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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Herzogs und Goethe's sehr förderlich. Mit einzelnen Professoren standen
der Herzog und Goethe in brieflichem Verkehr und häusig hielten Universitäts¬
lehrer Vorlesungen in Weimar.

Neben dem Gelehrten-Vereine bei der Herzogin Amalia stifteten Goethe
und der Geheimrath Voigt für die übrigen Freitage des Monats einen ähn¬
lichen Verein, in welchem auch jenaische Professoren bisweilen Vorträge hiel¬
ten. Der Herzog hatte solches Wohlgefallen an den Vorträgen, daß er die
Absicht hatte, auch den Bürgern, den Brauern, Färbern, Gerbern, populäre
Vorträge über Chemie halten zu lassen.

Wie Freitags bei Goethe, so versammelte sich Sonntag-Abends bei Herder's
ein Kreis gebildeter Männer. Auch bei dem Fräulein von Göphausen und in
den zweimal in der Woche stattfindenden Abendgesellschaften der Hofräthin
Schopenhauer wurden unterhaltende und gelehrte Vorträge gehalten. Im
Jahre 1804 lud Goethe die Frau von Stein und einige andere Damen an
den Donnerstag-Vormittagen zur Betrachtung seiner Kunstsammlungen zu sich
ein. Der Kreis der Damen vergrößerte sich, und es blieb nicht bei der Be¬
trachtung der Kunstsammlungen, sondern Goethe hielt den Damen Vorträge
über verschiedene Gegenstände. Dieses Kränzchen wurde später von dem Don¬
nerstag auf den Mittwoch verlegt und bestand eine Reihe von Jahren. Seit
dem Jahre 1809 werden diese Mittwochsstunden nicht mehr erwähnt; aber
die Herzogin Louise besuchte Goethe einmal. später zweimal in der Woche,
und Goethe war immer bemüht ihr etwas Bedeutendes vorzutragen und hielt
der Herzogin bisweilen auch im Schlosse Vorträge.

So herrschte unter Karl August ein so reges geistiges Leben in Weimar,
wie noch nie in einer deutschen Stadt, und dieses geistige Leben wurde da¬
durch noch reger, daß Weimar bald die Aufmerksamkeit von ganz Deutschland
auf sich zog und alle gebildeten Deutsche, Dichter, Gelehrte, und Künstler
Staatsmänner und Heerführer, Fürsten und Edelleute, die berühmte Musen¬
stadt kennen zu lernen wünschten und besuchten. Jeder Dichter hielt es für
eine Ehre, in Weimar etwas von seinen Gedichten recitiren, jeder Gelehrte,
in Weimar einen Vortrag halten zu dürfen. Es herrschte, wie Goethe sagt,
"damals der Trieb, von Weimar aus alles Löbliche und Gute zu fördern",
und der Herzog blieb sein Lebenlang der Mittelpunkt und Schirmherr aller
dieser hohen und edlen Bestrebungen.




Herzogs und Goethe's sehr förderlich. Mit einzelnen Professoren standen
der Herzog und Goethe in brieflichem Verkehr und häusig hielten Universitäts¬
lehrer Vorlesungen in Weimar.

Neben dem Gelehrten-Vereine bei der Herzogin Amalia stifteten Goethe
und der Geheimrath Voigt für die übrigen Freitage des Monats einen ähn¬
lichen Verein, in welchem auch jenaische Professoren bisweilen Vorträge hiel¬
ten. Der Herzog hatte solches Wohlgefallen an den Vorträgen, daß er die
Absicht hatte, auch den Bürgern, den Brauern, Färbern, Gerbern, populäre
Vorträge über Chemie halten zu lassen.

Wie Freitags bei Goethe, so versammelte sich Sonntag-Abends bei Herder's
ein Kreis gebildeter Männer. Auch bei dem Fräulein von Göphausen und in
den zweimal in der Woche stattfindenden Abendgesellschaften der Hofräthin
Schopenhauer wurden unterhaltende und gelehrte Vorträge gehalten. Im
Jahre 1804 lud Goethe die Frau von Stein und einige andere Damen an
den Donnerstag-Vormittagen zur Betrachtung seiner Kunstsammlungen zu sich
ein. Der Kreis der Damen vergrößerte sich, und es blieb nicht bei der Be¬
trachtung der Kunstsammlungen, sondern Goethe hielt den Damen Vorträge
über verschiedene Gegenstände. Dieses Kränzchen wurde später von dem Don¬
nerstag auf den Mittwoch verlegt und bestand eine Reihe von Jahren. Seit
dem Jahre 1809 werden diese Mittwochsstunden nicht mehr erwähnt; aber
die Herzogin Louise besuchte Goethe einmal. später zweimal in der Woche,
und Goethe war immer bemüht ihr etwas Bedeutendes vorzutragen und hielt
der Herzogin bisweilen auch im Schlosse Vorträge.

So herrschte unter Karl August ein so reges geistiges Leben in Weimar,
wie noch nie in einer deutschen Stadt, und dieses geistige Leben wurde da¬
durch noch reger, daß Weimar bald die Aufmerksamkeit von ganz Deutschland
auf sich zog und alle gebildeten Deutsche, Dichter, Gelehrte, und Künstler
Staatsmänner und Heerführer, Fürsten und Edelleute, die berühmte Musen¬
stadt kennen zu lernen wünschten und besuchten. Jeder Dichter hielt es für
eine Ehre, in Weimar etwas von seinen Gedichten recitiren, jeder Gelehrte,
in Weimar einen Vortrag halten zu dürfen. Es herrschte, wie Goethe sagt,
„damals der Trieb, von Weimar aus alles Löbliche und Gute zu fördern",
und der Herzog blieb sein Lebenlang der Mittelpunkt und Schirmherr aller
dieser hohen und edlen Bestrebungen.




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[0515] Herzogs und Goethe's sehr förderlich. Mit einzelnen Professoren standen der Herzog und Goethe in brieflichem Verkehr und häusig hielten Universitäts¬ lehrer Vorlesungen in Weimar. Neben dem Gelehrten-Vereine bei der Herzogin Amalia stifteten Goethe und der Geheimrath Voigt für die übrigen Freitage des Monats einen ähn¬ lichen Verein, in welchem auch jenaische Professoren bisweilen Vorträge hiel¬ ten. Der Herzog hatte solches Wohlgefallen an den Vorträgen, daß er die Absicht hatte, auch den Bürgern, den Brauern, Färbern, Gerbern, populäre Vorträge über Chemie halten zu lassen. Wie Freitags bei Goethe, so versammelte sich Sonntag-Abends bei Herder's ein Kreis gebildeter Männer. Auch bei dem Fräulein von Göphausen und in den zweimal in der Woche stattfindenden Abendgesellschaften der Hofräthin Schopenhauer wurden unterhaltende und gelehrte Vorträge gehalten. Im Jahre 1804 lud Goethe die Frau von Stein und einige andere Damen an den Donnerstag-Vormittagen zur Betrachtung seiner Kunstsammlungen zu sich ein. Der Kreis der Damen vergrößerte sich, und es blieb nicht bei der Be¬ trachtung der Kunstsammlungen, sondern Goethe hielt den Damen Vorträge über verschiedene Gegenstände. Dieses Kränzchen wurde später von dem Don¬ nerstag auf den Mittwoch verlegt und bestand eine Reihe von Jahren. Seit dem Jahre 1809 werden diese Mittwochsstunden nicht mehr erwähnt; aber die Herzogin Louise besuchte Goethe einmal. später zweimal in der Woche, und Goethe war immer bemüht ihr etwas Bedeutendes vorzutragen und hielt der Herzogin bisweilen auch im Schlosse Vorträge. So herrschte unter Karl August ein so reges geistiges Leben in Weimar, wie noch nie in einer deutschen Stadt, und dieses geistige Leben wurde da¬ durch noch reger, daß Weimar bald die Aufmerksamkeit von ganz Deutschland auf sich zog und alle gebildeten Deutsche, Dichter, Gelehrte, und Künstler Staatsmänner und Heerführer, Fürsten und Edelleute, die berühmte Musen¬ stadt kennen zu lernen wünschten und besuchten. Jeder Dichter hielt es für eine Ehre, in Weimar etwas von seinen Gedichten recitiren, jeder Gelehrte, in Weimar einen Vortrag halten zu dürfen. Es herrschte, wie Goethe sagt, „damals der Trieb, von Weimar aus alles Löbliche und Gute zu fördern", und der Herzog blieb sein Lebenlang der Mittelpunkt und Schirmherr aller dieser hohen und edlen Bestrebungen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/515>, abgerufen am 29.06.2024.