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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Doch genug. Nicht die Berichtigung der feuilletonistischen Leistung eines
Augenzeugen, sondern die Kritik des Urtheils eines englischen Gerichts war
der Zweck dieser Zeilen. sechsjährige Erfahrung im Leuchtthurmfach, auf
dem Wasser und an den Küsten, und der Besitz des amtlichen Materials, auf
welches das englische Urtheil sich gründet, geben mir vielleicht einiges Recht zu
R. B. dieser Kritik.




Oesterreichs Handelsmarine im letzten Vierteljahr-
hundert.

Wenn auch die See schon seit undenklichen Zeiten von den Menschen
befahren wird und wenn die Schifffahrt seit Alters her als wichtiges Mittel
für den Verkehr zwischen den Völkern dient, so hat doch die' Art ihres Be¬
triebes niemals noch in so kurzer Zeit größere Wandlungen und bedeutendere
Fortschritte gemacht, als im Laufe dieses Jahrhundertes. Nach doppelter
Richtung machte sich diese Erscheinung geltend; das Fahrzeug wurde geändert
und verbessert, die Schifffahrtskunde erweitert. Nicht allein das Auftreten
des Dampfes veränderte das Wesen der Marine, auch die Bauart der Schiffe
im Allgemeinen ward zweckmäßiger, deren Ausrüstung vollständiger und mehr
den Bedürfnissen entsprechend. Es bemächtigte sich die Wissenschaft der Schiff¬
fahrt, sie erforschte die Meere und brachte treffliche Karten derselben zu
Stande, sie erkannte die Gesetze, welchen Winde und Strömungen gehorchen
sie zwang die Kräfte des Magnetismus und der Electricität zu ihrem Dienste,
sie gab dem Seemann wichtige Instrumente zur Hand und machte ihn zum
Herrn auf der See. Sicherer und leichter durchschifft der Seemann heute den
Ocean, als vor Zeiten die heimischen Gewässer, und er weiß seinen Curs so
genau zu finden, als befände er sich auf einer mit guten Meilensteinen wohl¬
versehenen Landstraße.

Noch ein drittes Moment gesellte sich hinzu. Der Verkehr wuchs in
riesigen Dimensionen, die einzelnen Länder rückten scheinbar näher und näher
aneinander und die Fäden, welche der Verkehr hinüber und herüber zog
wurden in demselben Maaße dichter und zahlreicher. Segel und Dampf
haben Mühe, dem ununterbrochen steigenden Bedürfnisse zu genügen.

Das letzte Vierteljahrhundert, 1830 --1876, war für den Seehandel von
tief eingreifender Wichtigkeit. Bedeutsame Wandlungen vollzogen sich während
desselben. Der Aufschwung, den zu Land und zur See die Anwendung des
Dampfes als bewegende Kraft mit sich brachte, wird für alle Zeiten einen
Markstein in der Geschichte der Wirthschaft bezeichnen. Die Eisenbahnen


Doch genug. Nicht die Berichtigung der feuilletonistischen Leistung eines
Augenzeugen, sondern die Kritik des Urtheils eines englischen Gerichts war
der Zweck dieser Zeilen. sechsjährige Erfahrung im Leuchtthurmfach, auf
dem Wasser und an den Küsten, und der Besitz des amtlichen Materials, auf
welches das englische Urtheil sich gründet, geben mir vielleicht einiges Recht zu
R. B. dieser Kritik.




Oesterreichs Handelsmarine im letzten Vierteljahr-
hundert.

Wenn auch die See schon seit undenklichen Zeiten von den Menschen
befahren wird und wenn die Schifffahrt seit Alters her als wichtiges Mittel
für den Verkehr zwischen den Völkern dient, so hat doch die' Art ihres Be¬
triebes niemals noch in so kurzer Zeit größere Wandlungen und bedeutendere
Fortschritte gemacht, als im Laufe dieses Jahrhundertes. Nach doppelter
Richtung machte sich diese Erscheinung geltend; das Fahrzeug wurde geändert
und verbessert, die Schifffahrtskunde erweitert. Nicht allein das Auftreten
des Dampfes veränderte das Wesen der Marine, auch die Bauart der Schiffe
im Allgemeinen ward zweckmäßiger, deren Ausrüstung vollständiger und mehr
den Bedürfnissen entsprechend. Es bemächtigte sich die Wissenschaft der Schiff¬
fahrt, sie erforschte die Meere und brachte treffliche Karten derselben zu
Stande, sie erkannte die Gesetze, welchen Winde und Strömungen gehorchen
sie zwang die Kräfte des Magnetismus und der Electricität zu ihrem Dienste,
sie gab dem Seemann wichtige Instrumente zur Hand und machte ihn zum
Herrn auf der See. Sicherer und leichter durchschifft der Seemann heute den
Ocean, als vor Zeiten die heimischen Gewässer, und er weiß seinen Curs so
genau zu finden, als befände er sich auf einer mit guten Meilensteinen wohl¬
versehenen Landstraße.

Noch ein drittes Moment gesellte sich hinzu. Der Verkehr wuchs in
riesigen Dimensionen, die einzelnen Länder rückten scheinbar näher und näher
aneinander und die Fäden, welche der Verkehr hinüber und herüber zog
wurden in demselben Maaße dichter und zahlreicher. Segel und Dampf
haben Mühe, dem ununterbrochen steigenden Bedürfnisse zu genügen.

Das letzte Vierteljahrhundert, 1830 —1876, war für den Seehandel von
tief eingreifender Wichtigkeit. Bedeutsame Wandlungen vollzogen sich während
desselben. Der Aufschwung, den zu Land und zur See die Anwendung des
Dampfes als bewegende Kraft mit sich brachte, wird für alle Zeiten einen
Markstein in der Geschichte der Wirthschaft bezeichnen. Die Eisenbahnen


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[0442] Doch genug. Nicht die Berichtigung der feuilletonistischen Leistung eines Augenzeugen, sondern die Kritik des Urtheils eines englischen Gerichts war der Zweck dieser Zeilen. sechsjährige Erfahrung im Leuchtthurmfach, auf dem Wasser und an den Küsten, und der Besitz des amtlichen Materials, auf welches das englische Urtheil sich gründet, geben mir vielleicht einiges Recht zu R. B. dieser Kritik. Oesterreichs Handelsmarine im letzten Vierteljahr- hundert. Wenn auch die See schon seit undenklichen Zeiten von den Menschen befahren wird und wenn die Schifffahrt seit Alters her als wichtiges Mittel für den Verkehr zwischen den Völkern dient, so hat doch die' Art ihres Be¬ triebes niemals noch in so kurzer Zeit größere Wandlungen und bedeutendere Fortschritte gemacht, als im Laufe dieses Jahrhundertes. Nach doppelter Richtung machte sich diese Erscheinung geltend; das Fahrzeug wurde geändert und verbessert, die Schifffahrtskunde erweitert. Nicht allein das Auftreten des Dampfes veränderte das Wesen der Marine, auch die Bauart der Schiffe im Allgemeinen ward zweckmäßiger, deren Ausrüstung vollständiger und mehr den Bedürfnissen entsprechend. Es bemächtigte sich die Wissenschaft der Schiff¬ fahrt, sie erforschte die Meere und brachte treffliche Karten derselben zu Stande, sie erkannte die Gesetze, welchen Winde und Strömungen gehorchen sie zwang die Kräfte des Magnetismus und der Electricität zu ihrem Dienste, sie gab dem Seemann wichtige Instrumente zur Hand und machte ihn zum Herrn auf der See. Sicherer und leichter durchschifft der Seemann heute den Ocean, als vor Zeiten die heimischen Gewässer, und er weiß seinen Curs so genau zu finden, als befände er sich auf einer mit guten Meilensteinen wohl¬ versehenen Landstraße. Noch ein drittes Moment gesellte sich hinzu. Der Verkehr wuchs in riesigen Dimensionen, die einzelnen Länder rückten scheinbar näher und näher aneinander und die Fäden, welche der Verkehr hinüber und herüber zog wurden in demselben Maaße dichter und zahlreicher. Segel und Dampf haben Mühe, dem ununterbrochen steigenden Bedürfnisse zu genügen. Das letzte Vierteljahrhundert, 1830 —1876, war für den Seehandel von tief eingreifender Wichtigkeit. Bedeutsame Wandlungen vollzogen sich während desselben. Der Aufschwung, den zu Land und zur See die Anwendung des Dampfes als bewegende Kraft mit sich brachte, wird für alle Zeiten einen Markstein in der Geschichte der Wirthschaft bezeichnen. Die Eisenbahnen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/442>, abgerufen am 26.06.2024.