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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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deren Kreisen. Karl August und Goethe suchten Weimar zu einer Art Mittel¬
punkt der bildenden Kunst zu machen. Es wurden alle Jahre Kunstaus¬
stellungen veranstaltet und Preisaufgaben gestellt, für welche der Herzog die
Preise bezahlte. Reiche Unterstützungen des Herzogs gewährten jungen Ta¬
lenten die Möglichkeit weiterer Ausbildung, die Mittel in den Kunstschulen
großer Städte und in den Werkstätten berühmter Meister sich auszubilden und
sogar Reisen nach Italien zu unternehmen. Der unter Voigt's und Goethe's
Leitung aufgeführte Bau des Schlosses gab mannigfache Gelegenheit zur Ue¬
bung der bildenden Kunst; die tüchtigsten Künstler des In- und Auslandes
wurden zu Rath und Ausführung berufen.

Im Jahre 1791 wurde die Schauspielergesellschaft von Joseph Bellomo,
welche bis dahin in Weimar gespielt hatte, entlassen und das weimarische
Theater in ein Hoftheater verwandelt. Unter Goethe's unmittelbarer Lei¬
tung wurde das errichtete Hoftheater eine Musterschule deutscher dramatischer
Kunst und freier naturgemäßer Darstellungsweise. Später nahm auch Schiller
an der Leitung des Theaters Theil. Durch das weimarische Theater wurde
unglaublich viel für einen reineren Geschmack, geistvollere Kritik, Bereicherung
der Sprache und weltbürgerliche Ausbildung gewonnen. Der höchste Wohl¬
klang wurde der gebundenen Rede abgewonnen, kaum für darstellbar Ge¬
achtetes zur Erscheinung gebracht, die Meisterwerke des Auslandes, wie des classi¬
schen Alterthums in würdigsten Formen vorgeführt und zu neuen Kunst-
schöpfungen vielfach Muth und Kraft erweckt. Da entfaltete Schiller's Ge¬
nius die ganze Fülle seiner reiferen Kraft, mit der Griechen ewigen Borbil¬
dern, mit dem weitumfassenden Briten wetteifernd. Wallenstein, Maria Stuart,
das Mädchen von Orleans, Wilhelm Tell, die Braut von Messina traten
in der kurzen Spanne weniger Jahre als so viele neue, glänzende Gestirne
hervor, mit Iphigenie, Tasso, Egmont, Götz -- auf gleicher Bahn sich be¬
gegnend. Blickt man auf die geringen Mittel, aus welchen dieses alles her¬
vorging, auf die unzähligen Schwierigkeiten nach Ort und Lage, mit denen
zu kämpfen war so wird es einer spätern Zeit fast unglaublich vorkommen,
ja das wirklich Geschehene, Geleistete, gleich den unsterblichen Dichterwerken,
die man darstellte, selbst als Dichtung erscheinen.

Mit der Liebe zur Dichtkunst vereinigte sich in Weimar auch die Liebe
zur Wissenschaft. Wie Goethe den Sinn für die Dichtkunst angeregt und
allgemein verbreitet hatte, so war er es auch, welcher zur Gründung eines
wissenschaftlichen Vereins die Anregung gab und mit Hülfe des Herzogs den
Verein zu Stande brachte. Am 5. Juli 1791 wurden die Statuten des Ge¬
lehrten-Vereins unterzeichnet. Es war dem Urtheil eines Jeden überlassen,
was er beitragen wollte; es konnten Aufsätze sein aus dem Felde der Wissen¬
schaften, der Künste, der Geschichte, oder Auszüge aus literarischen Privat-


Grenzboten III. 187S. 64

deren Kreisen. Karl August und Goethe suchten Weimar zu einer Art Mittel¬
punkt der bildenden Kunst zu machen. Es wurden alle Jahre Kunstaus¬
stellungen veranstaltet und Preisaufgaben gestellt, für welche der Herzog die
Preise bezahlte. Reiche Unterstützungen des Herzogs gewährten jungen Ta¬
lenten die Möglichkeit weiterer Ausbildung, die Mittel in den Kunstschulen
großer Städte und in den Werkstätten berühmter Meister sich auszubilden und
sogar Reisen nach Italien zu unternehmen. Der unter Voigt's und Goethe's
Leitung aufgeführte Bau des Schlosses gab mannigfache Gelegenheit zur Ue¬
bung der bildenden Kunst; die tüchtigsten Künstler des In- und Auslandes
wurden zu Rath und Ausführung berufen.

Im Jahre 1791 wurde die Schauspielergesellschaft von Joseph Bellomo,
welche bis dahin in Weimar gespielt hatte, entlassen und das weimarische
Theater in ein Hoftheater verwandelt. Unter Goethe's unmittelbarer Lei¬
tung wurde das errichtete Hoftheater eine Musterschule deutscher dramatischer
Kunst und freier naturgemäßer Darstellungsweise. Später nahm auch Schiller
an der Leitung des Theaters Theil. Durch das weimarische Theater wurde
unglaublich viel für einen reineren Geschmack, geistvollere Kritik, Bereicherung
der Sprache und weltbürgerliche Ausbildung gewonnen. Der höchste Wohl¬
klang wurde der gebundenen Rede abgewonnen, kaum für darstellbar Ge¬
achtetes zur Erscheinung gebracht, die Meisterwerke des Auslandes, wie des classi¬
schen Alterthums in würdigsten Formen vorgeführt und zu neuen Kunst-
schöpfungen vielfach Muth und Kraft erweckt. Da entfaltete Schiller's Ge¬
nius die ganze Fülle seiner reiferen Kraft, mit der Griechen ewigen Borbil¬
dern, mit dem weitumfassenden Briten wetteifernd. Wallenstein, Maria Stuart,
das Mädchen von Orleans, Wilhelm Tell, die Braut von Messina traten
in der kurzen Spanne weniger Jahre als so viele neue, glänzende Gestirne
hervor, mit Iphigenie, Tasso, Egmont, Götz — auf gleicher Bahn sich be¬
gegnend. Blickt man auf die geringen Mittel, aus welchen dieses alles her¬
vorging, auf die unzähligen Schwierigkeiten nach Ort und Lage, mit denen
zu kämpfen war so wird es einer spätern Zeit fast unglaublich vorkommen,
ja das wirklich Geschehene, Geleistete, gleich den unsterblichen Dichterwerken,
die man darstellte, selbst als Dichtung erscheinen.

Mit der Liebe zur Dichtkunst vereinigte sich in Weimar auch die Liebe
zur Wissenschaft. Wie Goethe den Sinn für die Dichtkunst angeregt und
allgemein verbreitet hatte, so war er es auch, welcher zur Gründung eines
wissenschaftlichen Vereins die Anregung gab und mit Hülfe des Herzogs den
Verein zu Stande brachte. Am 5. Juli 1791 wurden die Statuten des Ge¬
lehrten-Vereins unterzeichnet. Es war dem Urtheil eines Jeden überlassen,
was er beitragen wollte; es konnten Aufsätze sein aus dem Felde der Wissen¬
schaften, der Künste, der Geschichte, oder Auszüge aus literarischen Privat-


Grenzboten III. 187S. 64
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[0513] deren Kreisen. Karl August und Goethe suchten Weimar zu einer Art Mittel¬ punkt der bildenden Kunst zu machen. Es wurden alle Jahre Kunstaus¬ stellungen veranstaltet und Preisaufgaben gestellt, für welche der Herzog die Preise bezahlte. Reiche Unterstützungen des Herzogs gewährten jungen Ta¬ lenten die Möglichkeit weiterer Ausbildung, die Mittel in den Kunstschulen großer Städte und in den Werkstätten berühmter Meister sich auszubilden und sogar Reisen nach Italien zu unternehmen. Der unter Voigt's und Goethe's Leitung aufgeführte Bau des Schlosses gab mannigfache Gelegenheit zur Ue¬ bung der bildenden Kunst; die tüchtigsten Künstler des In- und Auslandes wurden zu Rath und Ausführung berufen. Im Jahre 1791 wurde die Schauspielergesellschaft von Joseph Bellomo, welche bis dahin in Weimar gespielt hatte, entlassen und das weimarische Theater in ein Hoftheater verwandelt. Unter Goethe's unmittelbarer Lei¬ tung wurde das errichtete Hoftheater eine Musterschule deutscher dramatischer Kunst und freier naturgemäßer Darstellungsweise. Später nahm auch Schiller an der Leitung des Theaters Theil. Durch das weimarische Theater wurde unglaublich viel für einen reineren Geschmack, geistvollere Kritik, Bereicherung der Sprache und weltbürgerliche Ausbildung gewonnen. Der höchste Wohl¬ klang wurde der gebundenen Rede abgewonnen, kaum für darstellbar Ge¬ achtetes zur Erscheinung gebracht, die Meisterwerke des Auslandes, wie des classi¬ schen Alterthums in würdigsten Formen vorgeführt und zu neuen Kunst- schöpfungen vielfach Muth und Kraft erweckt. Da entfaltete Schiller's Ge¬ nius die ganze Fülle seiner reiferen Kraft, mit der Griechen ewigen Borbil¬ dern, mit dem weitumfassenden Briten wetteifernd. Wallenstein, Maria Stuart, das Mädchen von Orleans, Wilhelm Tell, die Braut von Messina traten in der kurzen Spanne weniger Jahre als so viele neue, glänzende Gestirne hervor, mit Iphigenie, Tasso, Egmont, Götz — auf gleicher Bahn sich be¬ gegnend. Blickt man auf die geringen Mittel, aus welchen dieses alles her¬ vorging, auf die unzähligen Schwierigkeiten nach Ort und Lage, mit denen zu kämpfen war so wird es einer spätern Zeit fast unglaublich vorkommen, ja das wirklich Geschehene, Geleistete, gleich den unsterblichen Dichterwerken, die man darstellte, selbst als Dichtung erscheinen. Mit der Liebe zur Dichtkunst vereinigte sich in Weimar auch die Liebe zur Wissenschaft. Wie Goethe den Sinn für die Dichtkunst angeregt und allgemein verbreitet hatte, so war er es auch, welcher zur Gründung eines wissenschaftlichen Vereins die Anregung gab und mit Hülfe des Herzogs den Verein zu Stande brachte. Am 5. Juli 1791 wurden die Statuten des Ge¬ lehrten-Vereins unterzeichnet. Es war dem Urtheil eines Jeden überlassen, was er beitragen wollte; es konnten Aufsätze sein aus dem Felde der Wissen¬ schaften, der Künste, der Geschichte, oder Auszüge aus literarischen Privat- Grenzboten III. 187S. 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/513>, abgerufen am 29.06.2024.