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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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nommer, hatte er bis Mitte September nicht mehr als etwa 10,000 Mann
beisammen und war also bisher nicht in der Lage gewesen, etwas gegen
Rene' zu unternehmen. Da aber die Fortschritte der Empörung in Lothringen
immer bedenklicher wurden, so brach er nun am 25. September von Riviere
auf, um Nancy zu entsetzen und zu verhindern, daß er von den Niederlanden,
den Hauptquellen seiner Macht, abgeschnitten werde. Am 9. October kam er
bis Toul und empfing hier die Nachricht vom Falle Nancys, worauf
er sich nach Pont-K-Moussou wendete, um sich den Truppen zu nähern,
welche ihm Graf Coka von Campo-Basso aus Luxemburg zuführte.
Während Karl die Mosel hinabzog, erschien auf dem andern Ufer der
Feind und es begann bei Dieulouard eine Kanonade über den Fluß,
welcher erst die Nacht ein Ende machte. Reni, der die Vereinigung
Karl's mit Campo-Basso zu verhindern strebte, marschierte dann in der
Dunkelheit eiligst nach Pont-Ä-Moussou ab, um hier den Burgundern
zuvorzukommen. Als Karl dies am andern Morgen bemerkte, ging er, wahr¬
scheinlich auf einer Schiffbrücke, ebenfalls auf das rechte Moselufer über und
bezog bei Conti ljetzt Custine) ein Lager, sodaß er nun seinerseits den
Lothringern die Verbindung mit Nancy abschnitt. Die Lage Rene"s war
sogar sehr ungünstig als am 16. October die Burgunder in voller Schlacht-
ordnung gegen Pont-Ä-Moussou anrückten und sie wurde verzweifelt, als unter
den deutschen Söldnern des jungen Herzogs, in Folge des Ausbleibens der
Löhnung. Meuterei ausbrach. Sie gaben die wichtige Stadt auf; wohl oder
übel mußte Reni sich ihnen anschließen, und unter dem Schutz eines dichten
Nebels, der den Burgundern ihren Abzug verbarg, erreichten die Lothringischen
Liverdun. Hier schafften, in Ermangelung jedes andern Uebergangsmittels,
die Reiter das Fußvolk über den Fluß, wozu Rene persönlich das Beispiel
gab. indem er auf solche Art mehr als 30 Mann nacheinander hinüberführte.
Ueberhaupt benahm sich der Herzog selbst ganz vortrefflich; er muß eine höchst
liebenswürdige, frische, wenn auch etwas weiche Natur gewesen sein- Nun
eUte er nach Nancy, um durch Einlegung einer tüchtigen Besatzung für Er-
Haltung seiner Hauptstadt zu sorgen. Dazu boten sich theils lombardische
Ueberläufer und Franzosen, welche bei Ergebung des Platzes keine Gnade zu
erwarten hatten, theils deutsche Freiwillige aus den Ländern der Niedern Ver¬
ewigung dar. Mit dem Rest der Truppen besetzte Rene' Se. Nikolas; die
Garnisonen versprachen ihm feierlich, sich zwei Monate zu halten, und nun
reiste der Herzog selbst, nur von zwölf Reitern begleitet, bei einer ganz un¬
gewöhnlichen Kälte über das beschneite Gebirge, um Hilfe bei den Schweizern
M werben. Karl von Burgund begann indessen die Belagerung von
Nancy.

Es geschah dies um dieselbe Zeit, als der päpstliche Legat sowie Gesandte


nommer, hatte er bis Mitte September nicht mehr als etwa 10,000 Mann
beisammen und war also bisher nicht in der Lage gewesen, etwas gegen
Rene' zu unternehmen. Da aber die Fortschritte der Empörung in Lothringen
immer bedenklicher wurden, so brach er nun am 25. September von Riviere
auf, um Nancy zu entsetzen und zu verhindern, daß er von den Niederlanden,
den Hauptquellen seiner Macht, abgeschnitten werde. Am 9. October kam er
bis Toul und empfing hier die Nachricht vom Falle Nancys, worauf
er sich nach Pont-K-Moussou wendete, um sich den Truppen zu nähern,
welche ihm Graf Coka von Campo-Basso aus Luxemburg zuführte.
Während Karl die Mosel hinabzog, erschien auf dem andern Ufer der
Feind und es begann bei Dieulouard eine Kanonade über den Fluß,
welcher erst die Nacht ein Ende machte. Reni, der die Vereinigung
Karl's mit Campo-Basso zu verhindern strebte, marschierte dann in der
Dunkelheit eiligst nach Pont-Ä-Moussou ab, um hier den Burgundern
zuvorzukommen. Als Karl dies am andern Morgen bemerkte, ging er, wahr¬
scheinlich auf einer Schiffbrücke, ebenfalls auf das rechte Moselufer über und
bezog bei Conti ljetzt Custine) ein Lager, sodaß er nun seinerseits den
Lothringern die Verbindung mit Nancy abschnitt. Die Lage Rene"s war
sogar sehr ungünstig als am 16. October die Burgunder in voller Schlacht-
ordnung gegen Pont-Ä-Moussou anrückten und sie wurde verzweifelt, als unter
den deutschen Söldnern des jungen Herzogs, in Folge des Ausbleibens der
Löhnung. Meuterei ausbrach. Sie gaben die wichtige Stadt auf; wohl oder
übel mußte Reni sich ihnen anschließen, und unter dem Schutz eines dichten
Nebels, der den Burgundern ihren Abzug verbarg, erreichten die Lothringischen
Liverdun. Hier schafften, in Ermangelung jedes andern Uebergangsmittels,
die Reiter das Fußvolk über den Fluß, wozu Rene persönlich das Beispiel
gab. indem er auf solche Art mehr als 30 Mann nacheinander hinüberführte.
Ueberhaupt benahm sich der Herzog selbst ganz vortrefflich; er muß eine höchst
liebenswürdige, frische, wenn auch etwas weiche Natur gewesen sein- Nun
eUte er nach Nancy, um durch Einlegung einer tüchtigen Besatzung für Er-
Haltung seiner Hauptstadt zu sorgen. Dazu boten sich theils lombardische
Ueberläufer und Franzosen, welche bei Ergebung des Platzes keine Gnade zu
erwarten hatten, theils deutsche Freiwillige aus den Ländern der Niedern Ver¬
ewigung dar. Mit dem Rest der Truppen besetzte Rene' Se. Nikolas; die
Garnisonen versprachen ihm feierlich, sich zwei Monate zu halten, und nun
reiste der Herzog selbst, nur von zwölf Reitern begleitet, bei einer ganz un¬
gewöhnlichen Kälte über das beschneite Gebirge, um Hilfe bei den Schweizern
M werben. Karl von Burgund begann indessen die Belagerung von
Nancy.

Es geschah dies um dieselbe Zeit, als der päpstliche Legat sowie Gesandte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/133>, abgerufen am 27.09.2024.