zur Umbildung der¬
selben in einen einzigen Staat mit republikanischen Einrichtungen gegründet.
K. 2. Im vollen Bewußtsein der schrecklichen Uebel absoluter Macht und der
sogar noch schlimmeren Folgen verfassungsmäßig beschränkter Monarchien,
müssen wir nach Errichtung einer einzigen und untheilbaren Republik streben.
§ 30. Die, welche den Befehlen dieser geheimen Gesellschaft den Gehorsam
verweigern oder sie verrathen, sollen ohne Gnade durch den Dolch sterben.
§ 31. Der geheime Gerichtshof fällt das Todesurtheil und bestimmt ein oder
zwei Mitglieder des Bundes zur Vollziehung desselben. § 32. Wer diese Pflicht
zu erfüllen Anstand nimmt, stirbt auf der Stelle. § 33. Wenn das Opfer
entflieht, soll es verfolgt werden, bis es von der rächenden Hand getroffen
wird, wäre es auch am Busen seiner Mutter oder im Tempel Christi. § 34.
Jedes geheime Tribunal ist befugt, nicht nur schuldige Bundesangehörige
zu richten, sondern auch jeden umzubringen, die es zu verurtheilen nöthig
findet."

Diese Satzungen sind von Mazzini unterzeichnet. Dagegen ist nicht er¬
wiesen, daß die im October 1832 zu Rhodez im südlichen Frankreich erfolgte
Ermordung der Italiener Emiliani und Sturiatti durch einige Landsleute von
Mazzini selbst oder andern Häuptern der Gesellschaft anbefohlen worden ist.
Die letztere, bisher wohl nur ein Zwetgverein der genannten demokratischen
Carbonari, trennte sich bald nach ihrem Entstehen von diesen aus den im
dritten Kapitel dieser Darstellung angegebnen Gründen und nahm fortan eine
unabhängige, zugleich aber feindselige Stellung zu ihnen ein. Sie entwickelte
1833 namentlich in Bezug auf Savoyen eine außerordentliche Thätigkeit, die
in dem bekannten von dem polnischen General Romarino geführten Savoyer-
zuge gipfelte. Derselbe, im Februar 1834 mit beispiellosem Leichtsinn von
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/30>, abgerufen am 02.10.2024.