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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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einen der ersten Plätze unter seinen Mitschülern. Dabei trieb er schon als
Gymnasiast unter Anleitung seines Vaters, wie auch seines Lehrers am
Gymnasium des Germanisten Frommann, Kirchen-, Literatur- und Kunstge¬
schichte, so wie auch sprachvergleichende Studien, welche er 1840 als Erlanger
Student fortsetzte.

Nicht wenig trugen zu seiner frühreifen Entwickelung solche außerordent¬
liche Hülfsmittel bei, wie sie ihm durch die väterliche Erziehung und den täg¬
lichen Verkehr des elterlichen Hauses mit geistvollen Männern geboten waren.
Dazu kamen interessante und instructive Fußreisen, welche im kleinen schon
im zwölften Jahre begannen, und sich in immer vergrößertem Maßstabe wie¬
derholten. So wirkte mächtig anregend auf ihn eine Reise nach München,
welche er als Gymnasiast um Ostern 1840 zusammen mit seinem Bruder
Karl antrat. Sie blieben in München zwei Wochen, waren durch die Em¬
pfehlungen ihres Vaters in den Häusern von Thiersch, G. H. von Schubert,
Schelling. Schmorr und mehreren anderen wohl aufgenommen, sahen alle
Kunst- und Bauwerke, oft von künstlerischer Hand, wie von Schmorr und
Schwanthaler, selbst geführt, ließen sich von kirchlichen Festlichkeiten der Char-
woche hinreißen; so daß diese Eindrücke auf den früh entwickelten feinsinnigen
Knaben sehr tiefe und bleibende sein mußten. Schon das Jahr zuvor hatte
^ mit seinem Bruder eine Tour durch Franken, Würtemberg, Heidelberg in
die Rheinpfalz gemacht zu einem Onkel in der Nähe von Grünstadt, mit
Ausflügen von dort nach Dürkheim und aus den Donnersberg, zuletzt über
Worms, Mainz, Frankfurt, den Spessart und Würzburg nach Neuses zurück.
Und nach überstandenem Abiturientenexamen, im August 1840, unternahm er
mit seinem Freunde Fritsch eine Fußreise nach Oberttalien über München,
Jnspruck, den Brenner, Botzen, Roveredo, den Gardasee, Verona, Gastein,
Salzburg zurück nach Neuses. Dieses freilich wäre fast zu viel gewesen für
den jungen Mann. Erschöpft und abgerissen kam er zurück; die Mutter
weinte bei seinem Anblicke. Die Reisenden hatten zu große Touren gemacht
und zu schlecht dabei gelebt. Doch erholte er sich bald wieder.

Nachdem er in Erlangen einen Jahrescursus absolvirt hatte, ging er im
Herbst 1841 nach Bonn, wo er unter Lassen Sanskrit und Indische Alter¬
thumskunde studirte, hierauf schon Ostern 1842 nach Berlin, wo er philolo¬
gischen und geschichtlichen Studien oblag. Dabei waren Böckh, Ranke, Tren¬
delenburg, Homeyer und Jacob Grimm seine Lehrer. Unterdessen war der
Vater Rückert durch Friedrich Wilhelm IV. als Professor der orientalischen
Sprachen nach Berlin gerufen worden, wohin er im Herbste 1841 zog, so
daß Heinrich hier aufs neue von Ostern 1842 an mit seinem Elternhause zu¬
sammentraf. Dieser Umstand gab ihm zugleich Gelegenheit, sich in manche
hochgebildete Kreise Berlins tiefer einzuleben, z. B. in das Winterfeld'sche


einen der ersten Plätze unter seinen Mitschülern. Dabei trieb er schon als
Gymnasiast unter Anleitung seines Vaters, wie auch seines Lehrers am
Gymnasium des Germanisten Frommann, Kirchen-, Literatur- und Kunstge¬
schichte, so wie auch sprachvergleichende Studien, welche er 1840 als Erlanger
Student fortsetzte.

Nicht wenig trugen zu seiner frühreifen Entwickelung solche außerordent¬
liche Hülfsmittel bei, wie sie ihm durch die väterliche Erziehung und den täg¬
lichen Verkehr des elterlichen Hauses mit geistvollen Männern geboten waren.
Dazu kamen interessante und instructive Fußreisen, welche im kleinen schon
im zwölften Jahre begannen, und sich in immer vergrößertem Maßstabe wie¬
derholten. So wirkte mächtig anregend auf ihn eine Reise nach München,
welche er als Gymnasiast um Ostern 1840 zusammen mit seinem Bruder
Karl antrat. Sie blieben in München zwei Wochen, waren durch die Em¬
pfehlungen ihres Vaters in den Häusern von Thiersch, G. H. von Schubert,
Schelling. Schmorr und mehreren anderen wohl aufgenommen, sahen alle
Kunst- und Bauwerke, oft von künstlerischer Hand, wie von Schmorr und
Schwanthaler, selbst geführt, ließen sich von kirchlichen Festlichkeiten der Char-
woche hinreißen; so daß diese Eindrücke auf den früh entwickelten feinsinnigen
Knaben sehr tiefe und bleibende sein mußten. Schon das Jahr zuvor hatte
^ mit seinem Bruder eine Tour durch Franken, Würtemberg, Heidelberg in
die Rheinpfalz gemacht zu einem Onkel in der Nähe von Grünstadt, mit
Ausflügen von dort nach Dürkheim und aus den Donnersberg, zuletzt über
Worms, Mainz, Frankfurt, den Spessart und Würzburg nach Neuses zurück.
Und nach überstandenem Abiturientenexamen, im August 1840, unternahm er
mit seinem Freunde Fritsch eine Fußreise nach Oberttalien über München,
Jnspruck, den Brenner, Botzen, Roveredo, den Gardasee, Verona, Gastein,
Salzburg zurück nach Neuses. Dieses freilich wäre fast zu viel gewesen für
den jungen Mann. Erschöpft und abgerissen kam er zurück; die Mutter
weinte bei seinem Anblicke. Die Reisenden hatten zu große Touren gemacht
und zu schlecht dabei gelebt. Doch erholte er sich bald wieder.

Nachdem er in Erlangen einen Jahrescursus absolvirt hatte, ging er im
Herbst 1841 nach Bonn, wo er unter Lassen Sanskrit und Indische Alter¬
thumskunde studirte, hierauf schon Ostern 1842 nach Berlin, wo er philolo¬
gischen und geschichtlichen Studien oblag. Dabei waren Böckh, Ranke, Tren¬
delenburg, Homeyer und Jacob Grimm seine Lehrer. Unterdessen war der
Vater Rückert durch Friedrich Wilhelm IV. als Professor der orientalischen
Sprachen nach Berlin gerufen worden, wohin er im Herbste 1841 zog, so
daß Heinrich hier aufs neue von Ostern 1842 an mit seinem Elternhause zu¬
sammentraf. Dieser Umstand gab ihm zugleich Gelegenheit, sich in manche
hochgebildete Kreise Berlins tiefer einzuleben, z. B. in das Winterfeld'sche


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[0211] einen der ersten Plätze unter seinen Mitschülern. Dabei trieb er schon als Gymnasiast unter Anleitung seines Vaters, wie auch seines Lehrers am Gymnasium des Germanisten Frommann, Kirchen-, Literatur- und Kunstge¬ schichte, so wie auch sprachvergleichende Studien, welche er 1840 als Erlanger Student fortsetzte. Nicht wenig trugen zu seiner frühreifen Entwickelung solche außerordent¬ liche Hülfsmittel bei, wie sie ihm durch die väterliche Erziehung und den täg¬ lichen Verkehr des elterlichen Hauses mit geistvollen Männern geboten waren. Dazu kamen interessante und instructive Fußreisen, welche im kleinen schon im zwölften Jahre begannen, und sich in immer vergrößertem Maßstabe wie¬ derholten. So wirkte mächtig anregend auf ihn eine Reise nach München, welche er als Gymnasiast um Ostern 1840 zusammen mit seinem Bruder Karl antrat. Sie blieben in München zwei Wochen, waren durch die Em¬ pfehlungen ihres Vaters in den Häusern von Thiersch, G. H. von Schubert, Schelling. Schmorr und mehreren anderen wohl aufgenommen, sahen alle Kunst- und Bauwerke, oft von künstlerischer Hand, wie von Schmorr und Schwanthaler, selbst geführt, ließen sich von kirchlichen Festlichkeiten der Char- woche hinreißen; so daß diese Eindrücke auf den früh entwickelten feinsinnigen Knaben sehr tiefe und bleibende sein mußten. Schon das Jahr zuvor hatte ^ mit seinem Bruder eine Tour durch Franken, Würtemberg, Heidelberg in die Rheinpfalz gemacht zu einem Onkel in der Nähe von Grünstadt, mit Ausflügen von dort nach Dürkheim und aus den Donnersberg, zuletzt über Worms, Mainz, Frankfurt, den Spessart und Würzburg nach Neuses zurück. Und nach überstandenem Abiturientenexamen, im August 1840, unternahm er mit seinem Freunde Fritsch eine Fußreise nach Oberttalien über München, Jnspruck, den Brenner, Botzen, Roveredo, den Gardasee, Verona, Gastein, Salzburg zurück nach Neuses. Dieses freilich wäre fast zu viel gewesen für den jungen Mann. Erschöpft und abgerissen kam er zurück; die Mutter weinte bei seinem Anblicke. Die Reisenden hatten zu große Touren gemacht und zu schlecht dabei gelebt. Doch erholte er sich bald wieder. Nachdem er in Erlangen einen Jahrescursus absolvirt hatte, ging er im Herbst 1841 nach Bonn, wo er unter Lassen Sanskrit und Indische Alter¬ thumskunde studirte, hierauf schon Ostern 1842 nach Berlin, wo er philolo¬ gischen und geschichtlichen Studien oblag. Dabei waren Böckh, Ranke, Tren¬ delenburg, Homeyer und Jacob Grimm seine Lehrer. Unterdessen war der Vater Rückert durch Friedrich Wilhelm IV. als Professor der orientalischen Sprachen nach Berlin gerufen worden, wohin er im Herbste 1841 zog, so daß Heinrich hier aufs neue von Ostern 1842 an mit seinem Elternhause zu¬ sammentraf. Dieser Umstand gab ihm zugleich Gelegenheit, sich in manche hochgebildete Kreise Berlins tiefer einzuleben, z. B. in das Winterfeld'sche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/211>, abgerufen am 24.08.2024.