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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Auch hier hätte unter Umständen nach genauer Erwägung nicht eine Vor-
bereitungs- sondern eine Ausführungshandlung angenommen werden können.
Freilich kann man sagen, der Handelnde verschaffte sich hier erst das Mittel
zur Begehung des Verbrechens. Allein ein Verbrechen der hier fraglichen Art
bedarf einer Vorbereitung von langer Hand her. Es ist etwas Anderes,
wenn Jemand eine einfache Pistole kauft, in der Absicht, damit später einen
Anderen zu erschießen, als wenn er eine derartige Höllenmaschine
anfertigt, die jeden Augenblick Tod und Verderben über ganze Städte und
Ortschaften verbreiten kann. Eine Pistole kann Jedermann kaufen; das ist
an sich noch eine ganz unverfängliche Handlung. Die heimliche Construction
einer derartigen mit dem furchtbarsten Sprengstoffe bereits gefüllten
Kiste in einem belebten Orte, wird nur Bezug haben auf ein Verbrechen
sie wird nur vorgenommen von einem bereits fest Entschlossenen, und wenn
dieser bereits, wie von Thomas berichtet wird, betrügliche Versicherungsver¬
träge in Bezug auf ein bestimmtes Schiff abgeschlossen hat. so ist auch
wohl an dem festen Entschlüsse des Thäters, nunmehr alles Weitere in Einem
Zuge zu besorgen, nicht zu zweifeln.

Es scheint hiernach doch, daß man mit dem bestehenden Strafrecht schon
ziemlich weit reichen könne auch für die praktisch für die Sicherheit weit
wichtigeren Fälle, daß der Schuldige noch an solchen ungeheuerlichen Zerstö-
rungs- und Mordmaschinen arbeitet*), und unsrer Ansicht nach wird es nicht
erforderlich sein, eine strafrechtlich immerhin nicht unbedenkliche Vorschrift
e. B. über Vorbereitungshandlungen bei gewissen gemeingefährlichen Verbrechen
zu geben. Eine solche Vorschrift wird, wenn abstract gefaßt, leicht zu viele,
und wenn concret gefaßt (z. B. wenn man etwa die Anfertigung bestimmter
Apparate unter besondere Strafdrohung stellen wollte), zu wenige Fälle unter
sich begreifen.

Und meint man etwa durch besondere Strafvorschriften, die sich direct
gegen derartige Unternehmungen wenden, wie das Thomas'sche war, sich
Sicherheit verschaffen zu können? So hartgesottene Verbrecher achten auch
eine Todesdrohung des Gesetzes nicht. Eine Revolverkugel, ein Tropfen Gift
entzieht sie der menschlichen Justiz. Es kann sich bei der Bestrafung solcher
teuflischer Unternehmungen nicht um directe Sicherheit, sondern nur um die
Wirkung auf das allgemeine Rechtsbewußtsein handeln.

Die Sicherheit ist vielmehr auf einem anderen Gebiete besser zu er¬
reichen. Die Fabrikation, der Handel, der Transport gefährlicher Spreng¬
stoffe muß unter schärfere polizeiliche Controle gestellt, an bessere Cautelen ge-



*) Wäre das Verbrechen des Thomas so, wie er es wollte, zur Ausführung gekommen, so
war die Frage der Bestrafung vielleicht eine praktisch müßige.

Auch hier hätte unter Umständen nach genauer Erwägung nicht eine Vor-
bereitungs- sondern eine Ausführungshandlung angenommen werden können.
Freilich kann man sagen, der Handelnde verschaffte sich hier erst das Mittel
zur Begehung des Verbrechens. Allein ein Verbrechen der hier fraglichen Art
bedarf einer Vorbereitung von langer Hand her. Es ist etwas Anderes,
wenn Jemand eine einfache Pistole kauft, in der Absicht, damit später einen
Anderen zu erschießen, als wenn er eine derartige Höllenmaschine
anfertigt, die jeden Augenblick Tod und Verderben über ganze Städte und
Ortschaften verbreiten kann. Eine Pistole kann Jedermann kaufen; das ist
an sich noch eine ganz unverfängliche Handlung. Die heimliche Construction
einer derartigen mit dem furchtbarsten Sprengstoffe bereits gefüllten
Kiste in einem belebten Orte, wird nur Bezug haben auf ein Verbrechen
sie wird nur vorgenommen von einem bereits fest Entschlossenen, und wenn
dieser bereits, wie von Thomas berichtet wird, betrügliche Versicherungsver¬
träge in Bezug auf ein bestimmtes Schiff abgeschlossen hat. so ist auch
wohl an dem festen Entschlüsse des Thäters, nunmehr alles Weitere in Einem
Zuge zu besorgen, nicht zu zweifeln.

Es scheint hiernach doch, daß man mit dem bestehenden Strafrecht schon
ziemlich weit reichen könne auch für die praktisch für die Sicherheit weit
wichtigeren Fälle, daß der Schuldige noch an solchen ungeheuerlichen Zerstö-
rungs- und Mordmaschinen arbeitet*), und unsrer Ansicht nach wird es nicht
erforderlich sein, eine strafrechtlich immerhin nicht unbedenkliche Vorschrift
e. B. über Vorbereitungshandlungen bei gewissen gemeingefährlichen Verbrechen
zu geben. Eine solche Vorschrift wird, wenn abstract gefaßt, leicht zu viele,
und wenn concret gefaßt (z. B. wenn man etwa die Anfertigung bestimmter
Apparate unter besondere Strafdrohung stellen wollte), zu wenige Fälle unter
sich begreifen.

Und meint man etwa durch besondere Strafvorschriften, die sich direct
gegen derartige Unternehmungen wenden, wie das Thomas'sche war, sich
Sicherheit verschaffen zu können? So hartgesottene Verbrecher achten auch
eine Todesdrohung des Gesetzes nicht. Eine Revolverkugel, ein Tropfen Gift
entzieht sie der menschlichen Justiz. Es kann sich bei der Bestrafung solcher
teuflischer Unternehmungen nicht um directe Sicherheit, sondern nur um die
Wirkung auf das allgemeine Rechtsbewußtsein handeln.

Die Sicherheit ist vielmehr auf einem anderen Gebiete besser zu er¬
reichen. Die Fabrikation, der Handel, der Transport gefährlicher Spreng¬
stoffe muß unter schärfere polizeiliche Controle gestellt, an bessere Cautelen ge-



*) Wäre das Verbrechen des Thomas so, wie er es wollte, zur Ausführung gekommen, so
war die Frage der Bestrafung vielleicht eine praktisch müßige.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/180>, abgerufen am 25.08.2024.