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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Pikeniere, 3 Büchsen- und 3 Armbrustschützen verstärkt werden. Es geht aus
Panicharolcr's Bericht von dieser Angelegenheit nicht deutlich hervor, ob unter
"Lanze" hier nur der Komme warmes selbst oder auch noch Begleiter desselben
zu verstehen sind. v. Rott nimmt das erstere. Rüstow das letztere an, und
zwar rechnet dieser die Lanze zu 3 abgesessenen Reitern. Nach Rott sollte
also diese Infanterie 10, nach Rüstow 12 tausend Mann stark werden.
Im Ganzen ist der Unterschied nicht wesentlich; wichtiger ist die beabsichtigte
Formatton.

Diese 10,000 resp. 12,000 Mann nämlich sollten in einen einzigen
Haufen zusammengezogen werden, nach Art der Schweizer, "die ihre Haufen
so groß zu machen pflegten". "Eine späte Nachahmung der Taktik seiner
Besieger", meint Rott. "die früher vielleicht ihm hätte Heil bringen können."
Rüstow aber bemerkt wohl mit Recht: man sähe aus der Menge der Schützen
bei dieser projectirten Infanterie und aus dem Plan, die ganze Masse in
einen einzigen Haufen zusammenzudrängen, daß Karl von der wahren Natur
der schweizerischen Jnfanterietaktik nichts begriffen hatte. -- Was die andere
Hälfte der Lanzen betraf, so sollten sie mit ihren 3000 Bognern zu Pferde
bleiben, und die ganze Armee sich auf etwa 30.000 Mann stellen.

Bald aber ward die Aufmerksamkeit Karl's des Kühnen von der Schweiz
abgelenkt durch die Vorfälle in Lothringen. Hier hatte, nach dem
erfolglosen Congreß zu Fretburg der junge Rene auf eigene Faust die Fahne
zur Wiedereroberung seines Herzogthums entfaltet. Die elsässischen Städte
sowie viele Feudalherren aus den Vogesen und seinen Stammlanden, Schlosse"
sich dem ritterlichen Fürsten an, der alles Werthvolle, das er selbst besaß,
das die Freunde aufbrachten oder die Kaufherren in Basel und Straßburg
vorstreckten, für den Krieg einsetzte. Einem kühnen deutschen Hauptmann
Hornecker mit einer Handvoll Leuten gelang es zuerst, einige Orte des süd¬
lichen Lothringen zu nehmen. In Folge dessen machte der Aufstand Fort¬
schritte: mit kühner List nahm Herzog Rene das feste Epinal, und nun zog
er vor die Hauptstadt Nancy und begann sie regelrecht zu belagern. Hier
kommandirte Jean de Bicvre ans dem Hause Rubempre' und schien sich
energisch wehren zu wollen. Doch unter der Mannschaft offenbarte sich ein
meuterischer Geist, namentlich unter dem Kern der Besatzung, den englischen
Bogenschützen. Ihr Anführer war gefallen; Bievre konnte ihnen gegenüber
keine Autorität gewinnen; er entschloß sich, zu capituliren *) und zog mit der
Besatzung ab.-

Von dem großen Heere, welches Karl der Kühne aufzustellen unter



") Die Kapitulation war eine sehr sorgfältige; sogar des Verbleibens der Archive in Nancy
war ausdrücklich gedacht.

Pikeniere, 3 Büchsen- und 3 Armbrustschützen verstärkt werden. Es geht aus
Panicharolcr's Bericht von dieser Angelegenheit nicht deutlich hervor, ob unter
„Lanze" hier nur der Komme warmes selbst oder auch noch Begleiter desselben
zu verstehen sind. v. Rott nimmt das erstere. Rüstow das letztere an, und
zwar rechnet dieser die Lanze zu 3 abgesessenen Reitern. Nach Rott sollte
also diese Infanterie 10, nach Rüstow 12 tausend Mann stark werden.
Im Ganzen ist der Unterschied nicht wesentlich; wichtiger ist die beabsichtigte
Formatton.

Diese 10,000 resp. 12,000 Mann nämlich sollten in einen einzigen
Haufen zusammengezogen werden, nach Art der Schweizer, „die ihre Haufen
so groß zu machen pflegten". „Eine späte Nachahmung der Taktik seiner
Besieger", meint Rott. „die früher vielleicht ihm hätte Heil bringen können."
Rüstow aber bemerkt wohl mit Recht: man sähe aus der Menge der Schützen
bei dieser projectirten Infanterie und aus dem Plan, die ganze Masse in
einen einzigen Haufen zusammenzudrängen, daß Karl von der wahren Natur
der schweizerischen Jnfanterietaktik nichts begriffen hatte. — Was die andere
Hälfte der Lanzen betraf, so sollten sie mit ihren 3000 Bognern zu Pferde
bleiben, und die ganze Armee sich auf etwa 30.000 Mann stellen.

Bald aber ward die Aufmerksamkeit Karl's des Kühnen von der Schweiz
abgelenkt durch die Vorfälle in Lothringen. Hier hatte, nach dem
erfolglosen Congreß zu Fretburg der junge Rene auf eigene Faust die Fahne
zur Wiedereroberung seines Herzogthums entfaltet. Die elsässischen Städte
sowie viele Feudalherren aus den Vogesen und seinen Stammlanden, Schlosse»
sich dem ritterlichen Fürsten an, der alles Werthvolle, das er selbst besaß,
das die Freunde aufbrachten oder die Kaufherren in Basel und Straßburg
vorstreckten, für den Krieg einsetzte. Einem kühnen deutschen Hauptmann
Hornecker mit einer Handvoll Leuten gelang es zuerst, einige Orte des süd¬
lichen Lothringen zu nehmen. In Folge dessen machte der Aufstand Fort¬
schritte: mit kühner List nahm Herzog Rene das feste Epinal, und nun zog
er vor die Hauptstadt Nancy und begann sie regelrecht zu belagern. Hier
kommandirte Jean de Bicvre ans dem Hause Rubempre' und schien sich
energisch wehren zu wollen. Doch unter der Mannschaft offenbarte sich ein
meuterischer Geist, namentlich unter dem Kern der Besatzung, den englischen
Bogenschützen. Ihr Anführer war gefallen; Bievre konnte ihnen gegenüber
keine Autorität gewinnen; er entschloß sich, zu capituliren *) und zog mit der
Besatzung ab.-

Von dem großen Heere, welches Karl der Kühne aufzustellen unter



") Die Kapitulation war eine sehr sorgfältige; sogar des Verbleibens der Archive in Nancy
war ausdrücklich gedacht.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/132>, abgerufen am 19.10.2024.